In einem ersten Teil hob Gernot Erler die Bedeutung Russlands als strategischer Partner für die Europäische Union hervor. Den Rahmen der Beziehungen bildet das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, das seit 1997 in Kraft ist, und der Ständige Partnerschaftsrat. Russland ist zwar eines der Partnerländer der Neuen Nachbarschaftspolitik der EU, jedoch hob Erler den besonderen Stellenwert der Beziehungen der EU zu Russland hervor, was sich auch in den häufigen bilateralen Treffen auf verschiedenen Ebenen und insbesondere den regelmäßig stattfindenden EU – Russland – Gipfeln ausdrücke. Beim Gipfel im Mai 2003 wurde die Zusammenarbeit auf die vier „Räume“ Wirtschaft, innere Sicherheit, äußere Sicherheit sowie Kultur und Bildung erweitert. Der Fokus des letzten Gipfels im Mai 2004 richtete sich auf den Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und die Frage der WTO-Mitgliedschaft Russlands.
Erler stellte in einem zweiten Teil einige Probleme in den Beziehungen mit Russland dar: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommen auf die zehn neuen Mitgliedstaaten der EU führte zeitweilig zu einer Verschlechterung des europäisch-russischen Verhältnisses - bis hin zu anti-EU- Pressekampagnen in Russland. Vor allem die Stellung russischer Staatsangehöriger in den baltischen Staaten sowie die unzureichende Regelung von Kopenhagen zur Exklave Kaliningrad wurden von russischer Seite kritisiert. Mittlerweile habe sich die Lage jedoch wieder entspannt – vier Tage vor der Osterweiterung konnte am 27. April 2004 eine Kompromisslösung gefunden werden. Weitere wichtige Themen der letzen Monate waren die Abgabepreise für Energie und die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls.
Das Potential der Sicherheitspartnerschaft zwischen der EU und Russland sieht Gernot Erler bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Leider bestehe keine Form der Zusammenarbeit, die mit dem ständigen Russland – NATO- Rat vergleichbar sei. Seit 2001 gäbe es aber eine positive Entwicklung, erkennbar an der Kompatibilität des EU-Strategiepapiers mit den Prioritäten der russischen Außenpolitik und den Gemeinsamkeiten in der Einschätzung der Art und Weise des Handlungsbedarf im Irak, im Nahen Osten und in der Terrorismusbekämpfung.
Trotz dieser „erstaunlichen Spannungsfreiheit bei der Lösung der Problembereiche“ schätzt Erler die EU – Russland - Beziehungen als „gefährdete Harmonie“ ein. Als besonders problematisch betrachtet er den Gebrauch der Machtfülle, die Präsident Putin inne hat. Dessen Rhetorik von Demokratisierung, Pluralisierung und Rechtsstaatlichkeit stehe im Widerspruch zur Realität. Dies gelte auch für den Umgang mit zivilgesellschaftlichen Gruppen. So könne Putins Rede zur Lage der Nation am 26. Mai als Einschüchterung der Zivilgesellschaft verstanden werden. Als drittes Gebiet, auf dem von Seiten der EU eine kritische Begleitung vonnöten sei, nannte er den Tschetschenien-Konflikt. Das Entgegenkommen Russlands im internationalen Kampf gegen den Terrorismus dürfe nicht einer Thematisierung Tschetscheniens in bilateralen Gesprächen und dem offizielle Monitoring durch den Europarat entgegen stehen.