Am 30. Juni 2009 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sein Urteil zum Vertrag von Lissabon verkündet. Die Karlsruher Richter haben entschieden, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon und die damit verbundene Verfassungsänderung im Kontext der neuen Subsidiaritätsklage des Bundestages mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Begleitgesetz, mit dem die neuen Rechte des Bundestages und des Bundesrates nach dem Lissabonner Vertrag eingerichtet werden sollten, verstößt aber gegen Art. 38 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 23 Abs. 1 GG. Die Mitwirkungsrechte des Bundestages und des Bundesrates in europäischen Rechtsetzungs- und Vertragsveränderungsverfahren seien nicht in dem verfassungsrechtlich gebotenen Maße ausgestaltet. Erst nach Inkrafttreten des neugefassten Begleitgesetzes kann die Ratifikationsurkunde hinterlegt werden.
Zwei Wochen nach der Urteilsverkündung diskutierte der Verfassungs- und Europarechtler Prof. Dr. Franz Mayer, Prozessbevollmächtigter des Bundestages im Lissabon-Verfahren, das Urteil mit den Teilnehmern eines Mittagsgespräches des IEP.
Einleitung: Rashomon in Karlsruhe?
Als Ausgangspunkt wählte Mayer einen Klassiker des japanischen Films, um die Vielschichtigkeit und Komplexität des Urteils zu veranschaulichen.