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IEP-Mittagsgespräch mit Prof. Dr. Martin Selmayr: „Aktuelle Herausforderungen der Juncker-Kommission“
21.05.2015

Prof. Dr. Martin Selmayr, Kabinettchef des Präsidenten der Europäischen Kommission, referierte am 01. Juni 2015 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zum Thema „Aktuelle Herausforderungen der Juncker-Kommission“. Elisabeth Kotthaus, Politische Abteilung der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, hielt ein Grußwort.

Prof. Dr. Martin Selmayr, Kabinettchef des Präsidenten der Europäischen Kommission, referierte am 01. Juni 2015 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zum Thema „Aktuelle Herausforderungen der Juncker-Kommission“. Elisabeth Kotthaus, Politische Abteilung der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, hielt ein Grußwort. Die Veranstaltung wurde von Dr. Katrin Böttger, stellvertretende Direktorin des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.

Seinen Vortrag eröffnete Selmayr mit der Beschreibung der drei Besonderheiten der Juncker-Kommission. Dazu zähle nicht nur die Person Jean-Claude Juncker selbst, ein überaus erfahrener Europapolitiker, sondern auch das besondere Prozedere, durch das er in das Amt eingesetzt wurde. Mit Juncker sei zum ersten Mal ein Spitzenkandidat mit einem Leitlinien-Programm als Kommissionspräsident gewählt worden – ein Umstand, der diese Kommission politischer mache als andere zuvor, wie Selmayr unterstrich. Als dritte Besonderheit hob er die neue Struktur der Kommission hervor: Mit der Neudefinition und Stärkung des Amtes der Vizepräsidenten habe Juncker eine neue Hierarchieebene geschaffen, die für bestimmte Kernthemen zuständig sei. Die so entstandene „Matrixstruktur“ helfe, die unterschiedlichen Fachressorts zu koordinieren und vorab mögliche Kompromisse zu schließen. Dies steigere die Effizienz der Kommission erheblich.

Im zweiten Teil seines Vortrags widmete sich Professor Selmayr den fünf großen Herausforderungen der Juncker-Kommission: der wirtschaftliche Entwicklung Europas, der Außen- und Sicherheitspolitik der EU, der Flüchtlingsproblematik, der britischen Frage sowie der Griechenland-Krise. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung müsse die Europäische Union Rahmenbedingungen schaffen, um die Nachwirkungen der Finanzkrise zu überwinden – der Investitionsplan Junckers sei hierbei ein erster Schritt. Das wichtigste Gut Europas sei jedoch der Binnenmarkt, wie Selmayr betonte. Drei Projekte müssten gefördert und ausgeweitet werden, um ein uneingeschränktes Funktionieren zu ermöglichen: der digitale Binnenmarkt, die Energieunion und die Kapitalmarktunion. Neben wirtschaftlichen Aspekten spiele auch die Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere mit Blick auf die Ukraine-Krise, eine wichtige Rolle für die EU-Kommission. Hier stellte Selmayr das Selbstverständnis der EU als „soft power“ in den Vordergrund. Entsprechend müsse auf Russlands Vorgehen in der Ukraine-Krise mit Diplomatie und Hilfsgeldern zur Stabilisierung der Ukraine reagiert werden. Mit der Flüchtlingsfrage wandte sich Selmayr dem dritten drängenden Problem der Juncker-Kommission zu. Das Grundprinzip der Solidarität verpflichte uns, Flüchtlinge nicht abzuweisen. Gleichzeitig wies er ausdrücklich darauf hin, dass bei der Verteilung der Flüchtlinge und Asylsuchenden die Verantwortung bei allen EU-Mitgliedstaaten läge und eine gemeinsame Lösung von höchster Bedeutung sei. Bezüglich der britischen Frage, der vierten Herausforderung der EU-Kommission, sei es das Ziel, Großbritannien in der Europäischen Union zu halten. Gewisse Reformen, die den Fokus der Union mehr auf die großen Fragen wie Wirtschaft und Migration lenkten, seien durchaus im Sinne Junckers. Offen bleibe, ob hierfür eine Vertragsänderung notwendig würde, was Selmayr nicht kategorisch ausschloss, jedoch als sehr schwierig einschätzte. Die fünfte Herausforderung sei schließlich die Griechenland-Krise. Aus ökonomischer Sicht hätte Griechenland nicht in die Euro-Zone aufgenommen werden dürfen – doch die Europäische Union funktioniere nicht rein ökonomisch, sondern auch politisch, wie Selmayr ausdrücklich hervorhob. Auch sei ein Ausschluss Griechenlands keine Alternative. Die bisherigen Kredite hätten den deutschen Steuerzahler keinen Cent gekostet. Würde Griechenland die Eurozone und die europäische Gemeinschaft hingegen verlassen, wäre ein Bankrott des Landes die Folge. Die Europäische Union sehe sich dann in der Pflicht, Entwicklungshilfe in Form von Hilfszahlungen zu leisten, die Europa wesentlich teurer zu stehen kommen würden als die bisherigen Kredite. Weiterhin sei die Währungsunion irreversibel – und der Euro damit „fester als eine bayerische Ehe“. Neben den fünf großen Herausforderungen der EU-Kommission sei das wichtigste Anliegen Junckers, ein im Gefolge der Krise zerstrittenes Europa mit sich selbst zu versöhnen und das Vertrauen der Bürger wiederzugewinnen.

In der anschließenden angeregten Diskussion mit dem Publikum gab es nicht nur Gelegenheit, über das Thema der digitalen Sicherheit sowie über den Datenschutz in Deutschland und Europa zu sprechen, sondern auch über die neue Struktur der Juncker-Kommission. Die Sorge, dass diese statt Effizienz nur Rivalitäten schaffe, entkräftete Selmayr mit der These, dass nur in einem „kreativen Wettbewerb“ die besten Lösungen erreicht werden können. Die Einschätzung von einigen aus dem Publikum hingegen, dass Juncker zwar stark sei, aber nicht dieselbe Unterstützung von Frankreich und Deutschland genieße wie seine Vorgänger, wies er entschieden zurück. Zunächst seien gute Beziehungen mit allen 28 Mitgliedstaaten wichtig, nicht nur mit Deutschland und Frankreich. Im Übrigen funktioniere die Beziehung zwischen Frankreich, Deutschland und der Kommission sehr gut, vielleicht sogar besser als in den Jahren zuvor. Schließlich sei es Bundeskanzlerin Merkel gewesen, die Juncker als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei vor den Europawahlen vorgeschlagen hatte.

Magdalena Patalong

Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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