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IEP-Mittagsgespräch mit Dr. Angelica Schwall-Düren am 29. September 2004: "Die neue Nachbarschaftpolitik der Europäischen Union – Alternative zur Erweiterung?"
29.09.2004

Ein knappes halbes Jahr nach ihrer Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten steht die Europäische Union (EU) vor der Frage, ob der Erweiterungsprozess der letzten Jahrzehnte auch zukünftig fortgeführt werden kann oder ob die im Mai von der Kommission vorgestellte europäische Nachbarschaftspolitik der EU (ENP) als eine Alternative zur Vollmitgliedschaft für weitere Staaten entwickelt werden kann bzw. soll.

Ein knappes halbes Jahr nach ihrer Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten steht die Europäische Union (EU) vor der Frage, ob der Erweiterungsprozess der letzten Jahrzehnte auch zukünftig fortgeführt werden kann oder ob die im Mai von der Kommission vorgestellte europäische Nachbarschaftspolitik der EU (ENP) als eine Alternative zur Vollmitgliedschaft für weitere Staaten entwickelt werden kann bzw. soll. In ihrem Vortrag wies Frau Schwall-Düren MdB, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, darauf hin, dass die EU nach wie vor als Garant für Demokratie, Menschenrechte und ein hohes Maß an wirtschaftlicher Stabilität gelte und folglich weiterhin einen Anziehungspunkt für alte und neue Anrainerstaaten bilde.
Aus Sicht der EU soll die ENP für jene Länder im Osten Europas und im Mittelmeerraum, die gegenwärtig keine Mitgliedschaftsperspektive haben, die Möglichkeit eröffnen, sich langfristig am Binnenmarkt zu beteiligen ohne jedoch in den Institutionen der EU mitentscheiden zu können. Frau Schwall-Düren räumte ein, dass noch erhebliche Akzeptanzprobleme auf Seiten der Nachbarstaaten existieren. Es sei einerseits fraglich, inwieweit sich Staaten, die zwar die Voraussetzungen für den Europäischen Wirtschaftsraum bereits erfüllen, deren Hauptziel jedoch die Integration in das EU-Institutionensystem sei, mit einer ausschließlichen Teilnahme am Binnenmarkt zufrieden geben würden. Andererseits hätte die überwiegende Zahl der ENP-Länder große Schwierigkeiten die wirtschaftlichen Verpflichtungen des Binnenmarktes zu erfüllen und eine ausreichend gute Regierungspraxis („good governance“) zu entwickeln.

Frau Schwall-Düren betonte die besondere Tragweite einer individuellen Behandlung der Nachbarländer und hob in diesem Zusammenhang die westlichen Balkanstaaten hervor, für die in langer Frist ein Beitritt zur EU strategisch geplant sei und die nicht unter die ENP fallen. Generell dürfe der Dialog mit einzelnen Nachbarstaaten oder –regionen „nicht auf Kosten der anderen“ gehen.
Frau Schwall-Düren erinnerte daran, dass die EU seit Jahren eine präventive Politik betreibe, die auf den Stabilitäts- und Demokratieexport in Nachbarregionen zielt. Daran knüpfe die ENP an. Neu sei jedoch der Versuch, sicherheits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen für eine große Gruppe von EU-Nachbarstaaten innerhalb eines einheitlichen Rahmens „ENP“ zusammenzuführen. Dies habe intern den Vorteil, dass die EU-Mitgliedstaaten die ENP nur als „Paket“ für alle Nachbargruppen insgesamt annehmen können anstatt – wie bisher oftmals geschehen – ihre jeweiligen Einzelpräferenzen für bestimmte Nachbarstaaten zu verfolgen. Die konkrete Ausgestaltung der länderspezifischen Aktionspläne, die derzeit von der EU in Konsultationen mit den Zielländern unter großen Mühen entwickelt werden, ist laut Schwall-Düren von mehreren Faktoren abhängig: Die Transparenz der Kriterien sei für eine erfolgreiche Durchführung der ENP ebenso notwendig wie der Rückhalt der Vorhaben bei den politischen und wirtschaftlichen Eliten im betroffenen Nachbarland sowie die damit verbundene Veränderung von nationalen Strukturen und die Involvierung der Gesellschaft („people-to-people-Konzept“). Die ENP müsse demnach von vorneherein als „flüssiges Gesamtkonzept“ entwickelt werden.

Die Hoffnungen der EU auf eine Vermeidung von neuen Trennlinien zwischen EU-Mitgliedern und Nachbarn könnten nur dann erfüllt werden, wenn die integrationspolitischen Gesichtspunkte nicht neben den ökonomischen und stabilitätspolitischen vernachlässigt werden. In diesem Zusammenhang nannte Frau Schwall-Düren insbesondere die Sicherung der Handlungsfähigkeit und die Vertiefung der politischen Integration als zentrale Ziele. Parallel zur „Atempause“, welche sich die EU nun zunächst nach der Erweiterung gönnen möchte, sei die Entwicklung einer langfristigen Perspektive für die Nachbarstaaten notwendig. Auf diese Weise könne die EU Illusionen, die mit der EU-Mitgliedschaft verbunden werden, entgegenwirken. Die ENP müsse sich jedoch beizeiten zum „positiven Impulsgeber“ für die Transformationsprozesse in den Nachbarstaaten entwickeln und dürfe nicht zum „Bremsklotz“ werden. Dies beinhalte ebenfalls eine frühzeitige Beantwortung der Folgen und Probleme, die sich aus einem Beitritt für die EU und den jeweiligen Kandidaten ergeben könnten. Im Falle der Türkei seien diese Themen zu spät aufgegriffen worden. So müsse auch die Frage, ob eine EU-Mitgliedschaft der einzige Anreiz für Stabilität und demokratische Entwicklung sein kann, zukünftig weiter diskutiert werden. Eine effektive ENP kann ein wichtiger Ansatzpunkt für die Ausbildung von Alternativen zur EU-Mitgliedschaft sein.

Link zur European Neighbourhood Policy auf den Seiten der Europäischen Kommission:

Downloads & Quellen

Über das Europagespräche Projekt: Die Europagespräche des IEP bringen Bürger:innen, Entscheidungsträger:innen, Wissenschaftler:innen und die Zivilgesellschaft zusammen, um Herausforderungen und Perspektiven der europäischen Integration zu diskutieren. Damit fördern sie die europapolitische Debatte in Deutschland.

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