Am 20. November 2020 organisierte das Institut für Europäische Politik (IEP) ein digitales Mittagsgespräch zum Thema „Verschiedene Herausforderungen und veränderte Realitäten: Die EU-Türkei Beziehungen fünf Jahre nach dem EU-Türkei Abkommen zur Migration". Botschafter Dr. Nikolaus Meyer-Landrut, Leiter der EU-Delegation in der Türkei diskutierte nach einer Einführungsrede mit den Teilnehmenden. Begrüßungsworte sprach Dr. Jörg Wojahn, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Dr. Funda Tekin, Direktorin des Instituts für Europäische Politik, moderierte die Veranstaltung.
Fünf Jahre nach dem EU-Türkei Abkommen zur Migration ist und bleibt die Türkei ein unverzichtbarer Partner für die EU. Dieser Gedanke wurde von allen Redner:innen geteilt und bildete den Rahmen für die anschließende Debatte. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei ebenso komplex wie schwierig sind (die Türkei als Kandidat für die EU-Mitgliedschaft und wichtiger strategischer sowie wirtschaftlicher Partner der EU und in letzter Zeit sogar als Kontrahent). Die geopolitische Dimension zwischen der EU und der Türkei spielte dabei in letzter Zeit eine noch wichtigere Rolle. In den letzten Jahren erlebten die Beziehungen Höhen und Tiefen und erreichten aus verschiedenen Gründen wohl einen historischen Tiefstand. Daher besteht die Notwendigkeit, zu diskutieren, wie man aus dieser zunehmend konfliktträchtigen Situation herauskommen kann. Diesbezüglich ist zu bedenken, dass insbesondere Deutschland eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Beziehungen beider Akteure spielt.
Es wurde betont, dass die gegenseitigen Wahrnehmungen, sowohl der EU als auch der Türkei, ein sehr wichtiges Thema sind, da sie die Art und Weise der gegenseitigen Kommunikation stark beeinflussen. In dieser Hinsicht kann die Erklärung des Europäischen Rates vom 1. Oktober 2020 als ein "neues Angebot" für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei von europäischer Seite angesehen werden. Vor dem Hintergrund des jüngsten Streits um die maritime Abgrenzung der ausschließlichen Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer wurde die Einberufung einer multilateralen Konferenz für notwendig erachtet. In diesem Kontext könnte das Angebot einer positiven politischen Agenda als ein "window of opportunity" für die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei betrachtet werden, wodurch das Vertrauen zwischen beiden Seiten wieder hergestellt werden könnte. Gleichzeitig wurde betont, dass Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte in der Türkei wieder Beachtung finden müssen.
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage des Engagements der EU im Hinblick auf die Türkei weiter ausgeführt und der Ansatz der EU, die Streitigkeiten im Dialog mit der türkischen Regierung zu lösen, fand breite Unterstützung. Die Intensität des Einsatzes hochrangiger Politiker:innen im Hinblick auf die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei in den letzten Monaten wurde als positiver Faktor hervorgehoben, insbesondere im Hinblick auf den Streit über die maritime Abgrenzung der ausschließlichen Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer. Des Weiteren wurde erörtert, dass die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei in Zukunft wahrscheinlich nicht denen zwischen der EU und Russland ähneln werden, da sich das Umfeld der Beziehungen insbesondere durch den Einfluss der Mitgliedschaft der Türkei im westlichen Verteidigungsbündnis der NATO unterscheiden würde.
Die Veranstaltung fand im Rahmen von VIADUCT (Enhancing Visibility of the Academic Dialogue on EU-Turkey Cooperation), in Zusammenarbeit mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland und mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts und der Otto-Wolff-Stiftung statt.
Autor: Lennart Belke, IEP Berlin