Europa steht vor der großen Aufgabe, sein gemeinsames Wertefundament und seine Handlungsfähigkeit gegen zunehmenden Druck von außen und innen zu schützen. Externe Akteure versuchen, beispielweise durch die Instrumentalisierung wirtschaftlicher Abhängigkeiten sowie gezielte Einflussnahme auf demokratische Prozesse und Institutionen Spaltungen innerhalb der EU zu vertiefen. Gleichzeitig gefährden innenpolitische Polarisierung und der Verlust eines gemeinsamen Verständnisses des europäischen Lebensmodells den inneren Zusammenhalt. Europa braucht daher ein gemeinsames Narrativ, das Freiheit, Sicherheit und Wohlstand als untrennbare Ziele verbindet.
Herausfordernd dafür ist, dass nationale Interessen und politische Stimmungen den europäischen Handlungsspielraum zur Bildung eines solchen Narratives maßgeblich prägen. Dabei zeigt sich eine enge Verflechtung von Außen- und Innenpolitik und je nach Politikbereich sowohl Konvergenzen als auch Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Zunehmend einig sind sich die Regierungen im Bewusstsein des sicherheitspolitischen Handlungsdrucks, während Uneinigkeit bei Migrations- und Rechtsstaatsfragen fortbesteht. Die wachsende Bereitschaft zur Übernahme rechtspopulistischer Narrative gefährdet die europäische Einheit.
Besonders dringlich erscheint der Aufbau einer handlungsfähigen, europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die EU muss verstärkt in Fähigkeiten, Strukturen und industrielle Zusammenarbeit investieren, um ihre strategische Autonomie zu stärken und innerhalb der NATO glaubwürdig zu bleiben. Umstritten bleibt dabei, welche institutionellen Reformen und welche Art von Flexibilität erforderlich sind, damit die EU in Krisen wirksamer handeln kann, und wie bestehende Vertragsinstrumente besser genutzt werden können, um Blockaden zu überwinden und Kooperation zu vertiefen. Dies betrifft auch die wirtschaftliche Stärke der EU, da geopolitische und geoökonomische Fragen untrennbar miteinander verbunden sind. Eine widerstandsfähige, innovative und wirtschaftlich starke EU ist die Voraussetzung für politische Souveränität und globales Gewicht.
Dies sind nur einige der Erkenntnisse aus der IEP-Jahrestagung 2025. Ein ausführlicher Konferenzbericht wird in der integration erscheinen. Die Tagung fand am 25. und 26. September in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Direktorium des IEP statt und wurde freundlicherweise vom Auswärtigen Amt und dem Citizens, Equality, Rights and Values Programm der EU unterstützt.
