IEP-Analyse: Niederländische Regierung erbittet sich verlängerte Bedenkfrist zum EU-Ukraine Assoziierungsabkommen
Aufgeschoben und dann aufgehoben?
Niederländische Regierung erbittet sich verlängerte Bedenkfrist zum EU-Ukraine Assoziierungsabkommen
Kommt das gealterte Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union nun, oder kommt es nicht? Die niederländische Regierung verschiebt die Entscheidung über ihre (Nicht)Ratifizierung des Abkommens bis zum EU-Gipfel Mitte Dezember. In der Zwischenzeit möchte sie ein rechtlich bindendes Papier erarbeiten, das die Einwände derjenigen Niederländer, die im Referendum zur Ratifizierung mit „Dagegen“ gestimmt haben, zerstreuen und eine Parlamentsmehrheit für die Ratifizierung ermöglichen soll. Ministerpräsident Rutte kündigte folgende Punkte für das Papier an:
- Keine Arbeitnehmer-Freizügigkeit für die Ukraine
- Keine kollektiven Sicherheitsgarantien oder einzelstaatliche Verpflichtungen zur militärischen Kooperation
- Keine EU-Beitrittsperspektive
- Keine Verpflichtung eines finanziellen Beistands an die Ukraine
Keiner dieser Punkte ist Bestandteil des Assoziierungsabkommens. Das Abkommen hat zum Ziel, gegenseitigen Marktzugang für sichere und qualitativ hochwertige Produkte zu gewährleisten. Die nun präsentierten niederländischen Forderungen zeigen einmal mehr, dass das niederländische Referendum und die Debatte darum nicht auf tatsächliche Inhalte und Verbindlichkeiten des Abkommens abzielten. Vielmehr spiegeln sie eine grundsätzliche Einstellung zur EU wider.
Die verzögerte Entscheidung über eine Ratifizierung oder Nicht-Ratifizierung führt dazu, dass die EU in der Ukraine zunehmend als sprunghafter und unvorhersehbarer Partner wahrgenommen wird. Die EU-Assoziierung stellt für die ukrainische Regierung und Gesellschaft den so dringend notwendigen Reformfahrplan. Doch die mit der Assoziierung einhergehenden Kosten (Krieg im Osten des Landes, schmerzhafte Strukturreformen, etc.), sind ohne breite gesellschaftliche Zustimmung sowie die Überzeugung, mittelfristig für Einbußen und Anstrengungen neue Perspektiven zu erhalten, kaum zu tragen. Widersprüchliche Signale aus Brüssel und den Mitgliedstaaten geben Reformgegnern Aufwind und lassen Reformbefürworter resignieren. Dazu trägt nicht zuletzt auch das Thema Visaliberalisierung bei. Obwohl die Ukraine alle Anforderungen des Visaliberalisierungs-Plans erfüllt hat, steht das Datum für die Visumsfreiheit noch nicht fest.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik, in dessen Rahmen das Abkommen ausgehandelt wurde, ist ein wesentliches Element und Instrument der Außenpolitik der Europäischen Union. Dies wird jedoch durch einen solchen nationalstaatlichen Einzelgang in Frage gestellt. Stabilität und Wohlstand als Ziel dieser Politik dürfen nicht populistischen Bedenken geopfert werden. Vor allem nicht, wenn diese einseitig auf die Ukraine bezogen sind, schließlich haben die Niederlande die Assoziierungsabkommen mit Georgien und der Republik Moldau anstandslos ratifiziert.
Die EU braucht eine starke Stimme in diesen außen- und handelspolitischen Entscheidungen, wie die niederländische Regierung richtig angemerkt hat. Eine solche Entscheidung basiert allerdings auch auf dem Mut und Willen der einzelnen Mitgliedsstaaten, Kompromisse einzugehen und über Wahlperioden hinaus zu denken.
Hintergrund
Im April 2016 hatte die niederländische Bevölkerung in einem Referendum über die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine abgestimmt. Über 61 Prozent stimmten mit „Dagegen“. Die Wahlbeteiligung lag bei über 32 Prozent.
Das Parlament hatte der niederländischen Regierung bis zum 1. November Zeit eingeräumt, um einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der der Ratifizierung zustimmt oder sie ablehnt.
Das Assoziierungsabkommen wurde von den anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten bereits ratifiziert. Der Freihandelsteil des Abkommens ist seit dem 1. Januar 2016 vorläufig in Kraft. Das Abkommen bedarf als sogenanntes gemischtes Abkommen der Ratifizierung der EU-Mitgliedsstaaten, da es in einigen wenigen Bereichen in die Kompetenz der Mitgliedstaaten eingreift.