Mit der systematischen Verletzung grundlegender freiheitlich-demokratischer Prinzipien stellt Ungarn die Identität der Europäischen Union als Rechts- und Wertegemeinschaft offen in Frage. Zudem untergräbt die wiederholte Nutzung von Vetos ihre Handlungsfähigkeit. Das stellt Deutschland vor erhebliche Probleme, da es die Interessen deutscher Unternehmen, die stark in Ungarn investiert haben, und seine außenpolitische Agenda miteinander vereinbaren muss.
Während die deutsche Haltung gegenüber Ungarn unter Viktor Orbán seit 2010 widersprüchlich war, verfolgt die aktuelle Bundesregierung einen stärker werteorientierten außenpolitischen Ansatz, der durch die „Zeitenwende“ noch verstärkt wurde. In Anlehnung an diesen werteorientierten Ansatz schlägt York Albrecht vor, dass Berlin eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen gleichgesinnten EU-Mitgliedstaaten anstreben sollte, um die Bemühungen der Europäischen Kommission zu ergänzen. Während die Kommission die „Hüterin der Verträge“ ist, können – und sollten – die Mitgliedstaaten mehr zur Verteidigung der Grundprinzipien der EU beitragen, die auch ihre Prinzipien sind. Möglichkeiten für einen solchen „biting intergovernmentalism“ könnten die Anwendung von Artikel 259 AEUV und ein stärkeres Engagement gegenüber der Europäischen Kommission sein.