Die Westbalkanpolitik – bzw. Südosteuropapolitik - ist laut Doris Pack, MdEP, Vorsitzende der Südosteuropadelegation des Europäischen Parlaments, die erste erfolgreiche gemeinsame Außenpolitik der EU. Deren Bestandteile sind nicht nur die Militär- und Polizeimissionen der Union in der Region, sondern vor allem der Stabilitätspakt, die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen und die im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess enthaltene Beitrittsperspektive. Bedingung für den Beitritt der westlichen Balkanländer ist die Erfüllung der über die Kopenhagener Kriterien hinausgehenden Beitrittsbedingungen der EU. Warum der Ansatz, der das Voranschreiten eines Landes von seinen individuell erzielten Fortschritten abhängig macht und jedes Land unabhängig von seinen Nachbarstaaten bewertet, notwendig ist, erläuterte Doris Pack im Jean-Monnet-Haus anhand der Darstellung des sehr voneinander abweichenden Entwicklungsstands der Länder Südosteuropas: Während Bulgarien, Rumänien und Kroatien Beitrittskandidaten sind, sind in Bosnien-Herzegowina und Serbien-Montenegro die Fragen der Staatlichkeit noch nicht gelöst. Moldau wiederum wurde keine Beitrittsperspektive in Aussicht gestellt. Das Problem in den meisten der Länder sei, dass auf dem Papier die Annäherung an die EU zwar sehr schnell ginge, aber der Stand der Implementierung der Reformen dem nicht entspräche.
Die größte Schwierigkeit der Region besteht nach Meinung von Doris Pack in der schlechten ökonomischen Situation: Die Arbeitslosigkeit ist in den meisten Ländern sehr hoch und es gibt wenig ausländische Direktinvestitionen. Besonders für die Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität sei deshalb eine verstärkte intra-regionale Kooperation vonnöten. Dahingehend habe der Stabilitätspakt, besonders unter dem neuen Leiter Erhard Busek, schon gute Resultate erzielt, so zum Beispiel im Energie- und Transportsektor. Im Allgemeinen habe sich die EU allerdings bislang vor allem um ‚capacity building’ gekümmert, dabei sei ein nachhaltiger Aufbau der Region durch Bildung und Erziehung sowie Infrastruktur und Investitionsförderung vernachlässigt worden. Durch strenge Visaregelungen und eine restriktive Handelspolitik würde die EU die Länder der Region in ihrer Entwicklung behindern. Besonders für Studenten und Geschäftsleute forderte Doris Pack die Lockerung der Visapflicht. Außerdem sei eine Ausweitung des Systems der paneuropäischen diagonalen Ursprungskumulierung auf Südosteuropa notwendig. Vor allem aber müsste die Finanzhilfe für die Region aufgestockt werden, damit der westlichen Balkan nicht mehr wie eine Insel im friedlichen prosperierenden Europa erscheine. Dies sei natürlich auch im Eigeninteresse der Union, die damit das Risiko von Instabilität, Migrationsströmen etc. mindere. Eine effiziente Verwaltung der Mittel geschehe schon heute durch die European Agency for Reconstruction. Sinnvoller würden die Mittel, so Doris Pack, allerdings eingesetzt, wenn man sie nicht für die zu kostspielige Expertise der ausländischen Experten verwende, sondern die eigenen Humanressourcen der Länder fördere.
Wichtig im Rahmen der Erweiterung sei außerdem die Förderung eines europäischen Bewusstseins sowie der Erhalt der Handlungsfähigkeit einer Europäischen Union mit 25 Mitgliedstaaten. Der Konvent habe einen Verfassungsentwurf vorgelegt, der Reformen in diesem Sinne vorsieht. Durch eine Beschreibung von gemeinsamen Werten und Zielen sei es dem Konvent einerseits gelungen zu zeigen, dass die Union mehr als ein Wirtschaftsverbund sei. Eine Europäische Verfassung könne dazu beitragen, ein europäisches Bewusstsein bzw. eine europäische Identität herauszubilden. Über die im Verfassungsentwurf verankerten Reformen zu Institutionen und Verfahren müsse nun in der wieder eröffneten Regierungskonferenz eine Einigung erzielt werden. Umstritten seien dabei vor allem die Definition der qualifizierten Mehrheit, die Zusammensetzung der Kommission und die Mindestschwelle für EP-Sitze pro Mitgliedstaat.
Neben Fragen der Annäherung an die EU bestehen laut Doris Pack noch eine Vielzahl weiterer Herausforderungen in der Region. Dazu gehört das aktuelle Referendum über die Dezentralisierung in Mazedonien, deren negativer Ausgang den politischen Stillstand des Landes bedeuten würde. Sowohl in Serbien-Montenegro (und dabei vor allem im Kosovo) als auch in Bosnien-Herzegowina müsse die Status-Frage neu gestellt werden. Zwar seien die Polizei- und Militär-Missionen in den Ländern auf mittelfristige Sicht noch notwendig, jedoch müsste die ausländische Einflussnahme auf politischer Ebene so schnell wie möglich enden. Es sei entmündigend für die Bürger und kontraproduktiv für die Entwicklung der Eigenverantwortlichkeit der lokalen Politiker, wenn die UNO weiterhin solch hohe Entscheidungskompetenzen besitzt. Das Engagement der EU solle in Zukunft verstärkt und das der UNO reduziert werden. Da die Westbalkanländer mittlerweile alle potentielle Beitrittskandidaten seien, sollte ihre Eigenverantwortung in dem Prozess gestärkt werden.