Die dritte jährliche Konferenz von VIADUCT fand am 22. und 23. Oktober 2020 online statt. Diese virtuelle Konferenz ersetzte die von TEPSA, CETEUS und Sciences-Po Grenoble ursprünglich für den 09. bis 13. März 2020 geplanten dritte VIADUCT-Woche, die aufgrund der COVID-19 Pandemie leider sehr kurzfristig hatte abgesagt werden müssen. Ziel der Konferenz war es, Akademiker:innen, Praktiker:innen, politische Entscheidungsträger:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft zusammenzubringen um, auch im Zusammenhang mit der laufenden Debatte über die Zukunft der europäischen Integration, verschiedene Querschnittsthemen im Rahmen der EU-Türkei Beziehungen (etwa Macht, Ressourcen, Menschen, Lehre zu den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei) zu erörtern. Die Hauptvorträge und Debatten wiesen mehr als 100 Teilnehmende auf, die Arbeitsgurppen etwa 70 Teilnehmende. Die Teilnehmenden setzten sich aus führenden Wissenschaftler:innen aus der EU und darüber hinaus aus Studierenden, EU-Praktiker:innen sowie Vertreter:innen der Zivilgesellschaft zusammen.
Der erste Tag wurde mit einer Grundsatzrede von Angelina Eichhorst, geschäftsführende Direktorin des Europäischen Auswärtigen Dienstes für Westeuropa, den westlichen Balkan, die Türkei und das Vereinigte Königreich, eingeleitet. Es folgten fünf themenorientierte Arbeitsgruppen. Am zweiten Tag wurden im Rahmen des VIADUCT-Projekts die diesjährigen Preisträger in verschiedenen Bereichen geehrt. Am Nachmittag bildete eine Debatte über die Politik der EU-Türkei Beziehungen den Abschluss des Konferenzprogramms.
Funda Tekin (Direktorin des Instituts für Europäische Politik und VIADUCT-Projektdirektorin) und Wolfgang Wessels (Direktor des Zentrums für Türkei- und EU-Studien der Universität zu Köln und Koordinator des VIADUCT-Projekts) eröffneten die VIADUCT-Online-Konferenz, indem sie alle anwesenden Netzwerkpartner:innen und das breite Publikum begrüßten.
Wolfgang Wessels stellte das Projekt vor, indem er darauf hinwies, dass das VIADUCT-Projekt ein Versprechen an alle Beteiligten sei, auch in Zeiten politischer Herausforderungen Brücken zwischen Institutionen und Menschen zu bauen.
Als Reaktion auf die Bemerkung von Wolfgang Wessels, dass Angelina Eichhorst mit Westeuropa, dem westlichen Balkan, der Türkei und dem Vereinigten Königreich verschiedene Länder abdecke, in denen die EU derzeit vor Herausforderungen stehe, betonte sie, wie wichtig es sei, mit all diesen Ländern Brücken zu bauen, insbesondere mit dem Vereinigten Königreich nach dem Ende der Brexit-Übergangszeit.
Sie sagte, es gebe viele Daten in der Geschichte, die man als Ausgangspunkt für die angespannten Beziehungen zwischen der EU und der Türkei festlegen könne, doch sei die Erklärung der EU und der Türkei vom März 2016 mit Sicherheit ein wichtiges Datum: Die Türkei und die EU reagierten auf gemeinsame Herausforderungen und arbeiteten an einem umfassenden Abkommen, das nun umgesetzt werden müsse.
Obwohl es viele gemeinsame Herausforderungen und Interessen gab, absorbierten die innenpolitische Situation der Türkei sowie Eingriffe in die Souveränität einzelner EU-Mitgliedstaaten viel Energie in den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Ausgehend von den verschiedenen Bereichen der institutionellen Zusammenarbeit habe die EU dennoch mit keinem anderen Land so viele Instrumente zur Hand wie mit der Türkei. Das derzeitige Ziel der EU im östlichen Mittelmeerraum sei es, in Gespräche einzutreten und zu deeskalieren. Die EU unterstütze die von den Vereinten Nationen getragenen Gespräche zur Beilegung des Zypernkonflikts und den Dialog zwischen Griechenland und der Türkei über das östliche Mittelmeer voll und ganz.
Sowohl in ihrer Grundsatzrede als auch in den Antworten auf die Fragen in der Fragerunde wurde die Bedeutung der Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten für die EU-Türkei Beziehungen unterstrichen. Ferner wurde betont, dass die EU keine rein transaktionalen Beziehungen zur Türkei wolle, da dies der engen gesellschaftlichen Verflechtung nicht entspräche. Außerdem sei der Beitrittsprozess sowohl für die EU als auch für die Türkei von Vorteil. Obwohl sich die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei derzeit in einer Krise befänden, würden beide langfristig von der Modernisierung der Zollunion profitieren. Beide sollten jetzt an der Deeskalation arbeiten und sich um eine positive Agenda bemühen.