Share twitter instagram facebook LinkedIn youtube

Um unsere Webseite zu verbessern, setzen wir google Analytics ein.

Mit Ihrer Zustimmung akzeptieren Sie unsere Datenschutzbestimmungen und die Datenschutzbestimmungen von google Analytics.

integration 4/21
16.12.2021

Inga Kjer / IEP
Inga Kjer / IEP

Digitalisierung, Klimakrise, europäische Integration – um die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts geht es in diesem Heft der „integration“.

Der zum Download zur Verfügung stehende Volltext liefert eine Bestandsaufnahme der Digitalisierungsstrategie der Europäischen Union (EU) und eine Übersicht über das Framing der EU in diesem Bereich. Weitere Beiträge befassen sich mit dem Klimapaket „Fit for 55“ der Europäischen Kommission, den Beziehungen zwischen EU und Indien, und den Lehren, die aus der Krisenpolitik nach 2008 für das aktuelle Pandemiemanagement gezogen werden können. Neue Ideen für Theorie und Praxis der europäischen Integration gibt die Diskussion des kosmopolitisch-demokratischen Narrativs der europäischen Integration, mit der der supranationale Charakter der EU legitimiert werden kann, sowie ein Plädoyer für einen (nicht zwei) Präsidenten an der EU-Spitze.

Individuelle und kollektive Selbstbestimmung jenseits des Nationalstaats: das kosmopolitisch-demokratische Narrativ der europäischen Integration

Manuel Müller

Für die Legitimation der Europäischen Union (EU) spielen Zweck-Narrative eine wichtige Rolle. Vor allem drei Zielzuschreibungen sind dabei besonders prominent: innerer Frieden, Wohlstand und Selbstbehauptung in der Welt. Alle drei können jedoch nur unzulänglich den supranationalen Charakter der europäischen Integration rechtfertigen. Eine stärkere Begründung bietet das kosmopolitisch-demokratische Narrativ, demzufolge das Ziel der EU die individuelle und kollektive Selbstbestimmung der Bürger:innen jenseits nationaler Grenzen ist. Das kosmopolitisch-demokratische Narrativ ist historisch jünger und war in der Öffentlichkeit meist weniger präsent als die anderen drei, entfaltete aber dennoch politische Wirkungsmacht. Wie die anderen Narrative ist es jedoch nicht unumstritten. Vor allem seit den 1990er Jahren stand es verschiedentlich im Fokus kontroverser Debatten.

Die Digitalisierungsstrategie der Europäischen Union – Meilensteine und Handlungsfelder zwischen digitaler Souveränität und grüner Transformation

Wulf Reiners

Der digitale Wandel wurde durch die Covid-19-Pandemie zusätzlich beschleunigt. Er erfasst heute nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Als Querschnittsthema und Instrument zur Lösung spezifischer Herausforderungen wird er auch immer umfassender Gegenstand von Initiativen auf EU-Ebene. Seit 2015 hat die Europäische Union (EU) ein umfangreiches Handlungsspektrum entwickelt, das vom Binnenmarkt bis zu außen- und sicherheitspolitischen Fragestellungen reicht. Der Beitrag zeichnet die dynamische Entwicklung anhand von Strategiedokumenten und politischen Leitlinien in drei Phasen mit einem Schwerpunkt auf die Jahre 2020 und 2021 nach. Er nimmt auf dieser Grundlage eine Bestandsaufnahme der übergreifenden Digitalisierungsstrategie vor, indem er prüft, was die EU unter Digitalisierung versteht, welche Ziele sie verfolgt und welche Rolle sie für sich selbst bei der Gestaltung des digitalen Wandels zeichnet. Im Ergebnis zeigt sich, dass die EU Digitalisierung in einer Vielzahl von politikfeldspezifischen Strategien zu greifen versucht und dabei vier Deutungsmuster bedient, teilweise parallel, die sich hinsichtlich geo-, umwelt-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischer ‚Frames‘ unterscheiden.

(Un)fit for 55! Ohne eine verschärfte Governance-Verordnung sind die Klimaziele 2030 nicht zu erreichen

Michèle Knodt, Rainer Müller, Sabine Schlacke und Marc Ringel

Das „Fit for 55“-Paket der Europäischen Kommission vom Juli 2021 sieht eine deutliche Anhebung der Ziele für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der EU vor. Die Kompetenzen der Europäischen Union (EU) sind jedoch im Energiebereich stark eingeschränkt und stehen unter Souveränitätsvorbehalt. Bereits 2018 hat die EU eine Governance-Verordnung verabschiedet, die eine Härtung der ansonst aufgrund des Vorbehalts nur weichen Steuerung in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorsieht. Sie soll sicherstellen, dass die Empfehlungen der Kommission zur Verbesserung der nationalen Energie- und Klimapläne von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Eine Analyse der Qualität der Umsetzung dieser Empfehlungen zeigt nun, dass dies in Bereichen mit härterer weicher Governance einen positiven Effekt hat, jedoch auch hier weiter ausgebaut werden muss. Eine Erhöhung der Ziele der regulativen Maßnahmen kann nicht ohne eine Überarbeitung der Governance-Verordnung und damit einhergehender Härtung der weichen Steuerung erfolgreich sein. Ansonsten ist die EU nicht fit für ihr 55 Prozent Ziel 2030.

Ein ökonomisches Happy End aus geostrategischen Gründen? Erfolgsaussichten für den Freihandel zwischen der Europäischen Union und Indien

Mariano Barbato

Die wiederaufgenommenen Gespräche zum Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Indien haben Aussicht auf Erfolg. Beide Partner, besonders aber Indien, müssen neue ökonomische Dynamiken erzielen, um sich der Herausforderung durch China stellen zu können. Dieser entscheidende Grund wird unterstützt durch den Brexit, die Pandemie und die Klimakrise, die ebenfalls eine exogene, geostrategische Dynamik entfachen, die dem erlahmten liberalen Paradigma des Freihandels neue Impulse geben. Zusammen genommen ergibt sich ein Bild, in dem exogene geostrategische Faktoren die endogenen ökonomischen Faktoren neu ausrichten und so die Erwartungen auf einen positiven Abschluss trotz anhaltender Schwäche liberaler Freihandelsvorstellungen befördern.

„One too much“: Europa braucht einen (nicht zwei) Präsidenten – ein Plädoyer für mehr Effizienz, geopolitische Glaubwürdigkeit und demokratische Legitimation an der Spitze der Europäischen Union

Martin Selmayr

Die Europäische Union (EU) wird gegenwärtig von zwei Präsidenten geleitet: der Präsidentin der Europäischen Kommission und dem Präsidenten des Europäischen Rates. Diese doppelte Präsidentschaft ist das Ergebnis eines Kompromisses zwischen den Anhängern der supranationalen und der intergouvernementalen Denkschule während des Europäischen Konvents 2002/2003. In der Praxis führt allerdings das Zusammenspiel der beiden Präsidenten und ihrer Zuständigkeiten, die durch die Vorschriften des Vertrags von Lissabon nicht immer klar voneinander abgegrenzt sind, gelegentlich zu Effizienzverlusten oder sogar zu Konflikten in der Außenvertretung der EU. Der frühere Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schlug deshalb am 13. September 2017 vor, die Funktionen der beiden Präsidenten dadurch zu verschmelzen, dass der Präsident der Kommission immer auch zum Präsidenten des Europäischen Rates gewählt wird. Der folgende Beitrag erklärt die Beweggründe des Juncker-Vorschlags, der das Potential hat, die EU für die Bürgerinnen und Bürger verständlicher sowie geopolitisch wirksamer zu machen und zugleich die künstliche Unterscheidung zwischen nationalen und europäischen Interessen in der Führung der Europäischen Union zu überwinden. Die aktuelle Debatte um die Zukunft der Europäischen Union scheint ein guter Moment zu sein, um auf den Juncker-Vorschlag zurückzukommen, zumal dieser ohne Vertragsänderung umgesetzt werden könnte.

Wie die EU den Weg aus der „Pandemie-Krise“ findet: Lehren aus der Krisenpolitik nach 2008

Hartmut Marhold

Die Europäische Union (EU) hat große Ressourcen in die Bewältigung der Pandemie-Krise investiert und sich dabei als lernendes System erwiesen: Gelernt hat sie aus der vorhergehenden, der Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise nach 2008, und das auf verschiedenen Feldern. Die EU hat, nach den Erfahrungen von 2008, nun definitiv die Rolle eines aktiven Players in der Wirtschaft angenommen und damit die neoliberale Doktrin hinter sich gelassen; sie hat die restriktive Haushaltspolitik außer Kraft gesetzt, die schon 2008 und in den folgenden Jahren die Bewältigung der damaligen Krise behindert hat; sie hat die Kontrolle über ihre Finanzhilfen so umgebaut, dass daraus nicht wieder derart bittere Konflikte zwischen Mitgliedstaaten erwachsen können („Troika“); sie hat die nach der Krise von 2008 entwickelten Mechanismen von Public-Private-Partnership weiterentwickelt (unter der Ägide der Europäischen Investitionsbank); die Europäische Zentralbank spielt jetzt eine Rolle, die ihr nach 2008 noch bestritten wurde; die Flexibilität des Lissabon-Vertrages, damals gerade erst in Kraft getreten, wird jetzt in vollem Umfang genutzt; und, vor allem, mit der Indienstnahme des NextGenerationEU-Programms hat sie sich einen Paradigmenwechsel hin zur nachhaltigen Entwicklung (European Green Deal) vorgenommen.

Team & Autor:innen

Über das integration Projekt: Die Vierteljahreszeitschrift "integration" ist ein theoriegeleitetes und politikbezogenes interdisziplinäres Forum zu Grundsatzfragen der europäischen Integration. Aktuelles aus der Europapolitik wird aus politischer und akademischer Perspektive diskutiert.

ISSN/ISBN: 0720-5120
Bild Copyright: Inga Kjer / IEP