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IEP-Mittagsgespräch mit Ian Begg und Lord Flight am 7. November 2013: "Das Vereinigte Königreich und die Wirtschafts- und Währungsunion"
07.11.2013

Professor Ian Begg, London School of Economics and Political Science (LSE), und Lord Flight, konservatives Mitglied des House of Lords und des EU Sub-Committee A - Economic and Financial Affairs, debattierten am 7. November 2013 im Rahmen des IEP-Mittagsgesprächs in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zum Thema „Das Vereinigte Königreich und die Wirtschafts- und Währungsunion“.

Professor Ian Begg, London School of Economics and Political Science (LSE), und Lord Flight, konservatives Mitglied des House of Lords und des EU Sub-Committee A - Economic and Financial Affairs, debattierten am 7. November 2013 im Rahmen des IEP-Mittagsgesprächs in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin zum Thema „Das Vereinigte Königreich und die Wirtschafts- und Währungsunion“. Lord Viscount Brookeborough und Lord Davies of Stamford – ebenfalls Teil der Delegation des Subkomitees Economic and Financial Affairs des House of Lords, welches nach Berlin für politische Gespräche kam – beteiligten sich im Anschluss an der Diskussion. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.

Professor Ian Begg fasste die Hauptaussagen der britischen Debatte über die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zusammen. Großbritannien sei der Ansicht, dass die EU ihre Strategie der Krisenbewältigung verbessern müsse. Da Großbritannien jedoch kein Teil der Eurozone sei – welche der Ursprung der größten Probleme sei – könne und möchte das Land nicht den Preis für notwendige Reformen bezahlen. Besonders gegen neue Regulationen, welche die City treffen und den Binnenmarkt schwächen könnten, stemmen sich weite Teile der britischen Wirtschaft.

Aus britischer Perspektive wurde die Output-Legitimität der WWU untergraben. Der britische Rat an Brüssel sei deswegen: „weniger effektiver tun“ als zu viel zu stark regulieren. Dies bedeute, die neuen globalen Herausforderungen und insbesondere China ernst zu nehmen. Laut Begg wird die britische Position zur Reformnotwendigkeit der europäischen Wirtschaftssteuerung von der deutschen öffentlichen Meinung geteilt.

Um die britische Perzeption der Wirtschafts- und Währungsunion besser nachvollziehen zu können, fasste Begg die Meinungen verschiedener wirtschaftlicher Gruppen zusammen, beispielsweise der City of London, der großen Exporteure und der kleineren Unternehmen, sowie der Regierung und der Steuerzahler. 84% der Geschäftsführer der City of London sind für den Verbleib Großbritanniens als Teil der Europäischen Union, ohne jedoch eine gesonderte Meinung zur britischen Beteiligung an der WWU zu haben: die City würde, laut Professor Begg, sowohl innerhalb als auch außerhalb der WWU erfolgreich bestehen. Allerdings erkennen die Vertreter der City die Notwendigkeit an, dass Großbritannien sich verstärkt an den Herausforderungen der EU beteiligen müsse. Auf der anderen Seite sorgen sich die Großexporteure über neue Regeln aus Brüssel, die Großbritannien betreffen könnten. Britische Kleinbetriebe würden sich wiederum eine härtere Linie der britischen Regierung gegenüber der EU wünschen, um vor massiven Eingriffen aus Brüssel, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsregelungen, geschützt zu werden. Die Regierung als auch die Steuerzahler sind für die Eurozone, möchten sich jedoch nicht an ihr finanziell beteiligen. Daraus ergibt sich ein starker Widerstand gegen weitere finanzielle Lasten.

Laut Professor Begg hat der britische Premier David Cameron diese verschiedenen Positionen in seiner Europarede im Januar 2013 sehr gekonnt zusammengebracht. Er konnte Euroskeptiker bändigen und zugleich konstruktiv gegenüber den anderen EU-Mitgliedsländern. Der Schwerpunkt seiner Rede – die EU zu reformieren – wurde in Berlin positiv aufgenommen, auch wenn er den Binnenmarkt als Kern der EU zu definieren versuchte. Das Referendum, welches er vorschlug, könnte zurückschlagen wenn es zu einem britischen Austritt aus der EU führe – einem „Brexit“, wie es Professor Begg nannte. Besonders die vertiefte Integration in die Eurozone und der Fiskalpakt könnten die britischen Wähler motivieren, für einen solchen Brexit zu stimmen. Professor Begg schloss seinen Vortrag mit dem Hinweis, dass die europäische Zukunft Großbritanniens auch davon abhänge, wie sehr man dem Land bei der Aushandlung von Konzessionen entgegenkomme – bspw. in Fragen der Rückführung von Kompetenzen.

Lord Flight hob in seinem Vortrag die Schwierigkeit einer einheitlichen Währung für mehrere Länder mit unterschiedlichen Kulturen hervor und wiederholte die Bemerkung des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl an den französischen Präsidenten Francois Mitterrand, wonach die Schaffung einer solchen Währung ohne eine politische Union ein Fehler sei. Lord Flight empfahl die Schaffung eines harten Nordeuros und eines weichen Südeuros, letzterer unter Einschluss von Frankreich.

Wenn die Eurozone vom Euro überzeugt sei, dann sollte es entschlossen Reformen und eine tiefere Integration eingehen und sich ein Beispiel an den USA nehmen. Ansonsten sei es unmöglich, die gemeinsame Währung zu halten. Lord Flight sah es als sehr unwahrscheinlich an, dass Großbritannien in einer nahen Zukunft die gemeinsame Währung einführe aber erklärte, dass das Land weiterhin ein halb losgelöstes Mitglied der Europäischen Union bleiben würde. Es sei an freiem Handel und an freundschaftlicher Kooperation mit seinen europäischen Nachbarn interessiert.

Er schlug vor, der einheitlichen Währung zuliebe eine Abwertung des Euros in Betracht zu ziehen. Ohne eine solche Abwertung könnten Destabilisierung und die Machtübernahme gefährlicher Regime in einzelnen europäischen Ländern Realität werden, so Flight. Besonders Länder wie Italien, Spanien und Portugal könnten die Krise nicht ohne Abwertung überwinden – eine Situation wie in den 1930er Jahren sei deshalb denkbar. Das wahrhaftige Problem Südeuropas seien jedoch nicht ihre Schulden sondern die hohe Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Aktuell sei Deutschland für Europa das, was China für die Weltwirtschaft sei. Daraus folge, dass Sparpolitik nicht die Lösung sein kann. Diese Politik multipliziere den Effekt der Krise auf die öffentliche Schuldenquote. Die Lösung liege daher sowohl in der Abwertung, wie es früher in Italien implementiert wurde, als auch in der Senkung der Umrechnungskurse, der Transferzahlungen und in einer gelockerten Währungspolitik. Diese Entscheidungen könnten jedoch nicht mehr von den einzelnen Staaten alleine getroffen werden. Für Lord Flight müsse Deutschland deshalb eine südeuropäische Perspektive einnehmen, insofern Deutschland den Euro retten und eine vertiefte Integration voranbringen möchte. Andernfalls könne der immense Druck auf Länder wie Italien diese dazu zwingen, die Eurozone zu verlassen. Die EU wäre jedoch gut beraten, an diesem Projekt vertiefter Integration festzuhalten, trotz der enormen Schwierigkeiten die aus den Konstruktionsfehlern der Eurozone erwachsen.

In der folgenden Diskussion meldete sich Lord Davies of Stamford – ebenfalls Mitglied des EU-Unterausschusses Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten – zu Wort, für welchen die ganze Debatte einer falschen Annahme zugrunde lege. Die Eurokrise existiere nicht, so Davies, da der Wert des Euros über die Jahre konstant geblieben sei. Außerdem wäre Großbritannien mit Blick auf das Bruttoinlandsprodukt und die Löhne als Euroland in einer besseren Situation. In seinen Augen erlebe Europa keine Währungskrise sondern vielmehr eine Schulden- und Bankenkrise. Anstatt das Wort Krise ständig zu betonen verlangte Lord Davies eine Suche nach Lösungen, bspw. eine Reform der Banken oder die Einführung einer Transaktionssteuer.

Lord Flight widersprach Lord Davies. Er sehe den Euro als Hauptursache für Europas heutige Probleme und erkenne Gemeinsamkeiten zwischen der aktuellen Eurokrise und der Goldstandardkrise in den 1930er Jahren. Seiner Meinung nach würde die Transaktionssteuer unrealistische Erwartungen schüren und ein großes Risiko für die City darstellen. Letztere würde den Großteil ihrer Geschäfte an Singapur verlieren.

Abschließend fragte Professor Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik, die Diskutierenden, wie viele Jobs in Gefahr seien, falls Großbritannien die Europäische Union verlassen würde. Laut Professor Begg könnten bis zu 2,5 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Er merkte jedoch an, dass eine Definition der Optionen bei bzw. der Konsequenzen eines Ausscheidens noch nicht stattgefunden habe. Laut Lord Flight kenne niemand eine Antwort auf diese Frage und Lord Davies beteuerte, dass wenn Großbritannien die EU verlasse, europäische Investitionen stark abnehmen würden.

Von: Jéronimo Barbin

Downloads & Quellen

Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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