Die über 85 Teilnehmenden des deutsch-skandinavischen Jugenddialogs waren sich einig: Die EU muss klimaneutral werden. Dass die EU derzeit genug für den Klima- und Umweltschutz tue, davon waren aber nur 6 Prozent der jungen Europäerinnen und Europäer überzeugt. Doch wie kann die EU das für 2050 anvisierte Ziel der Klimaneutralität erreichen? Wie sieht ein klimagerechtes, gesellschaftlich und sozial nachhaltiges Europa aus? Was können junge Menschen gegen die Klimakrise tun?
Diesen und vielen weiteren Fragen gingen Delara Burkhardt, Mitglied im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments und jüngste deutsche Europaabgeordnete, Monika Skadborg, Vorsitzende des Dänischen Jugendklimarates und Botschafterin des Europäischen Klimapaktes, und die jungen Teilnehmenden aus Deutschland und Skandinavien bei der englischsprachigen Veranstaltung gemeinsam nach. Burkhardt war sich sicher: „Ohne Fridays for Future hätte es den European Green Deal nicht gegeben.“ Ein Beweis dafür, dass das Engagement junger Menschen in der Klimakrise dringend gebraucht werde.
Allerdings hapere es bei der Umsetzung des European Green Deals: Ein kürzlicher Klima-Sondergipfel aller EU-Mitgliedstaaten in Brüssel blieb ohne Einigung. Skadborg war darüber verärgert: „Schlechte Klimapolitik ist für Steuerzahler*innen schon in 20 bis 30 Jahren viel teurer, als wenn man jetzt ausreichend Geld in die Hand nimmt, um Klimaziele einzuhalten.“ Zu viel Geld fließe nach wie vor in nicht-grüne Investitionen. Skadborgs Vorschlag lautete: „Wir brauchen ‘Klima Mainstreaming’ im Haushalt der EU, denn wenn wir eine grüne Wirtschaft wollen, aber kaum Investitionen tätigen und einen großen Teil des Geldes des Haushaltes nicht anfassen, dann funktioniert das nicht.“ Insbesondere staatliche Investitionen seien hier vonnöten, da viele Klimaschutzprojekte erst sehr langfristig betrachtet profitabel sein würden. Die EU müsse also gemeinsam mit der Privatwirtschaft Geld für die ‘Klimawende’ bereitstellen. Skadborg verglich die aktuelle EU-Klimapolitik zudem mit einem Weihnachtsbaum: Wünsche und Vorhaben würden zwar zahlreich geäußert, jedoch sei noch unklar, was letztlich unter dem Baum liege, also konkret umgesetzt werde.
Neben den Beratungen zum Erreichen der Klimaziele stehen momentan auch Verhandlungen zum Erhalt der Biodiversität still und auch in der Gemeinsamen Agrarpolitik bewegt sich wenig. Dass Verhandlungen häufig blockiert werden, liege vor allem am Einstimmigkeitsprinzip, das auch in Klimafragen gilt und insbesondere den Kohleausstieg erschwere. Trotz der entsprechend oft langwierigen Verhandlungen, waren sich Delara Burkhardt und Monika Skadborg einig, dass für eine effektive Klimapolitik die EU eigentlich über ausreichend Kompetenzen verfüge. Vielmehr scheitere es an der Umsetzung der EU-Richtlinien in den Mitgliedstaaten.
Darüber hinaus stand vor allem die Frage nach der sozialen Dimension der Klimapolitik im Fokus des Interesses der Teilnehmenden. So bedrohe die Klimakrise Menschen mit geringem Einkommen besonders stark. Frauen seien zudem nach wie vor stärker von Armut durch die Folgen der Klimakrise bedroht als Männer. Auch BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) verfügten aufgrund struktureller Benachteiligung über geringere finanzielle Ressourcen, um die Folgen der Klimakrise abzufangen. Deswegen betonten beide Rednerinnen im Austausch mit den Teilnehmenden, die Klimakrise müsse als systemische Krise behandelt werden, der man ganzheitlich und intersektional begegnen müsse: Klima und Feminismus, Klima und Rassismus, Klima und Gesundheit sowie Klima und Gerechtigkeit müssten folglich zusammen gedacht werden.
Die Teilnehmenden brachten sich bei dieser 1,5-stündigen Online-Veranstaltung auf verschiedenen Wegen sehr aktiv ein. Sie nahmen an Kurzumfragen teil, brachten sich schriftlich über den Chat oder das Beteiligungstool Slido ein oder schalteten sich direkt in das Gespräch ein. Moderiert wurde die Veranstaltung von Clara Föller, Bundesvorsitzende der Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland, die die Fragen und Positionen bündelte und strukturierte.
Der Bürgerdialog am 31. Mai 2021 wurde vom Auswärtigen Amt gefördert und von der überparteilichen Europa-Union Deutschland in Kooperation mit den Jungen Europäischen Föderalisten (JEF) Deutschland, der Europa-Union Schleswig-Holstein, dem Europe Direct Kiel und dem Schleswig-Holsteiner Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz im Rahmen der „Fehmarnbelt Days 2021“ durchgeführt. Die Veranstaltung ist Teil der Bürgerdialogreihe „Europa – Wir müssen reden!“. Dieser Bericht basiert zu großen Teilen auf dem Artikel „Die EU will klimaneutral werden – Und jetzt?“ vom 9. Juni 2021 unseres Medienpartners, dem Online-Jugendmagazin „treffpunkteuropa.de“.