Die landwirtschaftliche Fläche der Ukraine ist ein Viertel so groß wie die der gesamten Europäischen Union. Der Anteil der Landwirtschaft am ukrainischen BIP ist im Verhältnis zehnmal höher als in der EU, die Agrarbetriebe im Durchschnitt dreizehnmal größer. Landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine tragen in erheblichem Maße zur Lebensmittelsicherheit auf globaler Ebene bei. Das Potenzial der Integration des ukrainischen Landwirtschaftssektors ist riesig: Ein Beitritt der Ukraine würde die EU als geostrategischen Agrar- und Versorgungsakteur stärken.
Gleichzeitig gehört die Landwirtschaft zu den am stärksten regulierten EU-Sektoren und die Angleichung an anspruchsvolle Regularien und Standards stellt eine große Herausforderung für ein Land im Krieg dar. Und obwohl die Landwirtschaft für die Ukraine ökonomisch sehr bedeutsam ist, investiert sie im EU-Vergleich nur einen Bruchteil in die Verwaltung dieses Bereiches. Die Lücke in der landwirtschaftlichen Finanzierung belaufe sich auf 3,3 Milliarden Euro, so Dr. Oleg Nivievskyi, Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften an der Kyiv School of Economics (KSE, Kyjiw), Associate Professor und Assoziiertes Mitglied des Zentrums für Lebensmittel- und Landnutzungsforschung bei der Vorstellung seines Policy Papers „Assessing the challenges for agri-food public authorities“.
Das Paper, das im Rahmen des Ukraine Perspectives Talks am 30. April 2024 vorgestellt wurde, unterstreicht das Ausmaß der Herausforderungen, vor denen die Ukraine bei der Angleichung ihres Agrarsektors an die EU-Standards steht. Außerdem hebt es die Bedeutung technischer Hilfe seitens der EU beim Aufbau von Verwaltungskapazitäten und gezielter Investitionen in öffentliche Einrichtungen und Infrastruktur hervor, um den Beitrittsprozess zu erleichtern.
Kommentiert wurden die Ergebnisse des Papers von Prof. Dr. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock. Es müssten Prioritäten und Instrumente für einen reibungslosen Übergang festgelegt werden. Es bräuchte z.B. Direktzahlungen, die sich bereits bei der Erweiterung im Jahr 2004 bewährt hätten, sowie national kofinanzierte Einkommenshilfen für die ukrainischen Agrarbetriebe und die Einrichtung eines Kontrollsystems. Mit Blick auf den Umweltschutz fordert er simplere und effektivere Auflagen.
Die anwesenden Teilnehmer:innen thematisierten die öffentliche Debatte in der Ukraine in Bezug auf die Einhaltung der EU-Agrarstandards, die Fortschritte der Verwaltungsdienste seit dem Assoziierungsabkommen und die Wirksamkeit des Green Deals und der Farm-to-Fork-Strategie.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Laura Christoph, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IEP, und Veronika Movchan, Forschungsdirektorin am Institute for Economic Research and Policy Consulting (IER, Kyjiw).
Ukraine Perspectives wird gemeinsam mit der ukrainischen Partnerorganisation Institute for Economic Research and Policy Consulting (IER, Kyjiw) implementiert und vom Planungsstab des Auswärtigen Amts gefördert.