In dieser Ausgabe der integration beschreibt Florian Trauner die Versuche der Europäischen Kommission, ein neues System für die Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchzusetzen, um mehr Solidarität zwischen den EU-Staaten zu erreichen. Burkard Steppacher analysiert die derzeit schwierigen und komplexen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union unter besonderer Berücksichtigung aktueller Trends der schweizerischen Europa- und Innenpolitik. Ingo Take argumentiert für eine besondere Rolle von Europarteien, um der Depolitisierung der öffentlichen Debatte und Resignation vieler Bürger gegenüber der EU-Politik entgegenzuwirken. Waldemar Hummer bewertet die Großbritannien zugestandenen Ausnahmeregelungen von der Anwendung des EU-Rechts zur Abwehr eines Brexit als Abkehr von der Jean-Monnet-Methode, die auch für andere EU-Länder attraktiv sein könnten. In einer Sammelrezension bespricht Annette Knaut Werke zu Konstellationen von Raum, Zeit und Ideen des Politischen in Europa. Für den Arbeitskreis Europäische Integration wird von Konferenzen zu Themen wie Städte und EU-Energiepolitik im 21. Jahrhundert, wirtschaftliche und politische Beziehungen zwischen der EU und China sowie Herausforderungen für Europa und Ostasien in der Weltwirtschaft berichtet.
Wie sollen Flüchtlinge in Europa verteilt werden? Der Streit um einen Paradigmenwechsel in der EU-Asylpolitik
Florian Trauner
Dieser Artikel bettet die Ansätze der EU, ihre Asylpolitik im Kontext der Flüchtlingskrise zu reformieren, in einen längeren Untersuchungszeitraum ein. Im Zentrum steht die Frage, wie die Europäische Union versucht hat, mehr Solidarität zwischen EU-Staaten mit hohen Asylantragszahlen und solchen mit niedrigen Zahlen zu erreichen. Es wird argumentiert, dass es der Europäischen Union trotz des über Jahre gestiegenen Problemdrucks nicht gelang, einen Paradigmenwechsel in dieser Frage zu vollziehen. Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 konnte innerhalb der bestehenden Systemlogik nicht bewältigt werden. Die Europäische Kommission versucht daher nun, ein neues System für die Verteilung von Flüchtlingen in Europa durchzusetzen.
Schweizerische Europapolitik am Scheideweg
Burkard Steppacher
Seit Jahren kommen die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union nicht substanziell voran. Der bisher beschrittene bilaterale Weg ist ins Stocken geraten. Die Schweiz wünscht weitere bilaterale Verhandlungen, gegebenenfalls gebündelt in einem neuen Paket von Abkommen („Bilaterale III“), die EU-Seite verweist hingegen auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen institutionellen Rahmens, um die Homogenität der Beziehungen zu gewährleisten. Die Vielzahl der einzelnen Abkommen macht das bilaterale System derzeit enorm komplex und schwierig zu handhaben. Erschwert werden die Beziehungen zudem durch das Ja der Schweizer Stimmbürger vom Februar 2014 zur Initiative „Gegen Masseneinwanderung“, die mit den bilateralen Vereinbarungen zur Personenfreizügigkeit nicht vereinbar ist.
Durch politischen Wettbewerb zu mehr Akzeptanz? Die potenzielle Rolle von Europarteien in der Perspektive der agonistischen Theorie
Ingo Take
In diesem Beitrag wird argumentiert, dass die mangelnde Identifikation der Bürgerinnen Europas mit der Europäischen Union weniger deren institutioneller Verfasstheit als vielmehr einem Mangel an demokratischer Praxis geschuldet ist. Diese ist laut Chantal Mouffe gekennzeichnet durch den Streit um alternative Problemlösungsangebote und Gemeinwohldefinitionen, der durch das lange vorherrschende neoliberale Paradigma bisher weitgehend verhindert wurde. Die Rede von der Alternativlosigkeit neoliberaler Konzepte trotz offensichtlicher und sich mehrender Krisenerscheinungen hat zu einer Depolitisierung der öffentlichen Debatte und einer Resignation vieler Bürger gegenüber der Politik der Europäischen Union geführt. Hier wird die These vertreten, dass ein über Europarteien ausgetragener Wettbewerb um alternative politische Konzepte vermutlich besser geeignet ist, das Interesse der Bürgerinnen für europäische Themen zu erhöhen, sie zu mehr Teilhabe zu motivieren und damit eine verstärkte Identifikation mit der Europäischen Union zu schaffen, als die bisher unternommenen Eingriffe in die institutionelle Struktur der Europäischen Union. Statt also alle reformerischen Bemühungen auf die Demokratisierung europäischer Institutionen zu fokussieren, sollten die Energien auf die rechtliche, organisatorische und materielle Stärkung und die interne Profilierung der Europarteien konzentriert werden.
Konsequenzen der Zusagen an das Vereinigte Königreich zur Abwehr eines Brexit
Waldemar Hummer
Am 23. Juni 2016 stimmen die Briten über den Verbleib ihres Landes in der Europäischen Union ab. Um eine Mehrheit für die EU-Mitgliedschaft zu gewinnen, hat der britische Premierminister David Cameron zusätzlich zu den bereits bestehenden weitere Ausnahmebestimmungen von der Anwendung des EU-Rechts für Großbritannien ausgehandelt. Am Beispiel des von vielen Kommentatoren als rein symbolisches Zugeständnis abgetanen neuen Opt-out von der Bestimmung, „eine immer engere Union der Völker Europas“ anzustreben, zeigt der Beitrag, dass sich hinter dieser Ausnahmeregelung eine fundamentale Abkehr von der Jean-Monnet-Methode verbirgt. Sollten die neuen Ausnahmen für Großbritannien bei anderen „unzufriedenen“ EU-Mitgliedstaaten Schule machen, sieht der Beitrag die Gefahr, dass sich die europäische Integration nicht nur mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, sondern auch in verschiedene Richtungen entwickelt.
Literatur
Annette Knaut
Auf der Suche nach Europa: neue Publikationen zu Konstellationen von Raum, Zeit und Ideen des Politischen
ARBEITSKREIS EUROPÄISCHE INTEGRATION
Jörg Kemmerzell und Anne Tews
Energiesicherheit, Nachhaltigkeit und Wettbewerb – Städte als Mitgestalter der europäischen Energiepolitik
Thomas Osowski und Dominik Kronen
Die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und China
Ansgar Belke und Gunther Schnabl
Europa und Ostasien stehen vor großen Herausforderungen in der Weltwirtschaft
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ISSN 0720-5120
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