Ministerialdirektor Norbert Seitz, Leiter der Abteilung M: Migration, Flüchtlinge, Europäische Harmonisierung des Bundesministeriums des Innern, sprach am 23. September 2015 in der Vertretung des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund zum Thema: „Eine europäische Flüchtlingspolitik?“. Nach einem Grußwort von Dr. Michael Schneider, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Bevollmächtigter des Landes Sachsen-Anhalt beim Bund, wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.
Der Zeitpunkt des Mittagsgesprächs mit Ministerialdirektor Seitz hätte wohl kaum günstiger liegen können als in einer Woche, in der die Gespräche über eine gemeinsame Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene im Zentrum des Interesses standen. Herr Seitz begann seinen Vortrag mit einer Einbettung in die aktuelle Lage, wobei er sowohl auf die erreichte Einigung zur Verteilung von 120.000 Flüchtlingen innerhalb der EU einging als auch Bezug auf den noch kommenden informellen Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs nahm.
Besonders betonte er die Möglichkeit einer Einrichtung sogenannter „Hotspots“ als Ankunftszentren für Flüchtlinge möglichst zeitnah in Griechenland und Italien, worauf sich die Staats- und Regierungschefs der EU noch in derselben Nacht einigten. Seitz sah darin die Chance, die Flüchtlinge sicher unterbringen und gezielt auf die Länder der Europäischen Union verteilen zu können, um die Staaten mit EU-Außengrenzen zu entlasten. Er betonte aber auch, dass z.B. schon in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder Jordanien über realistische Perspektiven einer Zuwanderung in die EU informiert werden müsse, da man auch so dem gravierenden Problem der illegalen Schleuser entgegenwirken könne.
Wichtig sei es auch, die Aufnahme der Flüchtlinge in geordnete Bahnen zu lenken und für eine gute Integration in den Ankunftsländern zu sorgen. Mit einer Beruhigung der Situation in den Krisengebieten sei vorläufig nicht zu rechnen und daher auch nicht mit einem Rückgang der Flüchtlingszahlen. Mit Blick auf die sehr unterschiedlichen Bildungsniveaus der Flüchtlinge seien Integrations- und Sprachkurse ein wichtiger Anfang, reichten aber nicht immer für eine gelungene Integration. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt müsse bei entsprechenden Sprachkenntnissen gefördert werden, um zu gewährleisten, dass die Neuankömmlinge sich schnell einleben und selbst versorgen können.
Hierbei betonte er den Nutzen eines Erfahrungsaustausches auf europäischer Ebene und die Vorbildfunktion, die Deutschland einnehmen könnte, wenn Integration erfolgreich gelingt. Man habe die Chance, auch kleineren EU-Mitgliedern die Angst vor einem starken Zustrom an Flüchtlingen zu nehmen und gleichzeitig gangbare Wege im Umgang mit dem Flüchtlingsstrom aufzuzeigen.
Es folgte eine angeregte Diskussion mit den Anwesenden, in der es Herrn Seitz gelang, auch emotionale Fragen sachlich zu beantworten sowie Unklarheiten bezüglich der kürzlich getroffenen Quotenregelung zu beseitigen. Er betonte mehrmals die zentrale Bedeutung, eine Struktur in den Alltag der Flüchtlinge zu bringen – auch in den Flüchtlingslagern außerhalb Europas. Auch wenn dies finanzielle Mittel und ein hohes Maß an Kreativität und die Bereitschaft anzupacken erfordere, müsse man – ebenso wie in den einzurichtenden Hotspots – für Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten vor Ort sorgen. Eine Kooperation mit Freiwilligennetzwerken halte er hierbei für gewinnbringend.
Von: Annemarie Hedderich