Elmar Brok, MdEP, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments referierte am 15. April in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin über das Thema „Die Europäische Union vor neuen Herausforderungen: Transatlantischer Freihandel, intensivierte Nachbarschaftspolitik, gemeinsame Krisenintervention“. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.
Am 15. April 2013 referierte vor ca. 200 Teilnehmern Elmar Brok, MdEP, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des Europäischen Parlaments, zur geplanten transatlantischen Freihandelszone, der intensivierten Nachbarschaftspolitik und der EU-Krisenintervention. Er unterstrich bei dieser Gelegenheit mit Blick auf einige interessante Entwicklungen in den EU-Außenbeziehungen, wie wichtig es für die Regierungen der Mitgliedstaaten sei, die positiven Aspekte der EU mehr herauszustreichen. Dies gelte für die Außenbeziehungen genauso wie für die innere Krise der EU. Mit den neuen Instrumenten zur Bewältigung der Krise in der Eurozone und den neuen Haushalts- und Überwachungsverfahren habe man auf europäischer Ebene mehr erreicht als es für die zentralstaatliche Ebene im deutschen Föderalismus der Fall sei. Dies müsse viel deutlicher in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Hinsichtlich der aktuellen Bewältigung der Zypernkrise betonte er, dass alle Mitgliedstaaten der EU gleichwertig seien. Zypern müsse deshalb eindeutig unterstützt werden. Auf keinen Fall dürfe ein Staat, der in Schwierigkeiten geraten sei, nicht gerettet werden, weil er wirtschaftlich zu unbedeutend sei. Dies steigere nur das Misstrauen zwischen den Mitgliedstaaten und gefährde den europäischen Binnenmarkt.
Zum Projekt einer transatlantischen Freihandelszone führte Brok aus, dass die EU mit 27–28 Prozent den größten Anteil am Welt-BIP habe. Auch was die Staatsverschuldung angehe, stehe die EU bei weitem besser da als etwa Japan oder die USA. Man könne demnach mit viel Selbstvertrauen in die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen gehen. Wichtig sei es, nach dem Bericht der High-Level Group im Sommer dieses Jahres mit den Verhandlungen zu beginnen, auch wenn diese in den Bereichen Normen und Standards oder Landwirtschaft nicht einfach würden. Aber alleine die tarifären Handelshemmnisse machten noch 10 Prozent des gemeinsamen Handels aus und könnten vollständig abgebaut werden. Eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) würde für die EU jährlich ein zusätzliches Wachstum von 0,5 Prozent und einen Anstieg des EU-BIP um 86 Mrd. Euro bedeuten. Ein solcher schwergewichtiger Wirtschaftsraum mit 800 Mio. Konsumenten würde nahezu die Hälfte des Welt-BIP auf sich vereinigen und dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen.
Kritisch äußerte sich Brok zur Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP), die nicht gut funktioniere. In der östlichen Dimension würden die EU-Mitgliedstaaten die Integrationskonkurrenz mit Moskau, dessen imperiale Bestrebungen langsam greifen würden, völlig unterschätzen. Von demokratischer Reformpolitik in den östlichen Partnerstaaten könne kaum gesprochen werden und das vergangene Jahrzehnt sei in dieser Hinsicht praktisch verlorene Zeit.
Das bereits ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der Ukraine sei ein wichtiger Baustein für die Entwicklung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und diesem Land, aber es könne nur unterzeichnet und ratifiziert werden, wenn Kiew nicht gleichzeitig auf das Angebot einer Freihandelszone mit Moskau eingehe. Freihandel in beide Richtungen schließe sich aus. In der Süddimension der ENP sei noch vieles in den arabischen Staaten im Umbruch. Ein Problem bestehe nach wie vor in den nationalen Reflexen der Europäer, statt wirklich gemeinsam vorzugehen. Vorschlägen, die darauf zielten, der Hohen Vertreterin die ENP vollständig zu übertragen, erteilte Brok mit dem Hinweis eine Absage, dass Bereiche, die schon einen relativ hohen Grad an Vergemeinschaftung aufwiesen, nicht wieder vollständig reintergou-vernementalisiert werden sollten.
Andererseits unterstrich Brok nachdrücklich die Notwendigkeit eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD). Dieser stecke zwar immer noch in den Kinderschuhen und es gebe nach wie vor Spannungen zwischen Kommission und EAD. Zudem diskutierten die PSK-Botschafter zu lange und die Beschlussfindung leide am Einstimmigkeitsprinzip. Dennoch glaube er an die langfristige Erfolgsgeschichte des EAD. In keinem Land der Erde sei es gelungen, innerhalb von zwei bis drei Jahren den Aufbau eines Auswärtigen Dienstes erfolgreich zu bewerkstelligen. Er plädierte deswegen dafür, die Überprüfung des EAD und seiner Funktionsmechanismen wie auch der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik abzuwarten und der Entwicklung der Strukturen der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik längerfristig eine Chance zu geben.
Hinsichtlich der EU-Krisenintervention und der GSVP bedauerte Brok, dass die Verstärkte Zusammenarbeit (VZ) und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) bislang nicht genutzt würden. Das französische Handeln in Mali sei richtig und wichtig gewesen, auch die Unterstützung durch andere Mitgliedstaaten inklusive Deutschlands. Weniger gut sei die Tatsache, dass die Trainingsmission der EU in Mali bereits im letzten Herbst beschlossene Sache gewesen sei und erst jetzt realisiert werde. Dabei sei die EU besonders gut bei Ausbildung und Training lokaler Ordnungs- und Peace-keeping-Kräfte. In Somalia verlaufe die Trainingsmission EUTM erfolgreich. Gleiches gelte für die Atalanta-Mission zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias.
Insgesamt sei es wichtig, so Brok, nach der Schaffung von Stabilisierungsinstrumenten und fiskalischen Reformen zur Bewältigung der Krise in der Eurozone wieder Energie in die Gestaltung der EU-Außenbeziehungen zu investieren. Die Neuordnung der Welt vollziehe sich in den kommenden zwei bis fünf Jahren und die Weltentwicklung warte nicht auf Europa, auch wenn es große Erwartungen seitens der USA und anderer Länder und Regionen wie etwa des ASEAN gegenüber Europa gebe.