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integration 03/23
05.10.2023

IEP/Lindner/Beinroth
IEP/Lindner/Beinroth

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine geopolitische Zäsur. Die Beiträge in der "integration" 3/23 diskutieren die Auswirkungen des Krieges auf die Europäische Union in unterschiedlichen Politikfeldern.

Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine muss die Europäische Union (EU) auf einen Krieg gegen einen Partner in unmittelbarer Nachbarschaft reagieren. Um die damit einhergehenden Folgen für die EU geht es in Heft 3/23 der integration. Das Themenheft basiert auf ausgewählten Vorträgen des Jahreskolloquiums 2022 des Arbeitskreises Europäische Integration in Zusammenarbeit mit der Schader-Stiftung.

Das zum Download zur Verfügung stehende Editorial zeigt die Fragestellungen auf, die sich für die EU durch die neue geopolitische Realität seit dem Krieg ergeben haben. Die Beiträge greifen einzelne Aspekte auf. In der Aufsatzkategorie stehen die institutionelle Reformnotwendigkeit der EU insbesondere mit Blick auf Vertiefung und Erweiterung im Fokus sowie Reformmodelle, mit denen die Schwächen im bisherigen Erweiterungsprozess der EU überwunden werden können. Außerdem werden Elemente eines außenpolitischen Strategieansatzes am Beispiel China in den Blick genommen und – am Beispiel Ungarn – untersucht, wie politische Geiselnahme die außenpolitische Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit der EU erschwert. In der Forumskategorie geht es um die „Stärke“ der EU nach der geopolitischen Zeitenwende und um den (potenziellen) Konflikt zwischen Energiesicherheit und Erreichung der Klimaziele. In der Sammelrezension werden die kürzlich erschienen Bücher zur europäischen Integrationsgeschichte von Kiran Klaus Patel bzw. Ludger Kühnhardt besprochen.

Mit einer neuen Realität konfrontiert: die Auswirkungen des Angriffskrieges gegen die Ukraine auf die Europäische Union

Michèle Knodt und Claudia Wiesner

Das Editorial ist frei zum Download verfügbar.

Handlungsfähig, flexibel und exekutivdominiert: Wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Europäische Union verändert

Nicolai von Ondarza

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt auch für die krisenerprobte Europäische Union (EU) eine enorme Herausforderung dar. Die Analyse der bisherigen Auswirkungen auf ihre institutionellen Strukturen zeigt, dass es bisher zu keiner radikalen Transformation der Union gekommen ist. Ihre Institutionen haben auf bestehende Instrumente aus früheren Krisen zurückgegriffen und diese flexibel eingesetzt und erweitert. Die intergouvernemental-exekutive Dominanz in der EU setzte sich fort, wobei der Europäische Rat und die Europäische Kommission im Zentrum der Entscheidungsfindung standen, während das Europäische Parlament weitgehend außen vor blieb. Langfristig eröffnen das Versprechen einer EU-Mitgliedschaft für die Ukraine und die Wiederbelebung der Beitrittsprozesse mit den Staaten des Westbalkans die Perspektive einer umfassenderen Reform, kurzfristig wurden unmittelbare Verfassungsdebatten auch nach der Konferenz zur Zukunft Europas vermieden. Die Strukturen der EU haben sich in der Krisenbewältigung als flexibel erwiesen, dennoch sind langfristige Reformen notwendig, um die demokratische Legitimität und Handlungsfähigkeit einer potenziell erweiterten EU zu sichern.

Perspektiven der Erweiterung – ein Versprechen, multiple Szenarien

Andrea Gawrich und Doris Wydra

Der Europäische Rat verlieh der Ukraine und der Republik Moldau am 23. Juni 2022 den Status als EU-Beitrittskandidaten, Georgien könnte folgen. Die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sehr nachdrücklich vorgebrachte Forderung nach einem möglichst raschen EU-Beitritt, erfordern eine neue Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Beitrittsprozesses selbst. Dies ist umso notwendiger, als die Prozesse auf dem Westbalkan vor dem Hintergrund der zunehmenden Verfestigung autoritär-kompetitiver Systeme stagnieren und es innerhalb der Europäischen Union sehr unterschiedliche Haltungen zur Erweiterung gibt. Dieser Aufsatz stellt die in der Debatte stehenden Reformmodelle (klassifiziert als Anker-, Assistenz- und Stufenmodelle) vor und versucht zu erläutern, inwieweit sie die bisherigen Schwächen des Erweiterungsprozesses ausgleichen können.

Strategiebestimmung in der Außen- und Chinapolitik der Europäischen Union: konzeptionelle Ansprüche und systemische Grenzen

Franco Algieri

Die Außenpolitik der Europäischen Union (EU) ist durch eine spezifische systemische Komplexität und einen hohen Grad an Institutionalisierung gekennzeichnet. Dies findet Ausdruck in der Ausgestaltung der Beziehungen zu anderen Akteuren in den internationalen Beziehungen. Doch welche Strategie liegt der europäischen Außenpolitik zugrunde und wie erfolgt deren Umsetzung? Dieser Beitrag befasst sich zunächst mit einigen theoretischen Überlegungen zu strategischem Verhalten und strategischer Kultur und untersucht daran anschließend die konzeptionellen Eckpunkte einer EU-Strategie. Am Beispiel der Chinapolitik werden dann spezifische Strategiemerkmale herausgearbeitet. Unter Berücksichtigung von konzeptionellen Ansprüchen einerseits und systemischen Grenzen andererseits erfolgt in der abschließenden Bewertung ein Zusammenfügen dessen, was als EU-Strategie erfasst werden kann, verbunden mit einem kurzen Ausblick auf die Fortführung der europäischen Chinapolitik.

Ungarn, der EU-Rechtstaatlichkeitsmechanismus und Russlands Krieg gegen die Ukraine: die politische Geiselnahme außenpolitischer Entscheidungen

Patrick Müller/Peter Slominski

Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union (EU) und der NATO ist angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine von zentraler Bedeutung. Am Beispiel der ungarischen Vetodrohungen gegenüber den Russlandsanktionen diskutiert der Artikel Strategien politischer Geiselnahme von außenpolitischen Entscheidungen. Es wird gezeigt, wie Ungarn durch die Verknüpfung mit anderen EU-Politikfeldern bzw. mit dem NATO-Beitrittsprozess Schwedens und Finnlands versucht, Zugeständnisse der EU in Bezug auf das Artikel-7-Verfahren bzw. die Auszahlung von EU-Geldern aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu erreichen. Dabei versucht Ungarn seine Vetodrohung glaubwürdig zu artikulieren, ist aber zugleich bestrebt, damit einhergehende Reputationsverluste zu minimieren. Bis dato gelingt es Ungarn damit punktuell, Zugeständnisse seitens der anderen EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, ohne den Beschluss von Sanktionen bzw. den NATO-Beitrittsprozess scheitern zu lassen.

Die Stärke der Europäischen Union nach der „Zeitenwende“

Mathias Jopp

Der vorliegende Artikel analysiert die erstaunliche Stärke und den Zusammenhalt der Europäischen Union (EU) nach der „Zeitenwende“. Die völlig neue Bedrohungslage in Europa führte nicht zu einem Auseinanderfallen der EU, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, sondern zu einem Gemeinschaftsreflex durch das Zusammenrücken der Mitgliedstaaten und eine aktive Unterstützung der Ukraine – trotz einiger Schwächen des deutsch-französischen Führungsduos. Zudem reagiert die EU auf den russischen Angriffskrieg in einer Weise durch umfangreiche Militärhilfen und gemeinsame Munitionsbeschaffung, wie sie noch vor zwei oder drei Jahren als undenkbar galt. Es fehlt ihr aber eine klare Strategie, um zu einer Kriegsbeendigung beitragen zu können. Eine solche Strategie wäre dringend erforderlich, um nach der US-Präsidentschaftswahl Ende 2024 nicht zwischen einer eventuell weniger atlantisch gesinnten USA und einem weiterhin bellizistischen Russland aufgerieben zu werden.

Energiesicherheit-Nachhaltigkeit-Nexus in Zeiten des Krieges: Krisengesteuerte Notfallmaßnahmen für den Green Deal?

Michèle Knodt und Marc Ringel

Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, hat die Europäische Union (EU) kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen im Bereich der Energiepolitik ergriffen. Diese adressieren sowohl das Ziel der Versorgungssicherheit als auch der Nachhaltigkeit. Die EU nutzt dabei teilweise die Möglichkeiten der Notfallmaßnahmen des Art. 122 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, woraus sich zwei Folgen ergeben: Zum einen schafft sich die EU damit ein Legitimationsdefizit. Zum anderen kann sie mit diesem Ansatz energiepolitische Beschränkungen überwinden, die sich aus mangelnden Kompetenzen in dem Feld ergeben, und den Green Deal trotz der kriegsbedingten Fokussierung auf Energiesicherheit weiter vorantreiben.

Team & Autor:innen

Über das integration Projekt: Die Vierteljahreszeitschrift "integration" ist ein theoriegeleitetes und politikbezogenes interdisziplinäres Forum zu Grundsatzfragen der europäischen Integration. Aktuelles aus der Europapolitik wird aus politischer und akademischer Perspektive diskutiert.

ISSN/ISBN: 0720-5120, 2941-8895
Bild Copyright: IEP/Lindner/Beinroth