Bei dem im November 2017 in Göteborg abgehaltenen Sozialgipfel proklamierten die Mitgliedstaaten zusammen mit den europäischen Institutionen die Etablierung einer „Europäischen Säule sozialer Rechte“ (ESSR). Diese soll der Herstellung von Chancengleichheit, der Schaffung fairer Arbeitsbedingungen sowie der Etablierung von sozialem Schutz in der gesamten EU dienen, da sich die wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten innerhalb der Eurozone verschärft haben. Grund hierfür sind unter anderem die massiven Kürzungen der staatlichen Ausgaben im Rahmen der Austeritätsprogramme während der Krise der Währungsunion. Die Kürzungen von Sozialleistungen, Löhnen und Renten führten zusammen mit schwindenden Aufstiegs- und Zukunftschancen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern zu wachsender Unzufriedenheit. Dies konnten populistische Parteien und KandidatInnen für sich nutzen, in dem sie Protektionismus propagierten und soziale Versprechungen machten. Hierin liegen ihre beachtlichen Erfolge bei jüngst abgehaltenen Wahlen.
Ist die ESSR zur Linderung sozialer Ungleichheit in Europa und der damit einhergehenden Probleme geeignet? Das von Prof. Dr. Björn Hacker von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin in Kooperation mit dem Institut für Europäische Politik (IEP) durchgeführte Forschungsprojekt „Reformoptionen für die Weiterentwicklung der sozialen Dimension der Europäischen Union“ soll diese Frage beantworten und zudem weitere Handlungsoptionen zur künftigen Gestaltung der sozialen Dimension der EU identifizieren. Das Forschungsprojekt steht im Kontext der Debatte zur Reform der Europäischen Union, welche 2018 einen Schwerpunkt unserer Arbeit darstellt. Geprüft werden sollen die ersten Schritte zur Implementierung der ESSR. Dabei geht es um einen qualitativen Abgleich der Prämissen der ESSR mit Kriterien für eine soziale Dimension der EU, eine Analyse der Nutzung von Grundsätzen und Indikatoren der ESSR in den etablierten Verfahren politischer Governance der EU sowie um die Identifikation von Positionen zur Weiterentwicklung der Säule bzw. zu alternativen Handlungsoptionen für ein Europäisches Sozialmodell.
Detaillierte Ziele des Forschungsvorhabens
- Um das Potenzial der ESSR zur Linderung von Defiziten der sozialen Dimension der EU zu evaluieren, werden sowohl der Stellenwert der ESSR im Governance-Gefüge als auch die zu ihrer Umsetzung vorgesehenen Instrumente und Mechanismen analysiert.
- Geprüft wird die Verwendung des mit der ESSR verabschiedeten „Social Scoreboards“ und die Bezugnahme auf die Grundsätze der ESSR durch die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten im Europäischen Semester 2018/19.
- Alternativen zur Weiterentwicklung der sozialen Dimension der EU und ihr Stellenwert in den Mitgliedsstaaten sowie in den europäischen Institutionen sollen identifiziert und diskutiert werden.
- Aus den Ergebnissen des Forschungsvorhabens werden konkrete Empfehlungen für die Politik abgeleitet.
Das IEP unterstützt das Forschungsvorhaben insbesondere durch die Präsentation der Forschungsergebnisse und Politikempfehlungen auf seinen Veranstaltungen und gibt so die Möglichkeit zur kritischen Diskussion. Zudem werden die Ergebnisse in IEP-Publikationen veröffentlicht. Über das Netzwerk des IEP können diese ferner in weitere Diskussionen in Wissenschaft und Politik eingespeist werden.
Projektzeitraum
April bis Oktober 2018
Projektteam
Prof. Dr. Björn Hacker, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Berlin | |
Julian Plottka, Institut für Europäische Politik, Berlin |