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Neue Regierung, alte Herausforderungen: Politische und wirtschaftliche Aussichten – Moldau im Jahr 2020
12.02.2020

Optimarc / Shutterstock
Optimarc / Shutterstock

Welche Reformpolitik verfolgt die neue moldauische Regierung? Worauf liegt der thematische Fokus? Werden die Beziehungen zu Russland oder der EU gestärkt? Diese und weitere Fragen zur Einschätzung der Situation im Schatten der Pandemie haben Expert:innen aus Moldau diskutiert.

Am 12. Februar 2020 organisierte der Berlin Policy Hub des Instituts für Europäische Politik (IEP) ein Round-Table-Gespräch über die politischen und wirtschaftlichen Aussichten für Moldau im Jahr 2020 sowie über die Herausforderungen, denen sich die neue moldauische Regierung gegenübersieht. Drei moldauische Expert:innen waren eingeladen, um ihre Expertise zu teilen: Iulian Groza, Exekutivdirektor, Institute for European Policies and Reforms (IPRE), Adrian Lupuşor, Exekutivdirektor, Expert-Grup sowie Stanislav Ghiletchi, stellvertretender Exekutivdirektor Institute for European Policies and Reforms (IPRE). Ergänzt wurden die Expert:innenbeiträge durch einen Kommentar von Dr. Tobias Tunkel, Abteilungsleiter für Russland, Belarus, Moldau, GUS; EU-Außenbeziehungen zu Osteuropa, Südkaukasus, Zentralasien einschließlich der Östlichen Partnerschaft und der Schwarzmeerkooperation im Auswärtigen Amt.

Nach einleitenden Worten von Dr. Funda Tekin, Direktorin am IEP, wurde der Boden für eine anregende Diskussion bereitet, die von unserer Kollegin Dr. Cristina Gherasimov, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Robert-Bosch-Zentrum für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), moderiert wurde.

Wo steht Moldau im Hinblick auf seine Good Governance Reformen?

Nach der Auflösung der taktischen Koalition zwischen dem ACUM-Bündnis und der Sozialistischen Partei im November 2019 wegen des Ernennungsverfahrens für den Generalstaatsanwalt wurde von der Sozialistischen Partei eine neue „technokratische” Regierung eingesetzt. Nach den ersten 90 Tagen der Regierung herrscht die allgemeine Auffassung vor, dass die unter der Vorgängerregierung eingeleiteten Reformprozesse nicht im gleichen Tempo weitergeführt oder gar auf Eis gelegt werden. Die moldauische Regierung erklärt, eine „neue, ausgewogene Außenpolitik” zu verfolgen, ein Narrativ, dass der Präsident der Republik Moldau, Igor Dodon, fördert. Dieser Ansatz würde ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen der Republik Moldau und der Europäischen Union sowie mit Russland bedeuten. Tatsächlich könnten diese Beziehungen jedoch als eher unausgeglichen betrachtet werden, da sich die neue Regierung viel stärker auf Moskau als auf Brüssel ausgerichtet zu sein haben scheint. Die moldauische Regierung erklärt jedoch, dass sie die Umsetzung des Assoziierungsabkommens weiter vorantreiben wird. Nach Ansicht der Expert:innen aus Moldau folgen auf diese Erklärungen jedoch noch keine konkreten Maßnahmen. Im Rahmen der Reform des Justizsektors sei eine Rückverlagerung zu einem überwiegend internen Reformprozess zu beobachten. Dieser wird ohne die ursprünglich vorgesehene Unterstützung durch externe Expert:innen durchgeführt, welche die Leistung von Richter:innen und Staatsanwält:innen bewerten würden. Die mangelnde Transparenz des Prozesses der internen Evaluation birgt die Gefahr, dass politische Interessen diesen Prozess beeinflussen. Die Zusammenarbeit mit der Venedig-Kommission des Europarats sollte verbessert werden, einschließlich eines besseren Ex-ante-Konsultationsprozesses zu den Gesetzesinitiativen im Justizbereich. Eines der größten Probleme sei die zunehmende Machtkonzentration um den Präsidenten, eine Tatsache die im Widerspruch zu den Verfassungsbestimmungen steht, die dem Präsidenten repräsentative Funktionen zuschreibt. Da sich die moldauische Regierung hauptsächlich aus ehemaligen Berater:innen des Präsidenten zusammensetzt, scheinen sie geneigt zu sein den von ihm gesetzten Prioritäten zu folgen.

Was sind die wichtigsten wirtschaftlichen Herausforderungen für das Jahr 2020?

Was die wirtschaftlichen Herausforderungen betrifft, so befürchten die Redner:innen, dass sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Jahr 2020 verschlechtern werden. Die fiskalischen Aspekte, die sich 2019 als vorteilhaft erwiesen hatten, werden im Jahr 2020 nicht anhalten. Das geschätzte Haushaltsdefizit von 3,4% des BIP könne als vergleichsweise hoch angesehen werden. Die Exporte in die EU gingen zurück und der Migrationsdruck steige. Es bestehen Risiken im Zusammenhang mit den Bestrebungen, die Bedingungen des IWF-Abkommens neu zu verhandeln sowie in Bezug auf die geplante Ausgabe von Eurobonds. Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist durch die Ideen des Präsidenten und der Regierung bedroht, die Gewinne der Zentralbank zur Reduzierung der Schuldenlast aus dem “Milliarden-Dollar-Diebstahl” zu verwenden. Auch andere Mittel der Haushaltskonsolidierung, wie z.B. Privatisierungsprozesse, sind mit ernsthaften Risiken der politischen Ausbeutung vor den Präsidentschaftswahlen verbunden.

Die deutsche Sicht auf die Herausforderungen und Perspektiven für das Jahr 2020

Es wurde betont, dass die neue moldauische Regierung nicht an ihren Erklärungen, sondern an ihren Taten gemessen werden würde. Die Erwartungen innerhalb der Europäischen Union seien klar: Was die Fortsetzung der Reformprozesse betrifft, wird weiterhin das Prinzip “mehr für mehr” und “weniger für weniger” angewandt. Es werde erwartet, dass die moldauische Regierung im Bereich der Justizreform auch in Zukunft mit der Venedig-Kommission des Europarates zusammenarbeite. Insgesamt leiteten die folgenden drei “Cs” die deutsche und europäische Unterstützungspolitik gegenüber der Republik Moldau: 1. Conditionality, 2. Civil Society, 3. Communication.

In der abschließenden Diskussion wurde betont, dass es mittelfristig zu einer Formalisierung der derzeit noch informellen Koalition mit der Demokratischen Partei kommen könnte, die mit einer Umbildung der derzeitigen Regierung einhergehen würde. Ein weiterer wichtiger Prüfstein für die Republik Moldau werden die Präsidentschaftswahlen im November 2020 sein, für die derzeit Igor Dodon und Maia Sandu die populärsten möglichen Kandidaten sind.

Über das Berlin Policy Hub – Europeanisation beyond process Projekt: Das Berlin Policy Hub zielt als Teil der "Europeanisation beyond process"-Initiative, auf die Vernetzung von Forschungseinrichtungen und Entscheidungsträger:innen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten mit Think Tanks aus Ländern der Östlichen Partnerschaft ab.

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