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integration 4/20
08.12.2020

Inga Kjer / IEP
Inga Kjer / IEP

Das Heft behandelt die EU-Haushaltsverhandlungen, die äußere EU-Sanktionspolitik, gibt Ausblick auf die EU-Türkei-Beziehungen, untersucht die rechtliche Zukunft von Handels- und Assoziierungsabkommen und kontextualisiert die EU historisch als Krisenlöser.

Wie es unter außergewöhnlichen Bedingungen bei den Haushaltsverhandlungen zu einem ebenso außergewöhnlichen Kompromiss kam und worin Gemeinsamkeiten und Abweichungen von bekannten Verhandlungsmustern bestehen, erläutert Peter Becker. Niklas Helwig, Juha Jokela und Clara Portela analysieren in ihrem Beitrag die EU-Sanktionspolitik vor dem Hintergrund interner und internationaler Herausforderungen und identifizieren Reformpotenziale. Funda Tekin blickt auf die „Erklärung EU-Türkei“ aus dem Jahr 2015 und die Frage, ob seitdem ein institutioneller Blickwechsel von dem normbasierten Beitrittsprozess zu einem interessengeleiteten transaktionalen Charakter der Beziehungen stattgefunden hat. Welche Auswirkungen das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs zum Singapur-Abkommen auf die Ausgestaltung der verschiedenen Handels- und Assoziierungsabkommen der EU mit sich bringt, diskutiert Stefan Lorenzmeier aus juristischer und politischer Sicht. In seinem Forumsbeitrag setzt Hartmut Kaelble die Folgen durch und den Umgang mit der aktuellen Corona-Krise ins Verhältnis zu vergangenen Krisensituationen und beschreibt ihre historische Neuartigkeit.

Die Verhandlungen über den Haushalt der Europäischen Union – zwischen Kontinuität und Pandemie-Zäsur

Peter Becker

Die komplexen Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union waren bislang von Kontinuität und Pfadabhängigkeiten charakterisiert. Nun hat die COVID-19-Pandemie die Rahmenbedingungen, die Verhandlungsthemen und auch das eingespielte Verfahren der MFR-Verhandlungen verändert. Zugleich eröffnete die zeitliche Koinzidenz von Haushaltsverhandlungen und Corona-Krise die Möglichkeit grundsätzlicher Veränderungen und Reformen. Der Artikel stellt zunächst die Einigung des Europäischen Rates vom 21. Juli 2020 auf einen neuen MFR 2021–2027 in Höhe von rund 1 Billion Euro und auf den zusätzlichen befristeten Konjunkturhaushalt „Next Generation EU“ (NGEU) in Höhe von 750 Milliarden Euro vor. Er zeichnet den Verhandlungsprozess nach und analysiert schließlich die integrationspolitischen Folgen. Insbesondere die Veränderungen am Eigenmittelsystem zur Finanzierung des MFR und die Einigung auf den zusätzlichen Konjunkturhaushalt NGEU können langfristig zu einem grundlegenden Wandel des europäischen Haushaltssystems führen.

Volltext

EU-Sanktionspolitik in geopolitischen Zeiten: Europas schärfstes Außeninstrument und seine Herausforderungen

Niklas Helwig, Juha Jokela und Clara Portela

Sanktionen sind eine der härtesten Zwangsmaßnahmen, die der Europäischen Union (EU) zur Verfügung stehen. Sie werden zunehmend eingesetzt, um auf Verstöße gegen internationale Normen und negative Sicherheitsentwicklungen in der Nachbarschaft und darüber hinaus zu reagieren. Die EU-Sanktionspolitik sieht sich jedoch einer Reihe von Herausforderungen gegenüber, die mit der Effizienz der Entscheidungsfindung, Mängeln bei der kohärenten Umsetzung restriktiver Maßnahmen sowie den Anpassungen der Beziehungen zum Vereinigten Königreich nach dem Brexit zusammenhängen. Dieser Artikel analysiert diese zentralen Herausforderungen für die EU-Sanktionspolitik. Vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden globalen Wettbewerbs zeigt er die Notwendigkeit auf, dieses Politikinstrument wetterfest zu machen. Die aktuelle Debatte über die Zukunft der EU bietet die Gelegenheit, die strategische Logik von EU-Sanktionen zu klären und den Sanktionsmechanismus zu verfeinern.

Fünf Jahre EU-Türkei-Erklärung und die Frage nach dem institutionellen Blickwechsel in den bilateralen Beziehungen

Funda Tekin

Fünf Jahre nach der „Erklärung EU-Türkei“ ist es Zeit für eine Bilanz. Diese Vereinbarung vom 29. November 2015 definierte einen umfassenden Fahrplan für die Vertiefung der EU-Türkei-Beziehungen. Dabei wurde ein institutioneller Blickwechsel von dem normbasierten Beitrittsprozess zu einem interessengeleiteten transaktionalen Charakter der Beziehungen attestiert. Dieser Beitrag analysiert, ob ein solcher Blickwechsel tatsächlich festzustellen ist. Hierfür wird zunächst der Frage nachgegangen, welche verschiedenen Ziele und somit auch inhärente Pfadabhängigkeiten die Erklärung verfolgt. Hierfür ist die konzeptionelle Einordnung der Türkei als Beitrittskandidat, als wichtiger Partner und als strategischer Partner hilfreich. In einem weiteren Schritt wird erörtert, inwiefern sich die Gegebenheiten in diesen drei Bereichen nach der Erklärung geändert haben und wie sich dies auf die Umsetzung der Ziele und Pfadabhängigkeiten auswirkt. Abschließend nimmt der Beitrag eine kritische Bewertung vor und zieht Lehren für die zukünftige Gestaltung der EU-Türkei-Beziehungen.

Die Zukunft umfassender und gemischter Abkommen der EU nach dem Singapur-Gutachten

Stefan Lorenzmeier

Gegenstand des Beitrags ist die rechtliche und politische Möglichkeit des Abschlusses umfassender und gemischter Handels- und Assoziierungsabkommen der Europäischen Union (EU) nach dem grundlegenden, die Kompetenzverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten im Bereich der Handelsabkommen festlegenden Gutachten 2/15 des Europäischen Gerichtshofs vom 16. Mai 2017. Dem Gutachten nachfolgend werden die Handelsabkommen der EU aufgeteilt, während dies für Assoziierungsabkommen nicht vorgesehen ist. Argumentiert wird, dass das Gutachten dem Abschluss fakultativer, rechtlich nicht unbedingt erforderlicher, aber politisch wünschenswerter gemischter Abkommen nicht entgegensteht, sodass die EU rechtlich auch zukünftig umfassende und gemischte Abkommen schließen kann, wenn dies politisch gewünscht ist. Dabei wird ebenfalls dargelegt, dass das Rechtsinstitut der gemischten Abkommen für größere Akzeptanz unionaler Abkommen in den Mitgliedstaaten sorgen kann.

Mehr als ein neues Krankheitsbild: Warum die Corona-Krise für die Europäische Union historisch neuartig ist

Hartmut Kaelble

Die COVID-19-Pandemie stellt die Europäische Union (EU) historisch vor neue Probleme. Sie ist keine Wiederholung früherer Krisen der europäischen Integration. Die Erwartungen, aber auch das Vertrauen der Bürger sind höher. Die Divergenzen zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind eher größer, die soziale Ungleichheit komplexer und der Druck von außen feindseliger. Gleichzeitig hat die EU im vergangenen Jahrzehnt mehr Erfahrungen mit Krisen gesammelt als früher, reagiert auf die jetzige Krise rascher sowie auch supranationaler und erscheint bisher – anders als in früheren Krisen – global nicht als „kranker Mann“, sondern als Krisenlöser.

Team & Autor:innen

Über das integration Projekt: Die Vierteljahreszeitschrift "integration" ist ein theoriegeleitetes und politikbezogenes interdisziplinäres Forum zu Grundsatzfragen der europäischen Integration. Aktuelles aus der Europapolitik wird aus politischer und akademischer Perspektive diskutiert.

ISSN/ISBN: 0720–5120
Bild Copyright: Inga Kjer / IEP