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integration 2/20
30.06.2020

Inga Kjer / IEP
Inga Kjer / IEP

Strategien und Lehren der Brexit-Verhandlungen, dem Für und Wider einer (de)zentralisierten Europäischen Fiskalunion, den Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, der EU-Gleichstellungsstrategie sowie Europaskeptizismus und Demokratieabbau sind Themen dieser Ausgabe.

Nicolai von Ondarza analysiert den Ansatz der Europäischen Union (EU) in den Brexit-Verhandlungen und begründet den Achtungserfolg vor allem mit der ungewohnten Einigkeit der EU-27 und der geschickten Strukturierung der Gespräche unter Führung Michel Barniers. Warum sich die Euro-Staaten bei der Reform der Währungsunion hin zu einer Fiskalunion so schwertun und warum die COVID-19-Pandemie weiteren Druck auf die Entscheidungsträger ausübt, erklärt Friedrich Heinemann. Der Beitrag von Sonja Priebus und Lisa H. Anders widmet sich den rechtstaatsbezogenen Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn und stellt ihnen ein gemischtes Zeugnis aus. Ungarn steht neben Polen auch im Mittelpunkt des Forumsbeitrags von Manuel Müller, der den Machtaus- und Demokratieabbau durch die dortigen Regierungen beschreibt und erläutert, warum sich die EU mit einer adäquaten Antwort schwertut. Einen europaweiten und doch individuellen Blick auf das Phänomen Europaskeptizismus nehmen Michael Kaeding, Johannes Pollak und Paul Schmidt ein und berichten von vielfältigen Variationen, aber auch gewissen Mustern. Gabriele Abels prüft die neue EU-Gleichstellungsstrategie auf Herz und Nieren und diskutiert, inwiefern die Kommission unter Führung Ursula von der Leyens deren Anspruch einer „Union der Gleichheit“ gerecht wird. Michèle Knodt berichtet für den Arbeitskreis Europäische Integration vom internationalen Workshop des Jean Monnet Network on EU-Canada Relations unter dem Motto „New Opportunities for the EU-Canada Strategic Partnership“.

Die „Methode Barnier“ – Lehren aus der Verhandlungsführung der EU beim Brexit

Nicolai von Ondarza

Die Brexit-Verhandlungen waren für die Europäische Union (EU) politisches und institutionelles Neuland. Diese Analyse zeigt auf, wie es der EU mit einer neuen institutionellen Herangehensweise gelungen ist, ungewohnt einig gegenüber „London“ aufzutreten. Die „Methode Barnier“ zeichnet sich durch fünf Elemente aus: ein politisches Mandat vom Europäischen Rat, die alleinige Verhandlungsführung durch den in der Europäischen Kommission angesiedelten Michel Barnier, eine sehr enge Abstimmung mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament sowie eine hohe Transparenz. Daraus lassen sich auch Lehren für die nächste Phase der Brexit-Verhandlungen und die Beziehungen der EU zu anderen Drittstaaten ableiten.

Die Währungsunion benötigt eine Fiskalunion – aber welche? Eine Analyse der Euro-Reformblockade

Friedrich Heinemann

Obwohl die Eurozone eine Phase umfassender Reformen durchlaufen hat, fehlt es ihren Fiskalinstitutionen immer noch an einer konsistenten Ausgestaltung. Dieser Beitrag untersucht, wie die Auseinandersetzung zwischen zwei Modellen einer Europäischen Fiskalunion (EFU) den Fortgang des Reformprozesses lähmt. Dabei steht auf der einen Seite eine zentralisierte EFU mit einem umfassenden Arsenal an neuen europäischen Fiskalinstrumenten, die dem Gedanken wechselseitiger Absicherung verpflichtet ist, und auf der anderen Seite eine dezentralisierte EFU, die Marktdisziplin und fiskalische Eigenverantwortung durch eine Insolvenzordnung für Staaten vorantreiben will. Der Beitrag identifiziert die wichtigsten Befürworter beider Modelle: Die Europäische Kommission favorisiert gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und den höher verschuldeten Staaten die zentralisierte EFU; niedriger verschuldete Staaten wie die der Hanse-Liga und Deutschland setzen sich für die dezentralisierte EFU ein. Dieser Konflikt erklärt, warum umfassende Kommissionsinitiativen entweder in der Euro-Gruppe stark abgeschwächt werden oder komplett scheitern. Reformpakete, die zentrale Elemente beider Modelle kombinieren, könnten einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten. Allerdings fehlt es den Mitgliedstaaten zunehmend am wechselseitigen Vertrauen, das für ein solch umfassendes Kompromisspaket notwendig ist. Die neue schwere ökonomische und fiskalische Krise, die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöst wurde, könnte die Entscheidung über die finale Gestalt der EFU herbeiführen.

Volltext

Rechtliche Lösungen für politische Konflikte? Rechtsstaatsbezogene Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn

Sonja Priebus und Lisa H. Anders

In jüngster Zeit ist das Interesse an Vertragsverletzungsverfahren als Instrument gegen den Rückbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) wieder gestiegen. Vor diesem Hintergrund analysiert der vorliegende Beitrag alle sieben seit 2010 gegen Ungarn eingeleiteten rechtsstaatsbezogenen Vertragsverletzungsverfahren. Er untersucht, wie die Europäische Kommission die Einleitung der Verfahren begründete und wie die ungarische Regierung hierauf rechtlich und in ihrer öffentlichen Kommunikation reagierte. Es wird gezeigt, dass die Europäische Kommission in der Mehrheit der Fälle durchaus klare Bezüge zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit herstellte. Entgegen der in der Literatur verbreiteten Annahme führen Vertragsverletzungsverfahren also nicht zu einer Fehlkategorisierung der Rechtsstaatlichkeitsprobleme. Gleichwohl konnten die Verfahren die ungarische Regierung nicht von ihren umstrittenen Reformen abbringen. Ebenso vermochten sie nicht, die Konflikte über die EU-Grundwerte zu depolitisieren.

Europaskeptizismus und die Zukunft Europas. Ansichten aus den Hauptstädten

Michael Kaeding, Johannes Pollak und Paul Schmidt

Basierend auf einem neuen Sammelband zur Zukunft Europas im Lichte des Europaskeptizismus beleuchtet dieser Beitrag, wie sich die zunehmende Prominenz der europaskeptischen und nationalistischen Parteien auf das Denken der Mainstream-Parteien sowie ihrer VertreterInnen im Europäischen Parlament und auf die Zukunft der europäischen Integration auswirkt. Der Sammelband ist zeitlich so angesetzt, dass seine Veröffentlichung mit der strategischen Vision von Europäischem Rat, Rat, Kommission und Parlament sowie mit der nächsten Phase der Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich und der Konferenz zur Zukunft Europas zusammenfällt. Es werden 39 nationale Perspektiven aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie aus europäischen Nachbarländern und potenziellen Bewerberländern kartographiert und analysiert.

„The beginning of a new chapter“? Eine Einordnung der neuen EU-Gleichstellungsstrategie 2020–2025

Gabriele Abels

Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein wichtiger Bestandteil der ambitionierten politischen Agenda der neuen Präsidentin der Europäischen Kommission. Nach Jahren der Stagnation soll das Politikfeld neuen Schwung bekommen: Eine „Union der Gleichheit“ ist das Leitbild. Als Teil des Arbeitsprogramms für die ersten 100 Tage ihrer Amtszeit legte die Kommission im März 2020 ihre „Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020–2025“ vor. In dem Beitrag wird zunächst der Stellenwert einer umfassenden Gleichstellungspolitik für die Kommission erläutert und in die bisherige Entwicklung des Politikfelds eingebettet. Die Strategie mit ihren sechs Zielen wird vorgestellt und eingeordnet, nicht zuletzt im Hinblick auf ihre realpolitische Umsetzbarkeit im Kontext zunehmender Fragmentierung und Polarisierung im Rat und im Europäischen Parlament. Die deutsche Ratspräsidentschaft wird für ihre Umsetzung eine wichtige Rolle spielen.

Demokratieabbau in Zeiten der Pandemie: zur Reaktion der EU auf die Fälle Ungarn und Polen

Manuel Müller

Die COVID-19-Pandemie stellt nicht nur die finanzielle Solidarität, sondern auch die gemeinsame Wertegrundlage der Europäischen Union (EU) auf die Probe: In Ungarn wie in Polen nutzen die Regierungen die Lage, um demokratische Prinzipien zu untergraben und ihre eigene Machtposition auszubauen. Der EU fällt die Antwort darauf – wieder einmal – schwer. Während das Europäische Parlament zwar klare Worte findet, aber kaum konkrete Handlungsmöglichkeiten besitzt, geben sich die meisten nationalen Regierungen zurückhaltend. Auch die Europäische Kommission äußert zwar Besorgnis, will jedoch keine unmittelbaren Gegenmaßnahmen ergreifen.

Arbeitskreis Europäische Integration

Dialog unter Freunden – zu den EU-Kanada-Beziehungen

Michèle Knodt

Team & Autor:innen

Über das integration Projekt: Die Vierteljahreszeitschrift "integration" ist ein theoriegeleitetes und politikbezogenes interdisziplinäres Forum zu Grundsatzfragen der europäischen Integration. Aktuelles aus der Europapolitik wird aus politischer und akademischer Perspektive diskutiert.

ISSN/ISBN: 0720–5120
Bild Copyright: Inga Kjer / IEP