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Pressemitteilung: IEP erläutert den Asyl- und Migrationspakt

Am 23. September 2020 legt die Europäische Kommission einen lang aufge­scho­benen Plan zur Überar­beitung der Migra­tions- und Asylpo­litik der Europäi­schen Union (EU) vor. Der neue Pakt soll Antworten auf ein dysfunk­tio­nales europäi­sches Asylsystem liefern und vor allem unmensch­liche Zustände wie auf der griechi­schen Insel Moria verhindern. Seit der Migra­ti­ons­krise von 2015–16 schei­terten zahlreiche Versuche, die EU-Asylpo­litik zu überar­beiten, vor allem weil einige Mitglieds­staaten Vorschläge für ein System der Umver­teilung von Asylsu­chenden innerhalb der EU blockierten.

Der Neue Pakt zu Migration und Asyl soll einen Neuanfang bieten, um auf dringende Bedürf­nisse einzu­gehen und ein System aufzu­bauen, das die Migration langfristig steuert und sich vollständig auf europäische Werte und das Völker­recht stützt.

Der Pakt basiert auf einem dreistu­figen Ansatz:

1.       Eine verstärkte externe Dimension durch mehr Zusam­men­arbeit mit Herkunfts- und Transitländern.

2.       Eine robuste und faire Verwaltung der Außen­grenzen, einschließlich verstärkter Identitäts‑, Gesund­heits- und Sicher­heits­kon­trollen durch ein „Pre-Screening“.

3.       Feste und faire Regeln der Solida­rität zwischen den EU-Mitglieds­staaten und die Gewähr­leistung von Verantwortung.

Die Europäische Kommission zielt darauf ab, schnellere Entschei­dungs­ver­fahren für Asylsu­chende, beschleu­nigte Rückfüh­rungen für dieje­nigen, die kein Recht auf inter­na­tio­nalen Schutz vorweisen können sowie einen neuen verpflich­tenden Vertei­lungs­me­cha­nismus, wenn ein Mitglieds­staat unter beson­deren Migra­ti­ons­druck gerät, zu gewähr­leisten. Bei Letzteren kann es in bestimmten Fällen auch zu einer sogenannten „Rückfüh­rungs-Paten­schaft“ kommen, durch die einige Mitglied­staaten dem unter Druck stehenden Mitglied­staat alle notwendige Unter­stützung zukommen lassen.

Wichtigste Neuerung des Paktes ist die verstärkte Zusam­men­arbeit zwischen den Mitglieds­staaten − die an einer „flexiblen“ Solida­rität gekoppelt ist −, sowie zwischen Mitglieds­saaten und Dritt­länder bei der Rückführung von Migrant:innen.

Um die im Neuen Pakt präsen­tierten Ziele und Ansätze umzusetzen, müssen bis Ende 2020 der Rat der Europäi­schen Union und das Europäische Parlament über ein von der Europäi­schen Kommission vorge­legtes Paket mit zehn Geset­zes­ent­würfen entscheiden.

Obwohl der Vize-Präsident der EU-Kommission, Marga­ritis Schinas, und die Kommis­sarin für Inneres, Ylva Johansson, den Pakt als einen innova­tiven Neustart für die EU Asyl- und Migra­ti­ons­po­litik darstellen, bleibt dieser dennoch das Ergebnis langwie­riger und komplexer Verhand­lungen im Lichte der diver­gie­renden Inter­essen der EU-Mitglieds­staaten. Die Neuerungen, die der Pakt einführen möchte, wie z.B. „Pre-Scree­nings“ von Migrant:innen an den Außen­grenzen innerhalb von 5 Tagen, können voraus­sichtlich nur durch massive Aufsto­ckungen des Ärzte- und Grenz­per­sonals vor Ort ermög­licht werden. Auch die Solida­rität zwischen den Mitglieds­staaten ist erneut an bestimmte Kondi­tionen gebunden, sodass die Haupt­ver­ant­wortung irreguläre Migration zu steuern letzten Endes weiterhin bei den Erstauf­nah­me­ländern liegt. Letzteres bestätigt, dass anders als erwartet die EU an das hochum­strittene Dublin-System festhält, anstatt dieses zu überwinden.

Vittoria Meißner