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integration 2/21
29.07.2021

Inga Kjer / IEP
Inga Kjer / IEP

Brexit als „wicked problem“, die Konferenz zur Zukunft Europas, aktuelle Entwicklungen in der EU-Sozialpolitik, deutsche Europapolitik seit Maastricht sind Themen in dieser Ausgabe.

In weiten Teilen Europas normalisiert sich das gesellschaftliche Leben angesichts niedriger COVID-19-Fallzahlen bei steigenden Impfquoten. Doch die sogenannte Delta-Variante hält die Politik in Atem, die Corona-Krise bleibt eine einschneidende Erfahrung. Inwiefern die Pandemie und ihre Bekämpfung auch die deutsche Europapolitik verändert hat, ist eine der Fragen dieser Ausgabe. Weitere Beiträge befassen sich mit aktuellen Entwicklungen in der EU-Sozialpolitik, dem Brexit als „wicked problem“, der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, der Gestaltung der Konferenz zur Zukunft Europas sowie der europäischen Chinapolitik.

Christian Freudlsperger und Markus Jachtenfuchs betrachten deutsche Präferenzen in der Integration staatlicher Kerngewalten seit dem Vertrag von Maastricht und konstatieren der deutschen Europapolitik auch in der Corona-Krise große Kontinuität. Claire Demesmay und Stefan Seidendorf geben einen Einblick in die neu geschaffene Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung und diskutieren das Potenzial zwischenparlamentarischer Kooperation zur Stärkung der nationalen Parlamente in der EU-Politik. Ob und in welchen Bereichen die EU-Sozialpolitik durch Mehrheitsentscheidungen und differenzierte Integration effizienter werden könnte, erörtert Miriam Hartlapp. Martin Große Hüttmann analysiert den Brexit-Prozess als „wicked problem“, der die Integrationsforschung mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt. Welche Lehren aus dem Konvent zur Zukunft Europas 2002/2003 für die Gestaltung der kürzlich gestarteten Konferenz zur Zukunft Europas gezogen werden können, schildert Joachim Wuermeling. Henrik von Homeyer und Lukas Kolloge skizzieren das Ringen Europas um eine gemeinsame Chinapolitik zwischen einer eigenständigen und einer transatlantisch abgestimmten Strategie. Lisa Marie Kraul berichtet von der Jahrestagung des Arbeitskreises Europäische Integration zum Nutzen des Binnenmarktes für die EU-Bürger:innen.

Wendepunkt Corona-Krise? Deutsche Präferenzen zur europäischen Integration staatlicher Kerngewalten seit Maastricht

Christian Freudlsperger und Markus Jachtenfuchs

War die Corona-Krise ein Wendepunkt in der deutschen Europapolitik? Mit Blick auf die langfristige Entwicklung deutscher Präferenzen zur europäischen Integration staatlicher Kerngewalten konstatieren wir auffallende Kontinuitäten. Deutsche Bundesregierungen bemühen sich seit jeher, ihre durch Integration entstehenden Kosten zu minimieren und ihre Kontrollmöglichkeiten zu maximieren. Kapazitätsbildung auf der europäischen Ebene unterstützen sie vorrangig als letzten Ausweg in existenziellen Systemkrisen. Der temporäre und unter intergouvernementaler Kontrolle stehende Corona-Wiederaufbaufonds ist mit dieser langfristigen Präferenzordnung kongruent und vermag überdies die strukturellen Probleme des Euroraums kaum zu lindern.

Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung – ein Schritt zur Europäisierung der Parlamente?

Claire Demesmay und Stefan Seidendorf

Die parlamentarische Kooperation war lange ein Stiefkind der deutsch-französischen Zusammenarbeit, doch mit der Gründung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung (DFPV) im Jahr 2019 wurde diese Lücke geschlossen: Zum ersten Mal wird die bisherige Kooperation beider Exekutiven Gegenstand einer strukturierten Begleitung durch ein eigenes parlamentarisches Gremium. Der Beitrag untersucht, inwieweit die DFPV einen Beitrag leisten kann, die Rolle der nationalen Parlamente in der EU zu stärken. Dazu wird die Parlamentarische Versammlung zunächst in ihrem Entstehungskontext situiert, bevor ihre seit Beginn der gemeinsamen Arbeit 2019 entwickelte Arbeitspraxis beleuchtet wird. Zum Schluss werden die verschiedenen Elemente im Hinblick auf den Mehrwert der DFPV für die parlamentarische Zusammenarbeit in der EU bewertet.

Aktuelle Entwicklungen in der EU-Sozialpolitik: effizientere Entscheidungsfindung durch Mehrheitsentscheidungen und differenzierte Integration?

Miriam Hartlapp

Die Gestaltung gemeinschaftlicher Sozialpolitik ist voraussetzungsvoll. Begrenzte Kompetenzen, die institutionelle und organisatorische Heterogenität der Mitgliedstaaten und ideologisch-programmatische Mehrheiten in den Institutionen der Europäischen Union (EU) führten in den vergangenen Dekaden zu deutlich weniger neuen Rechtsinstrumenten. Eine der zentralen Herausforderungen ist Einstimmigkeit im Rat, dort wo große mitgliedstaatlicher Souveränität besteht. Nun hat die Kommission eine Mitteilung vorgelegt, die in diesen Bereichen einen Übergang zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen ermöglichen soll. Der vorliegende Beitrag diskutiert, was der Übergang als rechtlicher und prozeduraler Mechanismus erlaubt und benennt drei Stärken des Instruments. Er bietet einen Überblick über die Politikbereiche und Instrumente, die die Kommission in die qualifizierten Mehrheitsentscheidungen überführen möchte und skizziert, wie das Potenzial von Mehrheitsentscheidungen für die EU-Sozialpolitik inhaltlich noch besser ausgeschöpft werden könnte. Abschließend diskutiert er differenzierte Integration als Alternative, um die Entscheidungsfindung in der EU effizienter zu gestalten.

Der Brexit-Prozess: ein „wicked problem“ für die Europäische Union und die Integrationsforschung

Martin Große Hüttmann

Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Brexit und den Herausforderungen und Problemen, die er für die Wissenschaft und praktische Politik verursacht hat. Er analysiert den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union mithilfe des „wicked problem“-Konzeptes und beschreibt den Brexit-Prozess als parallel laufende, aber eng miteinander verflochtene Verhandlungen im EU-Mehrebenensystem („multi-level games“). Durch die Verknüpfung der beiden Konzepte sollen die Komplexität der Verhandlungen und die Unvorhersehbarkeit, die den Brexit-Prozess von Anfang an begleitet haben, angemessen erfasst werden.

Auf ein Neues? Erfolgsfaktoren für die Konferenz zur Zukunft Europas

Joachim Wuermeling

Im vorliegenden Artikel stellt der Autor die Erfahrungen aus dem Konvent zur Zukunft Europas 2002-2003 dem Mandat für die am 9. Mai 2021 beginnende Konferenz zur Zukunft Europas gegenüber. Er kritisiert, der Konferenz würden wesentliche Strukturelemente vorenthalten, die Erfolgsfaktoren für den Konvent waren: ein klarer Auftrag, eine straffe Führung und das Selbstorganisationsrecht. Dennoch habe die Konferenz noch alle Chancen, der Europäischen Union einen zukunftsweisenden Reformimpuls zu geben. Der Autor formuliert daraus fünf Empfehlungen für die Gestaltung der Konferenz. Insbesondere müsse diese ergebnisorientiert vom Ende her gedacht werden, indem ein zu fertigendes Produkt definiert wird, und die Arbeiten auf dessen Herstellung ausgerichtet werden. Wenn die Konferenz allein als Resonanzraum für diffuse Bürgeranliegen diene, werde ihr eigentliches Potenzial nicht ausgeschöpft.

Zwischen China und USA – das europäische Ringen um eine Chinapolitik

Henrik von Homeyer und Lukas Kolloge

Donald Trumps Präsidentschaft hat die transatlantische Partnerschaft und das Vertrauen der EuropäerInnen in diese grundlegend infrage gestellt. Diese Sorgen haben innerhalb der EU eine Debatte über Europas Rolle in der Welt und seine Rolle im Großmachtkonflikt zwischen den USA und China ausgelöst. Die Debatte lässt sich in zwei unterschiedliche Positionen unterteilen: Das erste Lager fordert eine eigenständige Chinapolitik und ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen der EU und den USA und China. Das zweite Lager bevorzugt eine enge transatlantische Partnerschaft, um China gemeinsam zu konfrontieren. Dieser Artikel argumentiert, dass die EU eine gemeinsame transatlantische Chinapolitik mit der Biden-Administration verfolgen sollte, da China eine grundsätzliche Herausforderung für die Interessen und Werte der EU darstellt.

Über das integration Projekt: Die Vierteljahreszeitschrift "integration" ist ein theoriegeleitetes und politikbezogenes interdisziplinäres Forum zu Grundsatzfragen der europäischen Integration. Aktuelles aus der Europapolitik wird aus politischer und akademischer Perspektive diskutiert.

ISSN/ISBN: 0720-5120
Bild Copyright: Inga Kjer / IEP