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IEP-Mittagsgespräch mit Gisela Stuart am 27. September 2002: "Der Europäische Konvent und die Zukunft der Europäischen Union aus britischer Sicht"
27.09.2002

Benjamin Child / Unsplash
Benjamin Child / Unsplash

Am 27. September 2002 fand im Jean-Monnet-Haus das IEP-Mittagsgespräch mit Gisela Stuart, Mitglied des House of Commons, London, Mitglied des Präsidiums des Europäischen Konvents und Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Nationale Parlamente" im Konvent, statt.

Am 27. September 2002 fand im Jean-Monnet-Haus das IEP-Mittagsgespräch mit Gisela Stuart, Mitglied des House of Commons, London, Mitglied des Präsidiums des Europäischen Konvents und Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Nationale Parlamente" im Konvent, statt.

Die augenscheinliche Notwendigkeit einer Reform der Union in politischer, insbesondere aber in wirtschaftlicher Hinsicht, durfte gerade nach den mageren Ergebnissen von Nizza nicht mehr einer Regierungskonferenz überlassen werden, sondern musste einem überwiegend aus Parlamentariern bestehenden Europäische Konvent zufallen, so Gisela Stuart zum Beginn ihrer Ausführungen. Die Teilnahme an einem solchen auf Argumentation und Konsens beruhenden Gremium sei für britische Parlamentarier zunächst eine neue Erfahrung, und die interne Organisation nicht einfach gewesen. Die guten Erfahrungen in den ersten Monaten zeigten jedoch, dass die Chance des Erfolgs dieses Konvents und der Erarbeitung eines zukunftsfähigen Textes groß sei, wenn nur genug Zeit für Lernprozesse und Vertrauensfindung besteht, wofür die vor der Sommerpause abgeschlossene "phase d'écoute" äußerst nützlich gewesen sei.

Nach Auffassung Frau Stuarts sei das bestehende EU-System als Grundgerüst ausreichend; notwendig seien aber interne Reformen zu einer effektiveren Entscheidungsfindung. Neue Institutionen, wie der angeregte Subsidiaritätsausschuss oder eine weitere legislative Kammer, könnten hier nur kontraproduktiv wirken. Nicht die Subsidiarität sei das eigentliche Problem - denn diese fällt vorwiegend in den Entscheidungsbereich der Mitgliedstaaten -, sondern Proportionalität und Dauer des Entscheidungsprozesses. Dennoch müssten Wege gefunden werden, wie auch Nationale Parlamente in diesem Prozess verankert werden könnten. Hier schlug Frau Stuart insbesondere die deutliche Verbesserung des Informationsflusses zwischen der europäischen Ebene und den Nationalen Parlamenten sowie eine Fortentwicklung der COSAC zu einem alle 2-5 Jahre einzuberufenden Kongress der Nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments vor, welcher das Legislativprogramm der Union sowohl ex-ante als auch ex-post zu debattieren habe und gegebenenfalls auch einen Europäischen Präsidenten (s.u.) bestätigen könne.

Dieser Kongress dürfe jedoch nicht die Funktion eines "electoral college" gewinnen, welches den Präsidenten der Europäischen Kommission wählt. Auch eine Wahl des Kommissionspräsidenten aus dem Europäischen Parlament heraus lehnte Frau Stuart ab, da diese Prozedur zu einer Politisierung der Kommission führe, deren Supranationalität durch "neutrale" Beamte gewährleistet werden müsse. Die Basis der Union seien die souveränen Mitgliedstaaten und aufgrund des nicht mehr durchzuhaltenden Rotationsprinzips befürworte sie die Wahl eines Präsidenten der Union aus dem Europäischen Rat heraus. Dieser Präsident müsse auch in Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zur "ersten Telefonnummer" der Union werden.

Das Ergebnis des Konvents - so Frau Stuart zum Ende ihrer Ausführungen - werde wohl mindestens eine Vereinfachung der Verträge sein, wahrscheinlich sogar eine Zweiteilung in einen Basisvertrag in verständlicher Sprache und einen zweiten, das Verhältnis von Institutionen und Politikbereichen betreffenden Teil. Wünschenswert sei auch eine einheitliche Rechtspersönlichkeit der Union, wobei die Pfeilerstruktur der Union dabei de facto nicht überwunden werden könne. Die Aufnahme der Grundrechtecharta in einen solchen Basisvertrag sei zwar zu befürworten, erfordere aber eine erhebliche Überarbeitung. Insgesamt äußerte sich Frau Stuart optimistisch über die zu erwartenden Ergebnisse des Konvents. Sie erhofft sich auch aufgrund des großen Engagements von Giscard d'Estaing, Amaoto und anderen einen einheitlichen und zukunftsfähigen Text bis Juni 2003.

Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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