Die Studienreise nach Kiew von 26. November bis 1. Dezember 2017 war eine akademische Veranstaltung, die wir im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) organisiert haben. Abgeschlossen wurde die einwöchige Reise mit der Teilnahme an der diesjährigen Think Tank-Konferenz in Kiew.
Ziel der Studienreise war es, die deutschen TeilnehmerInnen, die vornehmlich an Forschungsstellen von Universitäten oder Instituten beschäftigt sind, mit VertreterInnen ukrainischer Denkfabriken mit der Absicht zusammenzuführen, den Teilnehmenden einen Einblick in die Arbeit ukrainischer Think Tanks zu ermöglichen und Kooperationsmöglichkeiten zu identifizieren. Dazu wurde ein inhaltlich breites Spektrum abgedeckt, das sich aus Feldern der Innen- und Außenpolitik, sowie Energie, Bildung und Migrationsfragen zusammensetzte. Der Großteil der thematischen Schwerpunkte beschäftigte sich mit Themen, die zum Verständnis der aktuellen Lage der Ukraine und der gesamtgesellschaftlichen Reformprozesse von großer Bedeutung sind.
Die wichtigsten Themen, die nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Ukraine auf große Aufmerksamkeit stießen, sind die Annexion der Krim und der Konflikt im Donbass. Zur Lage der Krim sprach Mustafa Dschemiljew, ehemaliger Vorsitzender der Nationalversammlung der Krimtataren, mit den TeilnehmerInnen über die Situation der Tataren nach der Annexion der Krim 2014. Zusätzliche Einblicke ins Thema gab Vyacheslav Likhachev, Koordinator bei der ukrainischen NGO Vostok SOS und Forscher bei der National Minority Rights Monitoring Group, dessen Organisation Menschenrechtsverletzungen auf der Krim und im Osten der Ukraine dokumentiert.
Zum militärischen Konflikt im Donbass und der akademischen Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Konfliktlösung diskutierten die TeilnehmerInnen mit Iryna Bekeshkina der Organisation Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation und Oleksij Haran, Professor der Politikwissenschaft an der Hochschule Kiev Mohyla Akademie.
Weitere Themenschwerpunkte deckten die Felder ab, die derzeit im Fokus der aktiven Reformbemühungen der Ukraine liegen. Svitlana Kononchuk vom Think Tank Ukrainian Center for Independent Political Research teilte ihre Einschätzung über die 2019 stattfindende Parlamentswahl und, ob offene Listen und eine größere Transparenz der Parteifinanzen einen Wandel der Wahlausgänge wahrscheinlich macht. Über die Erfolge und Schwierigkeiten bei der Implementierung der geplanten Regulierungen im Energiebereich, insbesondere in Bezug auf Transparenz und Aufsichtsbehörden, sprachen Anton Antonenko und Denys Nazarenko vom Think Tank DiXi Group. Vorgesehene Änderungen im Bildungsbereich und deren Konsequenzen präsentierte Igor Samokhin und Oleksandra Slobodian von CEDOS, einem Think Tank, der sich vornehmlich mit Bildung, Migration und Urban Development beschäftigt. Über die im Rahmen des Assoziierungsabkommens ausgehandelte Visafreiheit zwischen der Ukraine und Europa informierte Kateryna Kulchytska von der Organisation Europe without Barriers.
Im Bereich der Außenpolitik lag ein Fokus auf internationalen Beziehungen, die hier durch die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und Deutschland repräsentiert wurden. Über die Rolle Deutschlands in der Ukraine sprach Serhiy Solodkyy vom renommierten Think Tank New Europe Center, bevor die TeilnehmerInnen einer Einladung in die deutsche Botschaft folgten, in deren Rahmen Florian Pötter die vielschichtigen deutsch-ukrainischen Beziehungen eingehend erläuterte. Der politische Teil wurde abgerundet durch Roman Kulchynskyy und Pavlo Myronov von texty.org, die die Bedeutung von Infografiken für eine visuelle Präsentation und effektive Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse hervorhoben.
Am letzten Tag der Studienreise bekamen die TeilnehmerInnen die Möglichkeit, an der diesjährigen Think Tank Konferenz in Kiew teilzunehmen, die von der International Renaissance Foundation in Zusammenarbeit mit dem Institut für Europäische Politik organisiert und ausgerichtet wurde. Schwerpunkte des ersten Konferenztages lagen weniger auf thematischen Inhalten sondern auf den Veränderungen und Perspektiven der Denkfabrikenlandschaft in der Ukraine und wie diese sich Themen der Digitalisierung, der Finanzierung und Nachwuchsproblemen stellen können und welche Herausforderungen im kommenden Jahr zu erwarten seien.
Die Studienreise fand im Rahmen des Projektes „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) statt, welches das Institut für Europäische Politik (IEP, Berlin) in Zusammenarbeit mit der International Renaissance Foundation (IRF, Kiew) der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF, Kiew) und der Denkfabriken-Initiative "think twice UA" (Kiew) mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes in den Jahren 2017–2018 durchführt.
