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14. Ukraine-Frühstücksgespräch: „Die Justizreform und der Kampf gegen Korruption in den ukrainischen Regionen“
30.06.2020

Am 15. Juli 2019 fand am Institut für Europäische Politik das 14. Ukraine-Frühstückgespräch im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) statt. Mit den Expertinnen Iryna Shyba, Geschäftsführerin der DEJURE Foundation aus Kyjiw und Oksana Huss, Post-Doktorandin an der Universität Leiden ...

Am 15. Juli 2019 fand am Institut für Europäische Politik das 14. Ukraine-Frühstückgespräch im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) statt.

Mit den Expertinnen Iryna Shyba, Geschäftsführerin der DEJURE Foundation aus Kyjiw und Oksana Huss, Post-Doktorandin an der Universität Leiden und Mitbegründerin des Interdisciplinary Corruption Research Networks (ICR Network), diskutierten unsere Gäste zum Thema „The Fight Against Corruption in Ukraine: The Role of the Judicial System and Regional Civil Society Organizations“.

Als eines der schwierigsten Unterfangen für die Ukraine galt seit jeher, das Land von Korruption und Vetternwirtschaft zu befreien. In einem funktionierenden Staatswesen sind Strafverfolgungsbehörden und Gerichte dafür zuständig, Korruption aufzudecken und zu bestrafen. In der Ukraine hingegen waren die Gerichte nach der Unabhängigkeit 1991 – wie in vielen anderen post-sowjetischen Staaten auch – selbst Zentren der Korruption. Die Glaubwürdigkeit des Richteramts hat hierdurch enormen Schaden genommen – weniger als 10% der Bevölkerung haben Vertrauen in die Justiz. Als wesentliche Forderung des Euromaidan 2013/2014 wurde schließlich eine Justizreform initiiert, welche das ukrainische Justizsystem europäischen Standards annähern und die Rechtstaatlichkeit stärken soll.

Bereits im Jahr 2015 wurden Kompetenzen zur Ernennung und Entlassung von Richter:innen, die vormalig dem Präsidenten und dem Parlament oblagen, der High Qualification Commission of Judges (HQCJ) und dem Hohen Justizrat übertragen, welche sich ihrerseits aus Richter:innen zusammensetzen. Dies soll die politische Unabhängigkeit der ukrainischen Richter:innen garantieren. Andererseits birgt der Vorschlag von Richter:innen durch dieselbe Berufsgruppe selbst einige Risiken. Viele ukrainische Expert:innen plädieren jetzt dafür, die zur Ernennung von Richtern zuständige Kommission zu mindestens 50% durch Anwält:innen, Menschenrechtler:innen, Akademiker:innen und Journalist:innen zu besetzen, die von zivilgesellschaftliche Organisationen nominiert werden. Außerdem sollten alle Kandidat:innen von internationalen Expert:innen geprüft und ausschließlich durch eine elektronische Wahl bestätigt werden, um größtmögliche Anonymität im Auswahlverfahren zu gewährleisten. Mit der Kampagne „The Agenda for Justice“ der DEJURE Foundation wird im derzeit stattfindenden Parlamentswahlkampf politische Unterstützung für diese und weitere Vorhaben zur Korruptionsbekämpfung gesammelt.

Ein weiterer Fokus des Frühstücksgesprächs lag auf der Korruptionsbekämpfung in den ukrainischen Regionen. Zwar gelang dem ukrainischen Staat durch die Etablierung des Hohen Antikorruptionsgerichts und des Nationalen Korruptionsbekämpfungsbüros Anfang 2019 die Schaffung einer wesentlichen Struktur im Kampf gegen die Korruption im Land. Als Nebenwirkung der Dezentralisierungsreform verschoben sich korrupte Praktiken allerdings vom Zentrum in die Peripherie und stellen nun lokale Antikorruptionsaktivist:innen vor große Herausforderungen. Im Rahmen des Frühstücksgesprächs wurde auf die Kontextfaktoren eingegangen, die für den Erfolg regionaler Antikorruptionsaktivist:innen verantwortlich sind. Es wurden auch die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Civil Society against Corruption in Ukraine: Political Roles, Advocacy, Strategies and Impact” vorgestellt. Wesentliche Faktoren seien demnach der politische Wille zur Kooperation lokaler Eliten sowie deren (informeller) Wettbewerb und Zentralisierungsgrad, der jeweils verschiedene Strategien erfordere. So wurde in der Studie festgesellt, dass drei Korruptionsschemata in der Ukraine existieren, die als monopolisiertes, zentralisertes und dezentralsiertes System bezeichnet werden können. Dies hat wiederum einen Einfluss auf Ansätze der Förderung von Antikorruptionsorganisationen und der Zusammenarbeit mit dem Staat. Die Daten zeigten, dass konfrontatives Vorgehen in einem der Korruptionssysteme zum Erfolg führen könne, in einem anderen jedoch kooperative Methoden, d.h. mehr Zusammenarbeit mit dem Staat, erfolgreicher seien. Außerdem zeigten sich auf Seiten der zivilgesellschaftlichen Organisationen fehlende (finanzielle) Ressourcen und mangelnde öffentliche Unterstützung als größte Hindernisse für erfolgreiche Korruptionsbekämpfung, die durch institutionelle Förderung und Kooperation mit Organisationen mit großen Kapazitäten kompensiert werden könnten. Insgesamt ließ sich schlussfolgern, dass internationale Geldgeber ihre Förderpraxis in einigen Fällen überdenken sollten.

Das Forschungsprojekt entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Leiden und dem Anti-Corruption Research and Education Centre der Kiewer Mohyla Academy (ACREC, Kyjiw) und wurde und von der Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO, Den Haag) gefördert.

Die im Rahmen des Projekts „Platform for Analytics and Intercultural Communication“ (PAIC) stattfindenden Frühstücksgespräche sind konzipiert als Ukraine-Fachgespräch, bei dem ExpertInnen und Vertreter:innen ukrainischer Think-Tanks Vorträge über eine aktuelle Thematik halten, die anschließend detailliert mit den Gästen bei Croissants und Kaffee diskutiert wird. Das Projekt PAIC sieht die Förderung der ukrainischen Think-Tank-Szene und den Austausch zwischen deutschen und ukrainischen Forschungsinstitutionen vor. Das Projekt wird vom Institut für Europäische Politik (IEP, Berlin) in Zusammenarbeit mit der Ilko Kucheriv Democratic Initiatives Foundation (DIF, Kyjiw) und der Denkfabriken-Initiative think twice UA (Kyjiw) mit Unterstützung des Auswärtigen Amts durchgeführt.

Über das GURN – German Ukrainian Researchers Network Projekt: Die Zusammenarbeit zwischen Think-Tanks und Politik soll gestärkt werden. Schwerpunkte von GURN sind Wissenstransfer, Capacity Building und bilateraler Dialog. Über aktuelle Entwicklungen und die deutsch-ukrainischen Beziehungen wird sich in vielfältigen Formaten ausgetauscht.

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