Im Lateinischen bedeutet resilio "zurückspringen", "abprallen", "sich zurückziehen". Im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit zielt das Projekt darauf ab, Faktoren zu ermitteln, die zur Resilienz der Rechtsstaatlichkeit beitragen, d. h. sie robuster gegenüber gefährlichen Ereignissen und zunehmenden Bedrohungen machen.
In einem Rechtsstaat handeln alle öffentlichen Gewalten stets innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen, im Einklang mit den Werten der Demokratie und Grundrechten, und unter der Kontrolle unabhängiger und unparteiischer Gerichte. Zu den Kernelementen der Rechtsstaatlichkeit gehören die Grundsätze der Legalität, der Rechtssicherheit, des wirksamen Rechtsschutzes durch unabhängige und unparteiische Gerichte, der Achtung der Grundrechte und der Gleichheit vor dem Gesetz.
Resilienz der Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass die Rechtsstaatlichkeit gefährlichen Ereignissen oder zunehmenden Bedrohungen ausgesetzt werden kann, ohne ihre Kernfunktion, ihre Struktur und ihren Zweck zu verlieren, und dass sie sich wirksam gegen versuchte Angriffe verteidigen kann. Die Quellen der Resilienz liegen nicht nur in Verfassungen und Institutionen, sondern können auch durch soziale, politische, kulturelle und wirtschaftliche Umstände begünstigt werden.
Die Widerstandsfähigkeit der Rechtsstaatlichkeit hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Sie beziehen sich sowohl auf die institutionelle Architektur der Rechtsstaatlichkeit als auch auf das Umfeld, in dem sie fungiert. RESILIO bietet daher ein mehrschichtiges Modell der Resilienz, das die Widerstandsfähigkeit des rechtlichen und institutionellen Gefüges an sich (systemische Dimension), die in den Gesellschaften vorhandenen Phänomene und Tendenzen (subsidiäre Dimension), sowie den breiteren Lebensraum (kontextuelle Dimension) mit einbezieht.
Systemische Dimension: bildet den Kern und umfasst die Regeln und Normen, die das vorschriftsmäßige Funktionieren der rechtlichen und politischen Ordnung gewährleisten sollen. Systemische Resilienzfaktoren sind:
- Institutionelle Resilienz
- Justizielle Resilienz
- Verfassungsrechtliche Resilienz
Subsidiäre Dimension: befasst sich damit, wie die Rechtsstaatlichkeit in der Gesellschaft anerkannt und umgesetzt wird. Subsidiäre Resilienzfaktoren sind:
- Zivilgesellschaftliche Resilienz
- Mediale Resilienz
- Politische Resilienz
Kontextuelle Dimension: wirkt sich förderlich auf den sozialen Frieden aus und verhindert, dass antidemokratische Akteure mit einem Interesse an der Untergrabung der Rechtsstaatlichkeit in der Bevölkerung Unterstützung finden. Kontextbedingte Resilienzfaktoren sind:
- Resilienz des öffentlichen Diskurses
- Wirtschaftliche Resilienz
- Soziale Resilienz
Nicht zuletzt berücksichtigt RESILIO auch die Auswirkungen von Krisen sowie deren (politische) Instrumentalisierung, die sich mit unterschiedlicher Intensität auf alle Dimensionen der Resilienz von Rechtsstaaten auswirken können.
Zwar ist jeder einzelne Faktor für eine widerstandsfähige Rechtsstaatlichkeit notwendig, doch sind sie nur in Kombination auch ausreichend.