Share twitter bluesky instagram facebook LinkedIn youtube tiktok

Wir verwenden Cookies, die für den reibungslosen Betrieb der Website erforderlich sind, um unsere Website zu verbessern. Außerdem sind externe Medien (z.B. Videos) in die Website eingebunden. Wenn Sie auf "Alle akzeptieren" klicken, stimmen Sie der Nutzung von Cookies für die Einbindung externen Medien zu und erklären sich mit der hierbei erfolgenden Verarbeitung von personenbezogenen Daten einverstanden. Sie können diese Einstellungen jederzeit wieder ändern. Falls Sie nicht zustimmen, beschränken wir uns auf die technisch notwendigen Cookies. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.

Multistakeholder Dialogue in Kyjiw
16.06.2025

Roman Shalamov/ Kateryna Zhemchuzhnykova/ Daria Rachkovska/ Marta Yurkovska
Roman Shalamov/ Kateryna Zhemchuzhnykova/ Daria Rachkovska/ Marta Yurkovska

Die EU-Integration trägt dazu bei, rechtsstaatliche Reformen in der Ukraine trotz der andauernden russischen Aggression voranzutreiben. Beim hybriden Austausch zum Stand des Prozesses in Kyjiw, zeigten sich ukrainische Vertreter:innen entschlossen, den Reformkurs fortzusetzen.

Gemeinsam mit dem Civil Network Opora brachte das IEP am 2. und 3. Juni 2025 eine Delegation aus Vertreter:innen des Auswärtigen Amtes, des Bundestages sowie deutscher und Brüsseler Think-Tanks nach Kyjiw. Ziel war ein Austausch mit ukrainischen Regierungsvertreter:innen und Expert:innen. Im Mittelpunkt stand die Angleichung in den Kapiteln 23 und 24 des EU-Acquis (Rechtsstaatlichkeit und Grundwerte), insbesondere Fortschritte im Bereich Justizwesen, die Wahrung der Rechte ukrainischer Staatsbürger:innen im Ausland und der Umgang mit russischer Desinformation im Bereich der EU-Integration der Ukraine. Die zweitägige Veranstaltung umfasste einen Workshop und zusätzliche Arbeitstreffen.

Workshop: Stand des Beitrittsprozesses

Zum Auftakt gaben Vertreter:innen des Büros der ukrainischen Ministerpräsidentin für europäische und euro-atlantische Integration (DPMO) einen Überblick und Einschätzung zum aktuellen Stand des Beitrittsprozesses. In enger Abstimmung mit über 70 zivilgesellschaftlichen Organisationen und 50 staatlichen Stellen wurden von der ukrainischen Regierung drei Roadmaps in den Bereichen Rechtstaatlichkeit, demokratische Institutionen und öffentliche Verwaltung erarbeitet. Diese decken das sogenannte Grundlagen-Cluster ab und enthalten über 500 Maßnahmen mit dem Ziel, bestehende Defizite bis 2028 systematisch zu beheben und den EU-Beitrittsprozess zu stärken.

Die Screening-Prozesse für die Cluster 1 (Grundlagen), 2 (Binnenmarkt), und 6 (Außenbeziehungen) sind bereits abgeschlossen und auch das Screening des Clusters 3 (Wettbewerbsfähigkeit) wurde in derselben Woche mit zwei letzten Treffen zur Steuer- und Finanzpolitik finalisiert. Der entsprechende Bericht der Europäischen Kommission werde in etwa einem Monat erwartet. Parallel dazu hat die ukrainische Seite bereits Verhandlungspositionen für drei Cluster (Grundlagen, Binnenmarkt und Außenbeziehungen) ausgearbeitet und bei der Europäischen Kommission eingereicht. Nun warte man auf die Entscheidung der EU-Mitgliedsstaaten über die Eröffnung der Verhandlungen.

Die Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten, etwa in bilateralen Dialogformaten oder durch Expertenentsendungen, wurde als zentral für Vertrauen und Know-how-Transfer hervorgehoben. Gleichzeitig wurde auf die Finanzierungslücke durch die Terminierung von USAID hingewiesen, die stärkere europäische Unterstützung notwendig macht. Trotz Fortschritten bei der Entpolitisierung und Integritätsprüfung der obersten Justizorgane bestehen weiterhin strukturelle Defizite, insbesondere in Personal- und Finanzierungsfragen: Viele Richterstellen sind unbesetzt und hohe Fallzahlen führen zu Überlastung; es mangelt an einem transparenten und nachhaltigen Finanzierungsmodell. Expert:innen forderten klare gesetzliche Vorgaben, effizientere Verfahren und dauerhafte institutionelle Lernprozesse. Der politische Reformwille müsse durch „konstruktiven Druck“ seitens der EU unterstützt werden.

Wahlrechte im Ausland als technische und gesellschaftspolitische Herausforderung

Ein weiteres Panel thematisierte die Sicherung der Wahlrechte ukrainischer Staatsbürger:innen in den EU-Ländern, deren Umsetzung im Kontext des Grundlagen-Clusters besonders wichtig ist. Opora stellte ein aktuelles Policy Paper zum Thema vor, das anschließend diskutiert wurde. Zwischen 5–9 Mio. Ukrainer:innen leben im Ausland, doch nur ca. 400.000 sind konsularisch registriert und damit nicht Teil der Wählerlisten. Informationsmangel und infrastrukturelle Hürden, besonders in ländlichen Regionen, erschweren die Teilhabe.

Die stellvertretende Ministerin für digitale Entwicklung, digitale Transformation und Digitalisierung, Ilona Havronska, stellte die sogenannten „Unity Hubs“ vor, die zukünftig als Beratungsstellen und Brücken zur politischen Partizipation dienen sollen. Auch die Rolle von Konsulaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren wurde diskutiert. Ziel sei es, Wahlrechte zu sichern, ohne zwischen Rückkehr und dauerhafter Integration zu polarisieren.

Desinformation als systemischer Angriff auf Demokratie

Im dritten Panel stand der Einfluss russischer Desinformation auf die ukrainische Öffentlichkeit hinsichtlich des EU-Beitrittsprozesses im Fokus. Mit Narrativen wie „Die Ukraine ist eine Marionette des Westens“ oder “EU-Eliten profitieren vom Krieg in der Ukraine“ versucht Russland die EU zu diskreditieren und die Zustimmung für die EU-Integration der Ukraine zu schwächen. Aktuelle Analysen zeigen zudem, dass soziale Medien, insbesondere Telegram, für Ukrainer:innen an erster Stelle für den Bezug von Informationen stehen. Über 30% der Nutzer:innen konsumieren Nachrichten von anonymen Bloggern und/oder Telegram/YouTube-Persönlichkeiten. Die Teilnehmenden betonten, dass der Informationskrieg nicht allein mit Fakten zu gewinnen sei, sondern eine strategische multilaterale Antwort brauche, unter anderem durch Plattformregulierung, Aufklärung und kulturelle Diplomatie.

Als Redner:innen beim Workshop beteiligten sich Vertreter:innen des DPMO, der Ministerien für Digitalisierung und Nationale Einheit, der Deutschen Botschaft, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, der High Qualification Commission of Judges of Ukraine, der Zentralen Wahlkommission, des Hohen Justizrats der Ukraine, des Civil Network Opora der Stiftung Wissenschaft und Politik, des Zentrums für Liberale Moderne, der DEJURE Foundation, des Centre for Policy and Legal Reform, des Center for Economic Strategy, sowie des Center for Strategic Communications and Information Security und der Initiative of Informational Hygiene.

Einblicke in die Arbeit von Behörden und NGOs

Der zweite Tag des Multistakeholder-Dialogs widmete sich persönlichen Treffen in Kyjiw. So konnten die Teilnehmenden ihre Perspektive erweitern, besonders durch Einblicke in die Arbeit staatlicher Institutionen und zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich für Korruptionsprävention und -bekämpfung sowie die Rechte ukrainischer Kinder einsetzen. Die Treffen mit der Nationalen Agentur zur Korruptionsprävention (NACP) und dem Anti-Corruption Action Center (AntAC) mussten teils aufgrund eines Luftalarms in einen Bunker bzw. die Kyjiwer Metro verlegt werden. Anschließend besuchten die Teilnehmenden das Child Rights Protection Centre, das im Bereich psychosoziale Betreuung und der rechtlichen Unterstützung bei der Rückholung nach Russland deportierter ukrainischer Kinder aktiv ist. Kulturelle Programmpunkte, darunter ein Besuch der Sophienkathedrale, rundeten den Tag ab.

Der Multistakeholder Dialog fand im Rahmen des Projekts "Pathways to Progress: Germany-Ukraine Dialogues for Rule of Law on EU Accession" statt, das durch das 3*E4U Projekt der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Auswärtigen Amts gefördert wird.

Team & Autor:innen

Über das Pathways to Progress: Germany-Ukraine Dialogues on Rule of Law for EU Accession Projekt: Für eine gelungene EU-Integration der Ukraine ist eine enge Zusammenarbeit bei Reformen in Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten entscheidend. Politische Dialogveranstaltungen in Kyjiw, Berlin und Brüssel fördern diese und ermöglichen eine aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft.

ISSN/ISBN:
Bild Copyright: Roman Shalamov/ Kateryna Zhemchuzhnykova/ Daria Rachkovska/ Marta Yurkovska