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IEP-Analyse: Niederländische Regierung erbittet sich verlängerte Bedenkfrist zum EU-Ukraine Assoziierungsabkommen

"Ukraine & Netherlands & European Union" von Yuriy Vlasenko/Shutterstock.com

Aufge­schoben und dann aufgehoben?

Nieder­län­dische Regierung erbittet sich verlän­gerte Bedenk­frist zum EU-Ukraine Assoziierungsabkommen

Kommt das gealterte Assozi­ie­rungs­ab­kommen zwischen der Ukraine und der Europäi­schen Union nun, oder kommt es nicht? Die nieder­län­dische Regierung verschiebt die Entscheidung über ihre (Nicht)Ratifizierung des Abkommens bis zum EU-Gipfel Mitte Dezember. In der Zwischenzeit möchte sie ein rechtlich bindendes Papier erarbeiten, das die Einwände derje­nigen Nieder­länder, die im Referendum zur Ratifi­zierung mit „Dagegen“ gestimmt haben, zerstreuen und eine Parla­ments­mehrheit für die Ratifi­zierung ermög­lichen soll. Minis­ter­prä­sident Rutte kündigte folgende Punkte für das Papier an:

Keiner dieser Punkte ist Bestandteil des Assozi­ie­rungs­ab­kommens. Das Abkommen hat zum Ziel, gegen­sei­tigen Markt­zugang für sichere und quali­tativ hochwertige Produkte zu gewähr­leisten. Die nun präsen­tierten nieder­län­di­schen Forde­rungen zeigen einmal mehr, dass das nieder­län­dische Referendum und die Debatte darum nicht auf tatsäch­liche Inhalte und Verbind­lich­keiten des Abkommens abzielten. Vielmehr spiegeln sie eine grund­sätz­liche Einstellung zur EU wider.

Die verzö­gerte Entscheidung über eine Ratifi­zierung oder Nicht-Ratifi­zierung führt dazu, dass die EU in der Ukraine zunehmend als sprung­hafter und unvor­her­seh­barer Partner wahrge­nommen wird. Die EU-Assozi­ierung stellt für die ukrai­nische Regierung und Gesell­schaft den so dringend notwen­digen Reform­fahrplan. Doch die mit der Assozi­ierung einher­ge­henden Kosten (Krieg im Osten des Landes, schmerz­hafte Struk­tur­re­formen, etc.), sind ohne breite gesell­schaft­liche Zustimmung sowie die Überzeugung, mittel­fristig für Einbußen und Anstren­gungen neue Perspek­tiven zu erhalten, kaum zu tragen. Wider­sprüch­liche Signale aus Brüssel und den Mitglied­staaten geben Reform­gegnern Aufwind und lassen Reform­be­für­worter resignieren. Dazu trägt nicht zuletzt auch das Thema Visali­be­ra­li­sierung bei. Obwohl die Ukraine alle Anfor­de­rungen des Visali­be­ra­li­sie­rungs-Plans erfüllt hat, steht das Datum für die Visums­freiheit noch nicht fest.

Die Europäische Nachbar­schafts­po­litik, in dessen Rahmen das Abkommen ausge­handelt wurde, ist ein wesent­liches Element und Instrument der Außen­po­litik der Europäi­schen Union. Dies wird jedoch durch einen solchen natio­nal­staat­lichen Einzelgang in Frage gestellt. Stabi­lität und Wohlstand als Ziel dieser Politik dürfen nicht populis­ti­schen Bedenken geopfert werden. Vor allem nicht, wenn diese einseitig auf die Ukraine bezogen sind, schließlich haben die Nieder­lande die Assozi­ie­rungs­ab­kommen mit Georgien und der Republik Moldau anstandslos ratifiziert.

Die EU braucht eine starke Stimme in diesen außen- und handels­po­li­ti­schen Entschei­dungen, wie die nieder­län­dische Regierung richtig angemerkt hat. Eine solche Entscheidung  basiert aller­dings auch auf dem Mut und Willen der einzelnen Mitglieds­staaten, Kompro­misse einzu­gehen und über Wahlpe­rioden hinaus zu denken.

Hinter­grund

Im April 2016 hatte die nieder­län­dische Bevöl­kerung in einem Referendum über die Ratifi­zierung des Assozi­ie­rungs­ab­kommens zwischen der Europäi­schen Union und der Ukraine abgestimmt. Über 61 Prozent stimmten mit „Dagegen“. Die Wahlbe­tei­ligung lag bei über 32 Prozent.

Das Parlament hatte der nieder­län­di­schen Regierung bis zum 1. November Zeit einge­räumt, um einen Geset­zes­entwurf vorzu­legen, der der Ratifi­zierung zustimmt oder sie ablehnt.

Das Assozi­ie­rungs­ab­kommen wurde von den anderen 27 EU-Mitglieds­staaten bereits ratifi­ziert. Der Freihan­delsteil des Abkommens ist seit dem 1. Januar 2016 vorläufig in Kraft. Das Abkommen bedarf als sogenanntes gemischtes Abkommen der Ratifi­zierung der EU-Mitglieds­staaten, da es in einigen wenigen Bereichen in die Kompetenz der Mitglied­staaten eingreift.

Anne Bercio, Constanze Aka, Martin Stein