Dr. Andreas Reinicke, EU-Sonderbeauftragter für den Friedensprozess im Nahen Osten, Europäischer Auswärtiger Dienst, referierte am 11. Juni 2013 über „Die Rolle des EU-Sonderbeauftragten für den Friedensprozess im Nahen und Mittleren Osten“ im Hotel Maritim, Berlin. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.
Dr. Reinickes Vortrag und die anschließende Diskussionsrunde konzentrierten sich auf zwei Punkte: die generelle Rolle des Sonderbeauftragten in den Außenbeziehungen der EU und die Problematik des Nahost-Konflikts.
Zu Beginn erklärte Dr. Reinicke, dass die Rolle des EU-Sonderbeauftragten im Wesentlichen im Zwischenfeld der 27 Mitgliedsstaaten und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) liege. Der Sonderbeauftragte erhalte sein Mandat von den europäischen Mitgliedstaaten, auf Vorschlag der Hohen Repräsentantin. Ihr müsse er auch regelmäßig Bericht erstatten. Der Sonderbeauftragte verfügte über ein eigenes Büro mit spezialisierten Mitarbeitern und ein eigenes kleines Budget.
Die Präsenz des Sonderbeauftragten sei aufgrund der immer komplexer werdenden internationalen Konflikte wichtig. Die Tatsache, dass es bei der Gründung des EAD nur vier EU-Sonderbeauftragte gegeben hätte und es heute zwölf seien, unterstreiche dies. Im Allgemeinen gelte, dass eine Person für eine Konfliktregion zuständig sei.
Im Wesentlichen habe ein Sonderbeauftragter eine Funktion nach außen und auch eine nach innen. Nach außen hin gelte es, die europäische Außenpolitik medial zu erklären. Dies sei äußerst wichtig, da das europäische außenpolitische System nur sehr schwer zu verstehen sei. Zudem gebe es natürlich auch eine diplomatische Funktion nach außen. Aber im Gegensatz zu den EU-Botschaftern, welche von den Botschaften und Vertretungen aus agierten, arbeitete der Sonderbeauftragte staatenübergreifend in einem regionalen Kontext. Die Rolle nach innen bestehe darin, intensiv mit dem EAD zusammenzuarbeiten. Praktisch bedeute dies, dass etwa 2/3 der Zeit für Reisen benötigt und etwa 1/3 der Arbeiten in Brüssel erledigt würden. Durch den EAD und seinen Analysten in Brüssel erhalte er Hintergrundinformationen, während er Feedback über die Lage vor Ort liefere. Einer der politischen Referenten befinde sich immer in Brüssel, der Sonderberater arbeite komplementär.
Reinicke erläuterte daraufhin die komplizierte politische Lage insbesondere zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten und verwies auf die Vorreiterrolle der EU bei den Friedensinitiativen im Nahen Osten. Als Beispiele hierfür nannte er die Venedig-Erklärung von 1980, in der die EU bereits frühzeitig einstimmig eine Zwei-Staaten-Lösung formuliert habe, die Roadmap für den Friedensprozess und die Gründung des Quartettes aus EU, UN, USA und Russlands. Ein aktuelleres Beispiel sei der EU-2012-Bericht, in dem die EU die israelische Siedlungspolitik als schädlich für den Friedensprozess bezeichnete. Man sehe heute, dass ein einheitliches Auftreten der EU nicht nur Auswirkungen auf die Politik der 27 einzelnen Mitgliedstaaten habe, sondern sogar auf die UNO durch das Abstimmungsverhalten der EU-Mitgliedstaaten und der EU assoziierten Staaten.
Als Sonderbeauftragter führe er die Gespräche mit den Ministern oder den stellvertretenden Ministern der Länder des Nahen und Mittleren Ostens. In der arabischen Welt sei dies jedoch nicht immer einfach, da zunächst in mühseliger Kleinarbeit eine Vertrauensbasis aufgebaut werden müsse.
Der Friedensprozess selbst sei an einem Scheidepunkt angelangt: Wenn nicht bald eine neue Friedensinitiative zustande komme, sei eine Zwei-Staaten-Lösung in Gefahr. Ein möglicher Ausgangspunkt sei die arabische Friedeninitiative. Doch die Rahmenbedingungen hätten sich 2013 stark verändert. Durch die veränderte geopolitische Lage seien alte, festgefahrene Koalitionen in Bewegung gekommen. Hierzu gebe es eine Vielzahl von Beispielen. So öffne sich Ägypten gegenüber Libyen, und auch die Türkei spiele eine besondere Rolle. Zunehmend werde der Einfluss Katars wichtiger, nicht zuletzt aufgrund seiner enormen finanziellen Ressourcen. All dies seien neue geopolitische Spieler, die es einzubinden gelte, vor allem müsse Israel wieder als konstruktiver Mitspieler gewonnen werden. Das Argument, dass ein Friedensvertrag mit einer Verringerung der Sicherheit in Israel einhergehe, ließ Reinicke nicht gelten, da seiner Meinung nach die Siedlungspolitik ein weitaus größeres Sicherheitsrisiko für Israel beinhalte.
Zum Schluss betonte Reinicke, dass der Vorteil der EU ihr Ansehen eines neutralen Vermittlers sei. Dies verleihe ihr einen Vorteil gegenüber Bemühungen einzelner vor allem größerer Mitgliedsstaaten, welche durch ihre koloniale Geschichte entweder einen zu engen oder einen zu geringen Bezug zur Region hätten. Diese internationale Rolle der EU werde in der Eigendarstellung leider nicht richtig vermittelt und sei auch deshalb im Bewusstsein der meisten Europäer viel zu schwach ausgeprägt.
Von: Anna Wartmann