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IEP-Mittagsgespräch mit Rainer Wieland am 23. April 2014: "Europa vor den Wahlen"
23.04.2013

Rainer Wieland, MdEP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Präsident der überparteilichen Europa-Union Deutschland hat am 23. April 2014 in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalts in Berlin zum Thema „Europa vor den Wahlen“ referiert.

Rainer Wieland, MdEP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments und Präsident der überparteilichen Europa-Union Deutschland hat am 23. April 2014 in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalts in Berlin zum Thema „Europa vor den Wahlen“ referiert. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).

Rainer Wieland, Vizepräsident des Europäischen Parlaments, lobte im IEP-Mittagsgespräch die fortschreitende Demokratisierung der Europäischen Union durch den Spitzen- kandidatenprozess vor der Europawahl. Er mahnte aber auch an, dass viele Bürger immer noch zu wenig über die EU wüssten, weil Lehrer und Journalisten aktuelle Entwicklungen in Europa nicht gut erklären könnten. Hier sieht er die gesellschaftlichen Eliten in der Pflicht.

Das Mittagsgespräch zum Thema „Europa vor den Wahlen“ mit Rainer Wieland, Mitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments, fand am 23. April 2014 in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund statt. Staatssekretär Dr. Michael Schneider, Bevollmächtigter des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, sprach ein Grußwort. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).

Wieland beobachtet eine fortschreitende Demokratisierung der Europäischen Union. Die Kür von europaweiten Spitzenkandidaten durch die Parteien vor der Wahl des Europäischen Parlaments (EP) biete eine „ungeheure Chance“: Die europäische Politik könne stärker parlamentarisiert und personalisiert werden. Damit diese Chance genutzt werde, müsse das EP nach der Wahl zu dem Entschluss kommen, dass ausschließlich ein Spitzenkandidat als Kommissionspräsident in Frage kommt. Das könne dem Amt mehr politisches Gewicht verleihen: Ein Spitzenkandidat als Präsident könnte sich, entsprechend seiner Parteizugehörigkeit, stärker bei der Auswahl der Kommissare einbringen, auch wenn die Entscheidung weiter bei den Mitgliedsländern liegt. Das könne einleiten, dass der Europäische Rat an Einfluss verliert; eine Entwicklung, die Wieland gerne voranschreiten sehen würde. Die Rolle des Rates bei der Auswahl des Kommissionspräsidenten solle auf die offizielle Ernennung nach der Wahl durch das Parlament beschränkt werden, ähnlich der Funktion des englischen Königshauses. Die Wahl von Spitzenkandidaten biete auch Chancen für mehr innerparteiliche Demokratie, sagte Wieland. Es sei ein Fortschritt, dass innerhalb von Parteifamilien über die Spitzenkandidaten abgestimmt wurde.

Wieland zeigte sich wenig begeistert von einer weiteren Neuerung bei den anstehenden Wahlen, der gefallenen Drei-Prozent-Hürde in Deutschland. Das sei eine „Fehlentwicklung“, warnte er, die zu einer starken Diversifizierung des EP führen könnte: die europaskeptische Partei Alternative für Deutschland (AfD) könnte Schätzungen zu Folge ebenso ins EP einziehen wie die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Wie der mögliche Einzug von Piratenpartei, Freien Wählern, AfD oder NPD in das EP die Fraktionsbildung beeinflusst, müsse auch beobachtet werden.

Einiges werde nach den Wahlen im Mai aber gleich bleiben, prognostizierte Wieland: Es werde auch weiterhin schwierig sein, „Europa zu erklären“. Lehrer, Journalisten, die gesellschaftlichen Eliten in Deutschland seien in ihrem Wissensstand zur EU in den 1990er Jahren verhaftet. Trotz zunehmender Demokratisierung werde etwa der Mythos vom Demokratiedefizit aufrechterhalten. Sie seien schlecht über aktuelle Entwicklungen informiert und neigten zu komplizierten Erklärungen. „Wir sollten mehr Mut haben, Europa zu erzählen“, forderte Wieland. Dazu bedürfe es einer leicht verständlichen Sprache. Von Medienvertretern wünsche er sich, dass sie nach der Wahl „Binnenansichten dazu, was in einzelnen Ländern passiert“, liefern, statt nur Sitzanteile und Prozentverteilungen bekannt zu geben. Zudem forderte Wieland, Grundmissverständnisse aus dem Weg zu räumen: Viele skeptische Deutsche sähen sich zu Unrecht in einer Opferrolle, weil ihnen die finanzielle Belastung des Steuerzahlers zu hoch vorkomme. „Dabei kostet Europa den deutschen Bürger nur 295 Euro netto pro Jahr und Kopf“, sagte Wieland. In vielen anderen Mitgliedsstaaten läge der Betrag höher.

Nach den Wahlen komme eine spannende Zeit auf die Wähler zu, sagte Wieland. Viele Fragen seien offen, etwa, wer die beiden größten Fraktionen im EP zukünftig führen wird. Offen sei auch die Frage, ob die Parteien des rechten Spektrums es schaffen werden, eine eigene Fraktion zu bilden. Eine Erklärung für das Erstarken des französischen Front National (FN) sieht Wieland in den Versuchen Marine Le Pens, den FN zu entradikalisieren. Um in Deutschland europaskeptischen und -kritischen Tendenzen etwas entgegenzusetzen, sei es besonders wichtig, dass gesellschaftliche Eliten den Elfenbeinturm verlassen und den Bürgern die europäische Politik nahebringen, bekräftigte Wieland zum Abschluss seines Vortrags.

Von: Helen Müller

Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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