Am 5. April 2018 fand am Institut für Europäische Politik in Berlin das nunmehr sechste Ukraine-Frühstücksgespräch im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) statt. Dieses Mal beleuchtete Vladyslav Herasymenko vom Think Tank TEXTY.org.ua die Situation von Open Data in der Ukraine und diskutierte mit den Gästen über Herausforderungen und Chancen bei der Bereitstellung von Open Data und deren Bedeutung für den ukrainischen Reformprozess.
Zu Beginn seiner Präsentation ging Herasymenko auf die Tätigkeitsfelder seiner Organisation ein, die in der Analyse öffentlich zugänglicher Daten, in Datenjournalismus, in der Ausbildung von Open Data-AktivistInnen sowie der Unterstützung von Regierungsinstitutionen bei der Veröffentlichung von Daten liegen. Bedeutende Projekte umfassten eine Kooperation mit der ukrainischen Eisenbahngesellschaft zur Analyse der Schienenverkehrswege und die Aufdeckung korrupter Praktiken im System öffentlicher Parkplätze in Kiew anhand der Auswertung städtischer Kameras.
Den ersten Schritt in Richtung Open Data in der Ukraine sieht Herasymenko im Gesetz „Über den Zugang zu öffentlichen Informationen“ aus dem Jahr 2011, das vorsah, Personen auf Anfrage Zugang zu erhobenen Daten zu gewähren.
Nach dem Euromajdan und insbesondere ab dem Jahr 2015 konnten in dieser Hinsicht Fortschritte verzeichnet werden. So seien neben Datenportalen – etwa dem Datenportal der Regierung – das elektronische System öffentlicher Ausschreibungen „ProZorro“ sowie die elektronischen Vermögensdeklarationen für Abgeordnete und BeamtInnen „e-declarations“ gestartet worden. Erweitert werde die staatliche Datenbereitstellung zudem durch zivilgesellschaftliche Initiativen, die Daten etwa zu ukrainischen Unternehmen veröffentlichten oder elektronische Deklarationen analysierten. So stieg die Ukraine dank der Fortschritte in der Zugänglichkeit von Daten auf den 31. Platz (2016) des Open Data Index (2015: 54. Platz) auf. Besonders in drei von 15 Kategorien (Regierungshaushalt, Nationale Gesetzgebung sowie Firmenregister) sind 100% der Zugänglichkeitskriterien erfüllt.
Herausforderungen bei amtlichen Statistiken auf regionaler und nationaler Ebene zeigten sich, so Herasymenko, insbesondere in der unzureichenden Kontrolle der Datenaktualität und in der fehlenden juristischen Verantwortlichkeit für zurückgehaltene oder unvollständige Daten. Auch seien die Kompetenzen in Bezug auf die Nutzung der öffentlich zugänglichen Daten und ein Verständnis für die große Bedeutung von Open Data nicht ausreichend ausgebildet – sowohl unter BeamtInnen als auch unter den BürgerInnen.
In der sich an den Vortrag anschließenden offenen Diskussion zeigten sich die Gäste des Frühstücksgesprächs, vornehmlich aus dem akademischen, journalistischen sowie diplomatischen Umfeld, besonders interessiert an Kooperationsfeldern zwischen der Zivilgesellschaft und den Behörden in Bezug auf Open Data. In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls auf die Frage eingegangen, wie bedeutsam die Rolle von Organisationen wie TEXTY.org.ua sei und inwiefern deren Arbeit durch westliche Geberorganisationen unterstützt werden könne, um Transparenz, zivilgesellschaftliche Kontrolle und den freien Zugang zu Informationen zu fördern.
Vladyslav Herasymenko ist Analyst, Programmierer und Datenjournalist bei TEXTY.org.ua und spezialisiert auf Datenverarbeitung, Analyse und interaktive Visualisierung. TEXTY.org.ua stärkt als Plattform für Datenjournalismus die Transparenz der ukrainischen Verwaltung und trägt zu fundierter Entscheidungsfindung bei, indem große Datenmengen analysiert und durch Visualisierung einer breiten Masse zugänglich gemacht werden. In ihren Publikationen befasst sich TEXTY.org.ua unter anderem mit Daten zu der Verwendung öffentlicher Gelder, Bildung, Wahlen, Transport, Urbanistik und Kommunikation.
Die im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) stattfindenden Frühstücksgespräche sind konzipiert als Ukraine-Fachgespräch, bei dem ExpertInnen und VertreterInnen ukrainischer Think Tanks Vorträge über eine aktuelle Thematik halten, die anschließend detailliert bei Croissants und Kaffee mit den Gästen diskutiert wird.
Das Projekt „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) wird vom Institut für Europäische Politik e.V. (IEP, Berlin) in Zusammenarbeit mit der International Renaissance Foundation (IRF, Kiew), der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF, Kiew) und der Denkfabriken-Initiative think twice UA (Kiew) mit Unterstützung des Auswärtigen Amts in den Jahren 2017–2018 durchgeführt.