Am 14. Dezember 2017, fand das dritte Ukraine-Frühstücksgespräch des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) am Institut für Europäische Politik in Berlin statt. Das im September 2017 verabschiedete Gesetz „Zur Bildung“ stand dieses Mal im Mittelpunkt der Diskussion. Yegor Stadny vom Think Tank CEDOS führte in die wesentlichen Punkte des Bildungsgesetzes und der Bildungsreform in der Ukraine ein und sprach über Erfolge und Schwierigkeiten.
Im Rahmen des Vortrags wurde auf drei Haupthemen eingegangen: Reformen im Bereich Schul- und Hochschulbildung sowie die Entscheidung der Venedig-Kommission vom 11. Dezember 2017 zum Art. 7 des Bildungsgesetzes, das die Unterrichtssprache in der Schulbildung regelt.
Die Reform im Bereich Schulbildung soll das Niveau der Lehre in Schulen nachhaltig steigern und sieht tiefgreifende Veränderungen in verschiedenen Sektoren vor. Die Schulbildung wird von 11 auf 12 Jahre erhöht und neue Kompetenzen wie kritisches Denken und soziale Kompetenzen werden gefördert. Die Reform sieht die Reduzierung von Schulen in dörflichen Gebieten vor, da die Schulen in dünn besiedelten Gebieten sehr oft über eine geringe Schülerzahl verfügen und unter niedriger Qualität des Unterrichts leiden. Durch das Einrichten von Hub-Schools sollen rurale Schulen gebündelt und so zur Qualität der Schulbildung beigetragen werden. Begleitend wurde bereits der Lernstoff aktualisiert und das Lehrkräftegehalt fast verdoppelt, um den Lehrberuf attraktiver für junge Leute zu machen.
Im Hochschulbereich bekommen Universitäten höhere Autonomie zugesprochen und Studierende können zunehmend über die Kurswahl ihres Studiums entscheiden. Durch externe Bewerbungstests für Masterstudiengänge, insbesondere im Bereich der Rechtswissenschaften, soll der Bestechung Einhalt geboten werden. Als positives Beispiel gilt hier noch die im Jahr 2004 eingeführte externe unabhängige Prüfung für Abiturienten, die die Korruption im Bereich Hochschulbildung stark reduziert hat. Außerdem werden die ministeriellen Zuständigkeiten neu strukturiert, um das Bildungssystem effizienter zu machen. Als Herausforderung bleibt die Tatsache, dass Universitäten auf die Quantität von Studierenden und nicht auf die Qualität des Unterrichts achten und die Nationale Qualitätsagentur ihre Arbeit noch nicht aufgenommen hat.
Als drittes Thema sprach Stadny über den Artikel 7 des Bildungsgesetzes, der die Sprachverwendung in der Bildung regelt. Die Venedig-Kommission hat ihre Entscheidung diesbezüglich am 11. Dezember bereits veröffentlicht, die in der Ukraine zum größten Teil als positiv wahrgenommen wurde. Das ukrainische Bildungsministerium hat darauf das Unterrichtsmodell für Minderheitensprachen vorgeschlagen, das drei Optionen vorsieht und sich auf Sprachen der Urbevölkerung (vornehmlich Krimtatarisch), EU-Minderheitensprachen und das Russische bezieht.
Die TeilnehmerInnen des Expertengesprächs zeigten sich besonders interessiert an der Durchführbarkeit der Reformen. Die diskutierten Fragen drehten sich u. a. um die Frage nach der Balance der Zuständigkeiten zwischen der zentralen und der lokalen Regierung, die aufgrund des Dezentralisierungsprozesses entstanden ist, der Kooperationsbereitschaft des Lehrpersonals und den Ausbau der Forschungstätigkeit an Universitäten, sowie den deutsch-ukrainischen Kooperationsmöglichkeiten im Bereich Bildung. Weitere Themen, die auch intensiv diskutiert wurden, betrafen die Integration der Binnenflüchtlinge in das Bildungssystem der Ukraine, die Lage der Universitäten, die aufgrund des Konflikts im Osten versetzt wurden, und die Entwicklung der Berufsbildung in der Ukraine.
Yegor Stadny ist Policy Analyst beim Think Tank CEDOS in Kiew. CEDOS analysiert politische Prozesse in den Bereichen Bildung, Migration und Stadtentwicklung. Das vorab veröffentlichte „Klartext“-Interview mit Yegor Stadny zum Thema Bildungsreform finden Sie hier.
Die im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) stattfindenden Frühstücksgespräche sind konzipiert als Ukraine-Fachgespräch, bei dem ExpertInnen und VertreterInnen ukrainischer Think Tanks Vorträge über eine aktuelle Thematik halten, die anschließend detailliert mit den Gästen bei Croissants und Kaffee diskutiert wird.
Das Projekt „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) wird vom Institut für Europäische Politik e.V. (IEP, Berlin) in Zusammenarbeit mit der International Renaissance Foundation (IRF, Kiew), der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF, Kiew) und der Denkfabriken-Initiative „think twice UA“ (Kiew) mit Unterstützung des Auswärtigen Amts in den Jahren 2017–2018 durchgeführt.