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Konferenzbericht – Die Ukraine im Wahljahr 2019: Tendenzen und Entwicklungen in Politik und Zivilgesellschaft
18.06.2019

Die Ukraine befindet sich inmitten des „Superwahljahres“ 2019 mit den kürzlich durchgeführten Präsidentschaftswahlen im März und den vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Juli 2019. Allen Voraussagen nach wird die Partei „Diener des Volkes“ des neuen Präsidenten eine Mehrheit der Parlamentssitze erhalten und ihm eine große Machtfülle verleihen. Vor dem Hintergrund des fortdauernden Konflikts im Donbass und einer ambitionierten Reformagenda muss sich Selenskyj nun beweisen.

Die Ukraine befindet sich inmitten des „Superwahljahres“ 2019 mit den kürzlich durchgeführten Präsidentschaftswahlen im März und den vorgezogenen Parlamentswahlen am 21. Juli 2019. Allen Voraussagen nach wird die Partei „Diener des Volkes“ des neuen Präsidenten eine Mehrheit der Parlamentssitze erhalten und ihm eine große Machtfülle verleihen. Vor dem Hintergrund des fortdauernden Konflikts im Donbass und einer ambitionierten Reformagenda muss sich Selenskyj nun beweisen.

Welche politischen Entwicklungen zu erwarten sind und wie sich diese auf die Reformbemühungen und Außenbeziehungen auswirken, war das Kernthema der Konferenz „Ukraine in the Election Year 2019: New Tendencies and Developments in Politics and Civil Society“, zu der das Institut für Europäische Politik (IEP) am 12. Juni 2019 nach Berlin einlud. Als Teil des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) bot die Veranstaltung außerdem den Rahmen, erste Ergebnisse einer qualitativen Studie zu ukrainischen und deutschen Denkfabriken vorzustellen, die vom Projekt PAIC durchgeführt wurde.

In ihren Eröffnungsstatements lobten Dr. Katrin Böttger, Direktorin am Institut für Europäische Politik, und Rostyslav Ogryzko, Gesandter der Botschaft der Ukraine in der Bundesrepublik Deutschland, den freien und fairen Charakter der Präsidentschaftswahlen, die das Bekenntnis der Ukraine zur Demokratie unterstreiche. Das letzte Jahr habe zudem erste Resultate der Reformanstrengungen sichtbar gemacht und die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine intensiviert.

Friedenssicherung und Ukraine-EU-Beziehungen als außenpolitische Prioritäten für Selenskyj

Deutschland sei ein wichtiger außenpolitischer Partner für die Ukraine, erklärte Dr. Andreas Prothmann, Leiter des Arbeitsstabs Ukraine im Auswärtigen Amt, und bekräftigte, dass die Zusammenarbeit mit den ukrainischen Partnern unter dem neuen Präsidenten weitergeführt werde. Die Verbesserung der Lebenssituation entlang der unmittelbaren Kontaktlinie stelle derzeit die höchste Priorität dar. Über längere Sicht müsse die Ukraine sich mit dem Thema der Gasproduktion und -verteilung sowie des Gastransits auseinandersetzen.

Alexander Hug, ehemaliger stellvertretender Leiter der OSZE Beobachtermission in der Ukraine, betonte, dass die Minsker Vereinbarungen nach fünf Jahren einer Neubewertung dahingehend unterzogen werden müssten, inwieweit ein Abzug von Waffen und Rückzugspläne eingehalten würden. Außerdem müsse die Internationale Unterstützung beibehalten und das Wissen über den Konflikt gestärkt werden.

Mit Annäherungsversuchen an Ungarn und Polen schlage Selenskyj zudem einen anderen Weg als dessen Vorgänger ein, erklärte Dr. Kateryna Zarembo, stellvertretende Direktorin des New Europe Centers. Dessen Antrittsbesuch in Brüssel sei jedoch ein gutes Zeichen für eine proeuropäische Kontinuität in der Außenpolitik und an der deutsch-ukrainischen Bindung werde derzeit gearbeitet. Außerdem habe er versprochen, mit seinen Medienkapazitäten für einen NATO-Beitritt in der Bevölkerung zu werben.

Dr. Katrin Böttger, Direktorin am IEP, verwies auf die Bedeutung der Förderung der Zivilgesellschaft als wichtiger Treiber für die europäisch-ukrainischen Beziehungen und den ukrainischen Reformprozess und betonte die Bedeutung des Assoziierungsabkommens hierfür. Erschwerend sei jedoch, dass nach der EU-Parlamentswahl, die zwei Drittel neuer Abgeordneter ins Parlament brachte, alte Kontakte „nicht mehr länger gültig oder wertvoll“ seien und es daher wichtig sei, neue Verbindungen zeitnah herzustellen.

Klare Westorientierung und Potenzial für den Reformkurs

Im Rahmen des zweiten Panels stellte Dr. Yuriy Yakymenko, stellvertretender Generaldirektor der politischen und juristischen Programme des Razumkov-Centres, die innenpolitischen Prioritäten Selenskyjs vor, darunter die Erhöhung der Rechenschaftspflicht für Abgeordnete und Richter:innen, die Etablierung direktdemokratischer Elemente, der Kampf gegen Korruption, eine intensivierte Fortführung der Justizreform und die Digitalisierung von öffentlichen Dienstleistungen.

Professor Oleksiy Haran, Dozent an der Kyiv Mohyla Academy und wissenschaftlicher Direktor der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation, kritisierte den Kampagnenstil Selenskyjs, die zum Teil populistische Äußerungen beinhaltete und zum Ziel gehabt hätte, das Parlament zu diskreditieren. Anschließend ging Dr. Olena Pavlenko, Direktorin des Think Tanks DiXi Group, auf den Stand der Implementierung der EU-Richtlinien im Energiebereich ein, erläuterte die Positionen der Parteien und begrüßte die angestrebte Weiterführung der Demonopolisierung der Energiemärkte.

Desinformation, die ukrainische Medienlandschaft und die Kommunikation von Reformen   

Das dritte Panel beschäftigte sich mit politischer und öffentlicher Kommunikation und ging der Frage nach, mit welchen Herausforderungen die Zivilgesellschaft und der Staat konfrontiert werden. Wilfried Jilge, Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, bestätigte die jüngsten Präsidentschaftswahlen als die freiesten und transparentesten Wahlen seit der ukrainischen Unabhängigkeit. Gleichwohl folge Selenskyjs Kommunikation einem binären Narrativ und es herrsche ein Mangel an unabhängigen journalistischen Berichten. Um Desinformationskampagnen und tendenziöse Berichterstattung wirksam zu bekämpfen, bedürfe es an Faktenprüfung und der Entlarvung von Falschnachrichten, insbesondere auch mit Blick auf russische Medien, mahnte Stop Fake-Mitbegründer Ruslan Deynychenko.

Natalia Popovych, Mitbegründerin des Ukraine Crisis Media Centers, kritisierte die Dominanz und voreingenommene Berichterstattung der „Oligarchenmedien“ und zeigte, wie sich die Kommunikation politischer Vorhaben auf deren Implementierung auswirke. So sei im Falle der Dezentralisierungsreform die Kommunikation effektiv verlaufen und habe zu einer hohen Zustimmungsrate in der Bevölkerung für diese Reform geführt, was zur erfolgreichen Umsetzung der Reform beigetragen habe, während es im Kampf gegen Korruption mangelnde Kommunikation und damit weniger Engagement gegeben hätte.

Think Tanks in der Ukraine: Gesellschaftliche Rolle und Entwicklungsmöglichkeiten

Das letzte Panel widmete sich ukrainischen und deutschen Denkfabriken und stellte erste Ergebnisse der vergleichenden qualitativen Studie des Projekts PAIC vor. Dr. Iryna Bekeshkina, Direktorin der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation, unterstrich die Bedeutung der ukrainischen Zivilgesellschaft für die Umsetzung politischer Reformen, die durch ihre Analysen, Advocacy-Arbeit und mediale Präsenz Einfluss auf die Politik ausüben könnten. Ein wesentlicher Unterschied zu ukrainischen Denkfabriken, die vor allem eine breite Öffentlichkeit erreichen wollen, sei, dass deutsche Think Tanks sich vornehmlich an Entscheidungsträger:innen und spezielle Zielgruppen richteten, so Mona Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik.

Ljudmyla Melnyk, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Politik, fügte hinzu, dass eine fundamentale Herausforderung für ukrainische Organisationen die Abhängigkeit von Geldgebern sei, die sowohl die thematische Ausrichtung als auch die institutionelle Struktur beeinflussten. Dies werfe die Frage auf, wie die institutionelle Nachhaltigkeit und langfristig auch die Unabhängigkeit ukrainischer Think Tanks besser gefördert werden könnte. Dr. Tymofiy Brik, Professor an der Kyiv School of Economics und Aufsichtsratvorsitzender von CEDOS, sieht vor allem in der Vernetzung einzelner Organisationen großes Potential. So könnten medial und journalistisch tätige Organisationen die Reichweite der Analysen von Forschungsinstituten bedeutend erhöhen.

Das Programm der Konferenz ist hier online abrufbar.


Die Konferenz fand im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) statt, das die Förderung der ukrainischen Think Tank Landschaft, den Austausch zwischen deutschen und ukrainischen Analysezentren und den Wissenstransfer über politische Prozesse in der Ukraine nach Deutschland zum Ziel hat. PAIC wird vom Institut für Europäische Politik (IEP, Berlin) in enger Zusammenarbeit mit der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF, Kyiv), der Denkfabrikeninitiative „think twice UA“ (Kyiv) und mit freundlicher Unterstützung durch das Auswärtige Amt durchgeführt.

Über das Denkfabriken in der Ukraine: Fachkompetenz stärken und europäische Zusammenarbeit fördern Projekt: Denkfabriken spielen eine der Schlüsselrollen in der Entwicklung des ukrainischen Staates, indem sie durch ihre qualitative Forschungsarbeit einen entscheidenden Beitrag zur Förderung einer pluralistischen

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