Einen Einblick in die momentanen und zukünftigen Aufgaben der europäischen Haushaltspolitik gab Dr. Michaele Schreyer, Mitglied der Europäischen Kommission, im Rahmen des IEP-Mittagsgespräches zum Thema: "Die Finanzierung der erweiterten Union und die europäische Finanzverfassung". Im Mittelpunkt des Vortrages im Jean-Monnet-Haus stand die strukturelle Betrachtung des europäischen Haushalts und wie dieser für die Zeit nach der Erweiterung der EU und vor dem Hintergrund anderer, neuer Herausforderungen zukunftsfähig gemacht werden kann.
Die Finanzierung der Agrarpolitik sieht Schreyer durch die von Kommissar Fischler im Juli 2002 vorgeschlagenen Reformen auch im Zug der Erweiterung als gesichert. Der Vorschlag der Kommission, der ein phasing-in für die Direktbeihilfen der Landwirte in den neuen Mitgliedstaaten ab 2004 vorsieht, soll auf der einen Seite eine Überbelastung des EU-Haushalt verhindern, aber auf der anderen Seite die neuen Mitgliedstaaten nicht von wesentlichen Teilen des Haushaltes ausschließen.
Die Mittel aus den Strukturfonds, die ca. ein Drittel des Haushalts ausmachen, sollen nach Ansicht Schreyers auch weiterhin nach dem regionalen Ansatz vergeben werden und zielgebunden vergeben werden. Die Strukturfonds sollten nicht alleine die Funktion eines Finanzausgleichs zwischen armen und reichen Staaten haben.
Besonders bei der Finanzierung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik setzt Schreyer auf den europäischen Konvent zur Zukunft der Europäischen Union. Der Konvent müsse klären, ob die europäische Außenpolitik nach dem Gemeinschaftsprinzip oder intergouvernemental konstruiert werden solle. Von der Antwort auf diese Frage seien die zukünftige Finanzierung und die Aufgaben für den europäischen Haushalt abhängig.
Der Konvent müsse ferner grundsätzlich über die Finanzierung der Europäischen Union nachdenken. Hier stehe die Frage im Mittelpunkt, ob die EU weiterhin im wesentlichen über Beiträge der Mitgliedstaaten finanziert werden solle. Schreyer präferierte eine Koppelung des von nationalen Beiträgen mit einem direkten Beitrag von seiten der Steuerzahler. Dieser europäische Steueranteil könnte, bedingt durch die fehlende Harmonisierung bei direkten Steuern nur bei einer indirekten Steuer erhoben werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Mehrwertsteuer, die idealerweise so transparent gestaltet werden sollte, dass der Bürger den Anteil, der ‚nach Brüssel geht', identifizieren kann.
Zur Finanzierung der Erweiterung der EU betonte sie, dass dazu alle Mitgliedstaaten zu gleichen Teilen gemessen an ihrem BIP beitragen. Der Eindruck sei falsch, dass die Nettokosten der Erweiterung lediglich von den Nettozahlern der EU-15 getragen würden. Nach der Erweiterung sei von den neuen Mitgliedstaaten durchschnittlich ein jährlicher Anteil am EU-Haushalt von 5 Mrd. Euro zu erwarten. Der jährlichen Rücklauf aus Brüssel sei durch die Finanzplanung von Berlin (Agenda 2000) begrenzt. Schreyer erläuterte, dass auch bei einer EU-27 unter Fortschreibung der Ausgaben bis zum Jahre 2010 bei der jetzigen Aufgaben- und Ausgabenstruktur die Obergrenze von 1,27 % des EU-BIP nicht tangiert würde. Das dürfe aber gerade im Lichte neuer Aufgaben der EU (z.B. im Bereich der inneren Sicherheit, Außenpolitik und Verteidigung) kein Freibrief sein, notwendige Reformen in den Politikbereichen zu unterlassen.