Thomas Westphal, Leiter der Abteilung Europapolitik des Bundesministeriums der Finanzen, hat am 10. Dezember 2014 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zum Thema „Die Stabilisierung der Eurozone – bisherige Erfolge, unerledigte Aufgaben“ referiert. Michael Vollprecht, Economic and Financial Counsellor in der Politischen Abteilung der Europäischen Kommission in Deutschland, hielt ein Grußwort. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).
In seinem Grußwort hob Michael Vollprecht hervor, dass der neue Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, in seiner Amtszeit die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stärken wolle. Thomas Westphal schloss in seinem darauf folgenden Vortrag unmittelbar daran an: Um die Eurozone zu stärken und weiter zu stabilisieren, müsse vor allem Vertrauen zurückgewonnen werden, das während der Krise verloren gegangen sei. Vertrauen geschaffen hätten zwar die ersten zehn Jahre der WWU, die er als großen Erfolg wertete. Der Euro sei innerhalb kürzester Zeit die weltweit zweitwichtigste Währung geworden und die Europäische Zentralbank habe für Preisstabilität gesorgt, woraufhin sich die Zinsen auf Staatsanleihen der Euroländer angeglichen hätten. Die während der Krise aufgekommenen Zweifel der Finanzmärkte an Investments hätten jedoch dramatische Folgen gehabt. Das Zinsniveau sei wieder angestiegen. Vor allem in Griechenland, Portugal und Irland sei der Anstieg ein Vielfaches höher gewesen als etwa in Deutschland. Die Krise habe viele Schwächen der WWU offenbart, zum Beispiel, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer in den vergangenen Jahren ungleich entwickelt habe. Um Vertrauen zurückzugewinnen, müssten diese Schwachstellen der WWU beseitigt werden. Hierfür findet Westphal den auf vier Säulen beruhenden jetzigen Bauplan der WWU richtig, auch wenn es noch Hindernisse bei der Umsetzung gebe. Die erste Säule beruhe auf Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit, viele BürgerInnen zeigten aber eine gewisse Reformmüdigkeit. Kurzfristig könne Vertrauen jedoch nur durch kontinuierliche Reformbemühungen aller Mitgliedstaaten zurückgewonnen werden. Um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen, sei auf die Umsetzung länderspezifischer Vorgaben im Rahmen des Europäischen Semesters und auf wachstumsfreundliche Konsolidierung zu setzen. Die zweite Säule bilde eine grenzüberschreitende europäische Aufsicht über die Finanzmärkte und bessere Regulierung. Auf der Ebene der Institutionen der WWU, der dritten Säule, dürfe eine Änderung der EU-Verträge nicht ausgeschlossen werden. Der Ausbau zur Fiskalunion müsse vorangetrieben und der Stabilitäts- und Wachstumspakt gestärkt werden. Die vierte Säule bilden die Krisenmechanismen Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM), die laut Westphal nur „eine Brandmauer bilden können, damit Feuer nicht auf umstehende Häuser umspringt“. Der Brand sei damit nicht gelöscht.
Es seien erste Erfolge des Vier-Säulen-Modells zu verbuchen. Drei Hilfsprogramme seien bereits beendet (Irland, Portugal und Spanien). Westphal bedauerte, dass insbesondere über diesen Erfolg kaum gesprochen werde, dafür umso mehr über Probleme in Griechenland, wo derzeit das zweite Hilfsprogramm läuft. Die Programme hätten die Wettbewerbsfähigkeit verbessert, Vertrauen kehre langsam zurück. Die Zinsen auf Staatsanleihen würden wieder einheitlicher. Dennoch gebe es noch viele unerledigte Aufgaben. Das Wachstum sei schwach und innerhalb der Euro-Staaten ungleich verteilt. Die Investitionstätigkeit sei gering, die Schuldenstände aber hoch. Es gebe weiterhin Konsolidierungsbedarf und wenig Spielraum für öffentliche Ausgaben. Die Krise habe die Eurozone zudem vor soziale Herausforderungen gestellt: Die Arbeitslosenquoten seien dramatisch gestiegen. Das sei bedenklich, weil die Eurozone sich den Verlust von Arbeitskraft nicht leisten könne und hohe Arbeitslosenquoten den Trend zum Euroskeptizismus befeuern könnten. „Die Idee ‚Europa‘ ist toll, aber schwer vermittelbar, wenn jemand gerade seine Arbeit verloren hat“, schloss Westphal.
Von: Helen Müller