In der aktuellen Ausgabe der integration diskutiert Funda Tekin mögliche Szenarien für die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien. Nach ihrer Auffassung bedeutet der Brexit kein Ende der europäischen Integration, sondern differenzierte Integration wird hierdurch als ein Strukturmerkmal der EU verfestigt. Iain Begg untersucht die Ursachen des negativen Votums der Briten im Referendum zur EU-Mitgliedschaft und diskutiert dessen mögliche wirtschaftliche Folgen sowohl für die EU als auch für Großbritannien. Lisa H. Anders, Annegret Eppler und Thomas Tuntschew nehmen aktuelle Herausforderungen der europäischen Einigung und die damit einhergehende Frage, ob die Integrationsforschung ihr Untersuchungsobjekt noch angemessen erfassen kann, als Anlass, verschiedene Aspekte einer Konzeptionalisierung europäischer Integration und Desintegration aufzuarbeiten. Roland Sturm gibt einen Überblick über die Veränderungen der politischen Institutionen, Parteien, Verbände und Politiken in Deutschland im Zuge der Einbindung des Landes in die EU. In einer Sammelrezension bespricht Andreas Wimmel Werke zur Rolle nationaler Parlamente im Mehrebenensystem der EU. Für den Arbeitskreis Europäische Integration wird von Konferenzen über EU-Handelspolitik und internationale Finanzausgleichssysteme berichtet.
Was folgt aus dem Brexit? Mögliche Szenarien differenzierter (Des-)Integration
Funda Tekin
Im Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft haben die Bürgerinnen und Bürger des Landes mit 51,9 Prozent denkbar knapp für einen EU-Austritt votiert. Bereits kurz nach der Entscheidung zeigte sich, dass das Brexit-Lager keinen Plan für den EU-Austritt vorbereitet hatte. Vor diesem Hintergrund gibt der Beitrag einen kurzen Überblick über die britische EU-Mitgliedschaft, bevor drei mögliche Szenarien eines Brexit diskutiert werden. Im ersten unwahrscheinlichsten Szenario verlässt das Vereinigte Königreich die EU vollständig, ohne eine Form der besonderen Beziehungen für die Zukunft auszuhandeln. Im zweiten Szenario tritt das Land aus, verhandelt aber eine neue Form der assoziierten Mitgliedschaft, die zu einer Form der differenzierten Integration außerhalb der Union führt. Im dritten Szenario tritt Großbritannien nicht aus, sondern verhandelt weitere Zugeständnisse. Dies wäre der erste Fall von differenzierter Desintegration. Der Beitrag schlussfolgert, dass die Debatte über differenzierte Integration an Fahrt gewinnen wird. Die entscheidende Frage bleibt dabei, ob es sich um differenzierte Integration oder Desintegration handelt.
Europäische Integration: zweidirektional und mehrdimensional
Lisa H. Anders, Annegret Eppler und Thomas Tuntschew
Aktuelle Entwicklungen werfen die Frage auf, ob das konzeptionelle Repertoire der Integrationsforschung ihr Untersuchungsobjekt noch hinlänglich zu erfassen vermag. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag, was europäische Integration ausmacht und wie sie empirisch erfasst werden kann; damit bietet er Aspekte einer Konzeptionalisierung europäischer Integration und Desintegration an. Unter Rückgriff auf frühe Arbeiten zur europäischen Integration wird, erstens, ein zweidirektionales Verständnis europäischer Integration vorgeschlagen. Hierzu werden Integration und Desintegration als gegenläufige Prozesse gefasst, deren Ergebnisse mit denselben Indikatoren messbar sind. Zweitens wird unter Einbeziehung einer politischen, einer ökonomischen und einer sozialen Dimension ein dreidimensionales Konzept europäischer Integration diskutiert.
Die Europäisierung des deutschen Regierungssystems
Roland Sturm
Der Souveränitätstransfer zur europäischen Ebene beinhaltet auch die Verpflichtung, in der nationalen Politik europäischen Vorgaben zu folgen. Die Vertiefung der europäischen Integration ist dabei nicht auf Vertragsreformen beschränkt, sondern sie ist ein fortwirkender Prozess, der durch das Handeln der EU-Organe vorangetrieben wird. Dies hat zur Konsequenz, dass sich das deutsche Regierungssystem und die deutsche Gesellschaft – wie jene anderer Mitgliedstaaten – durch die Einbindung des Landes in die Europäische Union verändert haben. Der hierfür in der Wissenschaft gefundene Begriff ist ‚Europäisierung‘. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Europäisierung der deutschen politischen Institutionen, Parteien, Verbände und Politiken. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Europäisierung des deutschen Regierungssystems dieses grundlegend verändert hat – am stärksten in den Politikfeldern.
Brexit: warum, was nun und wie?
Iain Begg
Jetzt, da das Unerwartete geschehen ist, wird der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union wahrscheinlich Realität, obwohl die Hälfte der britischen Wählerschaft ihn ablehnt. Einige Beobachter bezweifeln zwar, dass er überhaupt vollzogen wird, aber zumindest für die Regierung von Theresa May scheint keine Kehrtwende möglich zu sein. Trotzdem bleiben viele Faktoren hinsichtlich des Austrittsprozesses und des Zeitplans sowie ein wahrscheinliches Verhandlungsergebnis und dessen Folgen für die Zukunft der europäischen Integration unvorhersehbar. Dieser Beitrag analysiert die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit, beleuchtet die Ursachen des negativen Votums und untersucht dessen mögliche Konsequenzen für die Zukunft Großbritanniens und der Europäischen Union.
Literatur
Andreas Wimmel
Nationale Parlamente als Akteure im Mehrebenensystem der EU: aktuelle Ergebnisse der vergleichenden Forschung
ARBEITSKREIS EUROPÄISCHE INTEGRATION
Anne Harrer
Die Europäische Union als internationaler Handelspartner im Spannungsverhältnis zwischen Regionalismus und Multilateralismus
Maximilian Todtenhaupt
Die Auswirkung von internationalen Finanzausgleichssystemen auf Politik und Wirtschaft
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