Johannes Pollaks Beitrag widmet sich dem Thema Energiesicherheit und erläutert das Spannungsfeld aus Marktliberalisierung, Sicherheitspolitik und Klimaschutz, in dem sich die europäische Energiepolitik bewegt. Was aus den Europawahlen über die europäischen Parteiensysteme zu lernen ist, welche Transformationsprozesse im Gange sind und was das für die europäische Integration bedeutet, analysieren Johannes Kohls und Funda Tekin. Ingeborg Tömmel untersucht in ihrem Beitrag die Ziele, Governance-Modi und Effekte der Regional- und Kohäsionspolitik der EU, mit dem Schluss, dass die Unterstützung vor allem aufgrund überbordender Komplexität nicht immer bei den gewünschten Adressaten ankommt. Vom Jahreskolloquium des AEI 2019 zum selben Thema berichtet Michèle Knodt. In seinem Forumsbeitrag stellt Henrik von Homeyer fest, dass die EU eine neue Russlandstrategie benötigt, und erklärt, warum dafür vor allem ein Verständnis der russischen Interessen sowie realistische Zielsetzungen entscheidend sind. Ebenfalls gen Osten blickt Susann Heinecke, die eine neue, ganzheitliche Kommunikationsstrategie für die EU-Zentralasienbeziehungen empfiehlt und konkrete Empfehlungen für diese formuliert. Antonia Labitzky und Manuel Müller fassen die Inhalte und Erfahrungen des 11. Deutsch-Nordisch-Baltischen Forums in Tallinn zusammen, das auf das europapolitisch ereignisreiche Jahr 2019 zurückblickte.
Europas Energiesicherheit: zwischen Binnenmarkt, Interdependenz und strategischen Herausforderungen
Johannes Pollak
Die europäische Energiesicherheit steht spätestens seit Mitte der 2000er Jahre erneut im Fokus der politischen Aufmerksamkeit. Den Versuchen der Europäischen Kommission, die Marktliberalisierung voranzutreiben, stehen nationale Interessen, Verbrauchs- und Produktionsmuster gegenüber. Sieht erstere Energie weitgehend als handelbare Ware an, die der Logik und Regulierung des Binnenmarktes unterliegen soll, halten letztere am Verständnis von Energie als strategischem Gut fest. Ergänzt um die Sorge bezüglich der verheerenden Auswirkungen der Klimakrise steht die Energiepolitik vor mannigfaltigen Herausforderungen: der Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten insbesondere aus Russland, ohne den östlichen Nachbarn zu destabilisieren, weiteren Investitionen in eine resiliente Energieinfrastruktur innerhalb und außerhalb der Europäischen Union und der Erfüllung der im Pariser Abkommen eingegangenen Verpflichtung der Emissionsreduktion – um nur einige zu nennen. Der Beitrag widmet sich zuerst der Frage nach der Definition von Energiesicherheit und führt sodann Beispiele für den gegenwärtigen Stand der Energiesicherheit Europas an.
Transformationsprozesse in den europäischen Parteiensystemen und ihre Folgen für die Zukunft der Europäischen Union
Johannes Kohls und Funda Tekin
Transformationsprozesse auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene sind entscheidende Faktoren für den zukünftigen Integrationsprozess der Europäischen Union. Unter den Mitgliedstaaten zeigen sich höchst variable Ursachen für den Wandel, aus denen das Inklusions-Exklusions-Cleavage heraussticht. Zudem erweisen sich die paneuropäischen Krisen der letzten Jahre als Katalysatoren der Transformation europäischer Gesellschaften und Parteiensysteme, welche auch durch neue Kommunikationsstrukturen vorangetrieben wird. Die Europawahlen selbst stellten zwar entgegen vielen Befürchtungen kein „Erdbeben“ für den europäischen Integrationsprozess dar, allerdings werden die Mehrheitsfindung und die Regierungsbildung erschwert. Als divers haben sich die für die Europawahlen 2019 prägenden Wahlkampfthemen herausgestellt. Die Umwelt- und Klimapolitik kann nicht europaweit zu den für die Wahlen entscheidenden Themen gezählt werden.
Die Regional- und Kohäsionspolitik der EU: Strukturhilfen für Fördergebiete oder Joker der Integration?
Ingeborg Tömmel
In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die Regional- und Kohäsionspolitik der Europäischen Union (EU) den Fördergebieten und insbesondere ihren BürgerInnen zugutekommt. Dazu werden drei Dimensionen der europäischen Politik analysiert: ihre Zielsetzungen, ihre Governance-Modi sowie ihre Effekte. Die Analyse führt zu folgenden Ergebnissen: Die Zielsetzungen der EU-Politik sind überkomplex, weil zu viele und teilweise widersprüchliche Interessen in sie einfließen; es besteht eine tiefe Kluft zwischen den modernen, auf Prozesssteuerung basierenden Governance-Modi der EU und den eher traditionellen, Top-down-Steuerungsmustern in den Mitgliedstaaten, was zu vielfältigen Friktionen zwischen den Verwaltungsebenen führt; die Effekte dieser Politik kommen allenfalls begrenzt den BürgerInnen zugute. Der Beitrag schließt mit einigen Reformempfehlungen, die sich sowohl auf die europäische Ebene als auch auf die Mitgliedstaaten beziehen.
Jurten, Terroristen, Öl und Gas – Elemente einer Kommunikationsstrategie für Zentralasien
Susann Heinecke
Angesichts der begrenzten Wahrnehmung Zentralasiens in der europäischen Öffentlichkeit und der gleichzeitig zunehmenden Bedeutung der Region für Europa skizziert der Beitrag eine Kommunikationsstrategie für die Darstellung und Förderung Zentralasiens in Europa. Ziel ist es, Stakeholdern der EU-Zentralasien-Beziehungen in Politik, Bildung, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft Empfehlungen an die Hand zu geben, wie sie zu einem besseren Verständnis Zentralasiens in der europäischen Öffentlichkeit beitragen können. Die Strategie entwickelt ein mögliches gemeinsames Narrativ von Zentralasien und schlägt konkrete Maßnahmen für die relevanten Stakeholder vor.
No Time to Relax – wie eine neue EU-Russlandstrategie aussehen sollte
Henrik von Homeyer
Nach jahrelanger Krise gab es 2019 vorsichtige Anzeichen für eine mögliche Entspannung in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und Russland. Lautester Fürsprecher einer Annäherung der beiden Akteure ist der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Aus seiner Sicht können europäische Sicherheit und Souveränität nur gemeinsam mit Russland gesichert werden. Jedoch zeugt Macrons Vorschlag von einem Unverständnis für den Ursprung der Krise in den EU-Russland-Beziehungen sowie für Russlands außenpolitische Interessen und Motive. Sein Ruf nach einer neuen EU-Russlandstrategie bleibt aber richtig und wichtig. Diese neue Strategie muss russische außenpolitische Interessen verstehen und einbeziehen, europäische Interessen definieren und realistische Ziele setzen.
Tagungen
Im Angesicht neuer Bedrohungen: Herausforderungen für die europäische Innen- und Außenpolitik
Antonia Labitzky und Manuel Müller
Arbeitskreis Europäische Integration
Die Zukunft der Regional- und Kohäsionspolitik zwischen regionaler Unterstützung und Rechtsstaatskonditionalität
Michèle Knodt