Ausländische Direktinvestitionen sind ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Integration der Ukraine mit der Europäischen Union. Trotz des günstigen Standorts und der Reformen im Justiz- und Bankenbereich fließen sie allerdings nur zäh ins Land. Das dritte Deutschland-Frühstücksgespräch, das am 22. September 2020 als hybrides Format in Kyjiw und gleichzeitig online mit Gästen aus Deutschland stattfand, war der Frage gewidmet, wie das Investitionsklima in der Ukraine nachhaltig verbessert werden kann. Die Gäste der Veranstaltung waren Alexander Markus, Vorstandsvorsitzender der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer, und Robert Kirchner, stellvertretender Leiter der deutschen Beratergruppe bei Berlin Economics. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Alyona Getmanchuk, Direktorin des New Europe Center (NEC, Kyjiw) und Ljudmyla Melnyk (IEP, Berlin). Das Gespräch wurde von Sergiy Solodkyy, dem stellvertretendem Direktor des NEC moderiert.
Die Expert:innen betonten die Bedeutung eines funktionsfähigen Rechtsrahmens. Nur so könne fairer Wettbewerb und eine gewisse Planbarkeit gewährleistet werden. Damit deutsche Unternehmer:innen Risiken realistisch einschätzen, aber vor allem auch die Chancen einer Investition in der Ukraine erkennen können, sei es außerdem wichtig, Investor:innen, die bereits seit Jahren erfolgreich im Land agieren, zu Wort kommen zu lassen, damit sie ihre „Success Stories “ weitergeben.
Zusätzlich gingen die Redner:innen auf die aktuelle Situation unter COVID-19 ein. Trotz einer relativ guten Ausgangslage durch die Stärkung der Unabhängigkeit der Nationalbank und das ambitionierte Wachstumskonzept der Regierung, das entsprechend von ausländischen Investor:innen honoriert wurde, gebe es nach wie vor eine große Unsicherheit. Diese materialisierte sich 2020 durch massive personelle Veränderungen in der Regierung, die eine Unterbrechung des Reformprozesses und eine Verzögerung der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Folge hatten. Hatte die COVID-19-Pandemie zunächst die Annäherung beschleunigt, so ist die Lage aktuell wieder deutlich schwieriger. Dies liegt vor allem an dem Druck, der auf Anti-Korruptions-Institutionen ausgeübt wird, den Gehaltsbegrenzungen im öffentlichen Dienst und dem mangelhaften Haushaltsbudget für 2021. Ohne Zweifel hatte COVID-19 einen spürbar negativen Effekt auf die ukrainische Wirtschaft, dieser stehe jedoch vergleichbar mit internationalen Entwicklungen.
Aber es gibt auch positive Trends, vor allem durch die Dezentralisierungsreform und im Handelsbereich. So hat die Vertiefte und umfassende Freihandelszone (DCFTA) eine deutlich positive Wirkung auf ukrainische Exporte in die EU, die 2019 auf über 40% angestiegen sind. Insgesamt geht er von einer leichten Erholung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte aus. Wichtig sei nun, die Kooperationen mit internationalen Finanzorganisationen aufrechtzuerhalten und die durch COVID-19 entstandenen finanziellen Engpässe nicht mit kurzfristigen, populistischen Lösungen auffangen zu wollen. Denn eines ist für ausländische Investor:innen besonders wichtig: langfristige makroökonomische Stabilität.
In der anschließenden Fragerunde und Diskussion wurden ukrainische Zollbedingungen als zusätzliche Barriere angesprochen, ebenso wie der bislang mangelnde Schutz von geistigen Eigentumsrechten.
Das 3. Deutschland-Frühstücksgespräch fand im Rahmen des Projektes „German Ukrainian Researchers Network“ (GURN 1, 2019-2020) statt und wurde in enger Kooperation mit der ukrainischen Partnerorganisation New Europe Center (NEC) durchgeführt. Das Format wird seit März 2021 als Teil des Projektes GURN 2 fortgesetzt.