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Die EU-Türkei Beziehungen nach der Tagung des Europäischen Rates: Kann eine positive Agenda funktionieren?
30.03.2021

Meriç Dağlı / Unsplash
Meriç Dağlı / Unsplash

Über die besorgniserregenden türkischen Menschenrechts‑, Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsstandards haben Expert:innen aus der Politik und Wissenschaft diskutiert. Das Fazit lautet: Die Verbesserung der EU-Türkei Beziehung wird aufgrund vielschichtiger Konflikte beschränkt.

Im Kontext der Beschlüsse des Europäischen Rates vom 25. und 26. März veranstaltete das Institut für Europäische Politik (IEP) zusammen mit der Hellenic Foundation for European & Foreign Policy (ELIAMEP) am 30. März 2021 ein virtuelles Diskussionsforum zum Thema “EU-Turkey Relations following the European Council: Can a positive Agenda work?”

Bei der positiven Agenda handelt es sich um ein vorläufiges Angebot der EU zur allmählichen Verbesserung der bilateralen Beziehungen. Dieses ist jedoch an klare Bedingungen gebunden und beinhaltet die Möglichkeit verschärfter Sanktionen. Im Zentrum der Veranstaltung stand daher die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen, die von der EU in Aussicht gestellte positive Agenda zu einer Verbesserung der EU-Türkei Beziehungen beitragen kann.

Diese Frage wurde von Senem Aydin Düzgit, Professorin für Internationale Beziehungen an der Sabancı University und Academic Affairs Koordinatorin des Istanbul Policy Centres, Panagiotis Ioakeimidis, Professor Emeritus für europäische Politik der Universität Athen, Dimitris Kairidis, Abgeordneter der Nea Dimokratia und Professor für Internationale Beziehungen an der Pantion-Universität, Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion sowie Wolfgang Wessels, Direktor des Zentrums für Türkei- und EU-Studien (CETEUS) der Universität zu Köln diskutiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Funda Tekin, IEP-Direktorin, sowie Ioannis N. Grigoriadis, Senior Research Fellow und Leiter des ELIAMEP Türkei-Programmes.

Bereits in den Eröffnungsbeiträgen wurde erkennbar, dass sich mit der Vielschichtigkeit der EU-Türkei Beziehungen die Frage nach der positiven Agenda komplex gestalten würde. So biete die positive Agenda die Möglichkeit für eine konstruktivere Gestaltung der Beziehungen auf mehreren Ebenen. Neben Visaliberalisierung und Konfliktbewältigung in beispielsweise Syrien seien hier vor allem die Modernisierung der Zollunion und eine vertiefte Kooperation in der Migrationspolitik durch die Bereitstellung von EU-Mitteln für Geflüchtete in der Türkei zu nennen. Die positive Agenda sende daher zusammen mit dem konstruktiveren Ansatz der türkischen Außenpolitik der letzten Monate wichtige neue und wichtige Impulse der Deeskalation und Kooperation.
Allerdings bestehe weiterhin Uneinigkeit über Veränderungen an der EU-Türkei Erklärung über Kooperation in der Migrationspolitik von 2016. Zudem verhindere die Weigerung der Türkei, die Zollunion auf die Republik Zypern auszuweiten, eine Modernisierung derselben.

Vor allem die Zypernfrage, nun eine der höchsten Prioritäten der europäischen Agenda, und die Situation im östlichen Mittelmeer belasten die EU-Türkei Beziehungen. Die EU sei „hilflos“ im Zypernkonflikt und eine Lösung sei aufgrund der Blockadehaltung beider Parteien unwahrscheinlich.

Bezüglich der Situation der türkischen Menschenrechts‑, Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsstandards sei es besorgniserregend, dass diese in den Beschlüssen des Europäischen Rates weder einen zentralen Stellenwert einnähmen noch als klare Konditionalität für eine Vertiefung der Beziehung festgeschrieben worden seien. Dies sei insbesondere problematisch im Kontext der zunehmend autoritären Politik des türkischen Präsidenten, welche ebenso die wirtschaftliche Notlage der Türkei verschärfe. Die EU müsse außenpolitisch einen wertebasierten Ansatz verfolgen, da die Verletzung ihrer Werte außerhalb der Union ebenso die Resilienz dieser innerhalb der Union beeinträchtige. Die EU müsse geeint gegenüber der Türkei auftreten, auch um dem konfrontativen Auftreten der Türkei im östlichen Mittelmeer zu entgegnen und den Einfluss der EU in der internationalen Sicherheitspolitik zu stärken.

Zusammenfassend seien die Möglichkeiten für eine substantielle und nachhaltige Verbesserung der EU-Türkei Beziehung durch die positive Agenda aufgrund vielschichtiger Konflikte beschränkt. Nichtsdestotrotz biete die positive Agenda einen konstruktiven wenn auch tentativen Vorschlag für eine schrittweise Annäherung. Zwar rücke die Beitrittsperspektive der Türkei weiter in die Ferne, jedoch sei deren enge Bindung an die EU von Interesse für beide Seiten. Eine vertiefte Beziehung zwischen der EU und der Türkei müsse jedoch wertebasiert sein, was eine Verbesserung der internen Situation der Türkei notwendig mache. Da sich dies schwierig gestalten dürfte, sei die genaue Ausgestaltung und Umsetzung der positiven Agenda weiterhin eine fundamentale Frage für die Zukunft der EU-Türkei Beziehungen.

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Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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Bild Copyright: Meriç Dağlı / Unsplash