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Wie steht es um die deutsch-ukrainischen Beziehungen – 4. Deutschland-Frühstücksgespräch
29.10.2020

Gurn
Gurn

Deutschland ist einer der wichtigsten Handelspartner der Ukraine. Nukleus des Reformbedarfs ist jedoch nach wie vor die Korruption im Land. Das Investitionsklima muss nachhaltig verbessert werden, um die Kooperation auszubauen. Aber auch Deutschland kann von der Ukraine lernen.

Die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine hat sich seit der Revolution der Würde im Jahr 2014 und der anschließenden militärischen Aggression durch die Russische Föderation stetig intensiviert. Das spiegelt sich unter anderem in der Einrichtung neuer Institutionen, wie zum Beispiel dem Arbeitsstab Ukraine des Auswärtigen Amtes, oder der Ernennung des ehemaligen Ministerpräsidenten Sachsens, Georg Milbradt, als Sonderberater für die ukrainische Reformagenda wieder, der sich besonders für den Dezentralisierungsprozess engagiert. Trotz der Erfolge der letzten Jahre und durchaus positiver Signale beim jüngsten EU-Ukraine-Gipfel wäre es nicht richtig zu sagen, dass es nicht auch Grund zur Besorgnis gäbe. Wenn die ukrainische Regierung es nicht schafft, wirksame Maßnahmen gegen die immer noch weit verbreitete Korruption und für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit umzusetzen, wird der Einsatz der ukrainischen Regierung für den Reformprozess an Glaubwürdigkeit verlieren. Das jüngst verabschiedete Urteil des Verfassungsgerichts, das unter anderem die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung bei Beamt:innen verhindert, sei nicht nur ein falsches Signal nach außen, sondern auch die Umkehrung von sechs Jahren Arbeit im Kampf gegen die Korruption.

Die Gäste des 4. Deutschland-Frühstücksgesprächs am 29. Oktober 2020 diskutierten mit Halyna Yanchenko (Sluha Narodu), der Co-Vorsitzenden der Ukrainisch-Deutschen Parlamentariergruppe in der Werchowna Rada, und Omid Nouripour (Bündnis 10/DIE GRÜNEN), dem Vorsitzenden der Deutsch-Ukrainischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Perspektiven auf die aktuelle Entwicklung der deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit.

Dabei wurde sich besonders über die Teilnahme der deutschen Botschafterin in Kyjiw, Anka Feldhusen, gefreut, unter deren Schirmherrschaft die Deutschland-Frühstücksgespräche stehen. In ihrer Eröffnungsrede zu Beginn der Veranstaltung betonte sie die Wichtigkeit von Austauschformaten wie den Frühstücksgesprächen für die bilateralen Beziehungen. Nur einen Tag zuvor hatte das ukrainische Verfassungsgericht eine Reihe von Anti-Korruptionsgesetzen für ungültig erklärt – ein weiteres Zeichen dafür, dass der Austausch zwischen deutschen und ukrainischen Parlamentarier:innen über Online-Veranstaltungen wie diese zum gegenseitigen Erkenntnis- und Verständnisgewinn unbedingt fortgesetzt werden sollte.

Nach einem kurzen Überblick über die aktuelle Situation durch IEP-Direktorin Dr. Katrin Böttger und der Begrüßung durch Sergiy Solodkyy von der Partnerorganisation New Europe Center (NEC) wurde das Gespräch mit einem Einblick in die Prioritäten der parlamentarischen Zusammenarbeit eröffnet. Zentrales Thema bliebe hier die Aggression Russlands in der Ostukraine. Vonseiten Deutschlands sei nicht nur Solidarität und Engagement im Normandie-Format gefragt, sondern es müsse auch aktiv über die Krim gesprochen werden – Schweigen trage hier zu einer Normalisierung der Situation bei. Zum anderen könne Deutschland in Bezug auf die Verbreitung von Fake News und hybrider Kriegsführung sehr viel von den Erfahrungen der Ukraine lernen. Nicht nur in Bezug auf die eigenen Beziehungen zu Russland, sondern auch im Umgang mit Belarus.

Fragen aus dem Publikum betrafen vor allem die Sanktionen gegenüber Russland und inwiefern der Fall Nawalny einen Einfluss auf das Projekt Nord Stream 2 hätte. Je weiter fortgeschritten der Bau, desto unwahrscheinlicher werde ein Stopp der Pipeline, die sich zum echten Politikum entwickelt habe. Außerdem diskutiert wurden die historische Verantwortung und die damit einhergehende moralische sowie finanzielle Verpflichtung Deutschlands gegenüber der Ukraine und die Rolle der Deutsch-Ukrainischen Historikerkommission, der das ukrainische Außenministerium erst kürzlich seine Schirmherrschaft entzogen hat. Zum Ende der Debatte wurden nicht nur die Ergebnisse der ukrainischen Kommunalwahlen, sondern auch die Konsequenzen des Ausgangs der US-Wahl für die Ukraine diskutiert.

Das 4. Deutschland-Frühstücksgespräch fand im Rahmen des Projektes „German Ukrainian Researchers Network“ (GURN 1, 2019-2020) statt und wurde in enger Kooperation mit der ukrainischen Partnerorganisation New Europe Center (NEC) durchgeführt. Das Format wird seit März 2021 als Teil des Projektes GURN 2 fortgesetzt.

Über das GURN – German Ukrainian Researchers Network Projekt: Die Zusammenarbeit zwischen Think-Tanks und Politik soll gestärkt werden. Schwerpunkte von GURN sind Wissenstransfer, Capacity Building und bilateraler Dialog. Über aktuelle Entwicklungen und die deutsch-ukrainischen Beziehungen wird sich in vielfältigen Formaten ausgetauscht.

ISSN/ISBN:
Bild Copyright: Gurn, Pixabay