Es gilt zwar das Prinzip „one person, one vote“ – aber nur innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten. Gesamteuropäisch gilt hingegen: Größere Länder stellen weniger Europaabgeordnete pro Einwohner:in als kleinere. Diese „degressive Proportionalität“ soll sicherstellen, dass auch die kleinsten Länder mit ihrem Parteiensystem angemessen im Parlament vertreten sind.
Sie führt aber auch dazu, dass Stimmen aus kleineren Ländern die Zusammensetzung des Parlaments stärker beeinflussen, und verzerrt so das Kräfteverhältnis zwischen den EU-Fraktionen. Das ist nicht nur ein Problem für die formale demokratische Legitimität der EU. Nach der Lissabon-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es auch ein verfassungsrechtliches Hindernis für künftige Vertiefungsschritte.
Eine EU-Wahlrechtsreform sollte deshalb ein doppeltes Ziel erreichen: die degressive Proportionalität für die nationalen Sitzkontingente erhalten – aber zugleich sicherstellen, dass das Kräfteverhältnis zwischen den Fraktionen im Europäischen Parlament ihrem Stimmenverhältnis entspricht. Die beste Lösung dafür bietet ein Verhältnisausgleich über gesamteuropäische Listen: Dabei würden die „gesamteuropäischen“ Sitze so verteilt, dass unter Berücksichtigung der nationalen Kontingente die Gesamtsitzzahl jeder Fraktion ihrem EU-weiten Stimmenanteil gleichkommt.
In einem Policy Paper hat Dr. Manuel Müller für das IEP im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung dargestellt, wie ein solches Wahlverfahren aussehen könnte. Mit mehreren Rechenbeispielen beschreibt er die Funktionsweise und analysiert Herausforderungen bei seiner Umsetzung.