Veranstaltungsbericht: Mittagsgespräch-Panel am 7. Mai 2019 “Aktive Subsidiarität — neuer Ansatz in der EU?”
Anlässlich der Anfang Mai stattfindenden Europawoche sowie im Vorfeld des EU-Gipfels in Sibiu und der Europawahl fand am 7. Mai 2019 im Rahmen unserer Mittagsgespräche eine Panel-Diskussion zum Thema „Aktive Subsidiarität – neuer Ansatz in der EU?“ statt.
Gemeinsam mit der Landesvertretung Sachsen-Anhalt , in deren Haus die Veranstaltung stattfand, hatte das IEP sechs Expertinnen und Experten eingeladen, um die Arbeitsergebnisse der Taskforce für Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und „Weniger, aber effizienteres Handeln“ , welche im November 2017 von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ins Leben gerufen worden war, zu bilanzieren und diskutieren. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Katrin Böttger , Direktorin am Institut für Europäische Politik.
Zunächst gaben die ehemaligen Taskforce-Mitglieder Staatssekretär Dr. Michael Schneider, Leiter der Landesvertretung Sachsen-Anhalt und Mitglied des Ausschusses der Regionen, und Dr. Reinhold Lopatka, Abgeordneter zum Österreichischen Nationalrat, Einblicke in die Arbeit der Taskforce. Sie erläuterten den Hintergrund der Initiative sowie das Arbeitsziel, pragmatische und praktische Handlungsempfehlungen zu formulieren, die kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können sollten.
Zu den neun Hauptempfehlungen, die aus dem Abschlussbericht hervorgehen, zählen neben den Empfehlungen zu einem gemeinsamen Prüfraster für das Subsidiaritätsprinzip, der Verbesserung der Folgenabschätzung und der Forderung, eine Folgekommission zum Thema einzusetzen, das Pilotprojekt der „Regional Hubs“. Diese sind seither in 25 Regionen, eine davon das Land Brandenburg, eingerichtet worden, mit dem Ziel die Partizipation und Verbindung zwischen europäischer und regionaler Ebene herzustellen und zu organisieren.
In der anschließenden Paneldiskussion wurden die Arbeitsergebnisse der Taskforce insbesondere vor dem Hintergrund der Frage diskutiert, inwiefern sich die Rolle der Kommission gegenüber den nationalen Parlamenten und den regionalen Gebietskörperschaften seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verändert hat.
Claudia Dörr-Voß, Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, erläuterte in diesem Zusammenhang ihre Beobachtung, dass in den letzten zehn Jahren eine zunehmende Kompetenzverlagerung nach Brüssel stattgefunden habe, die darüber hinaus mit einer starken Verschiebung in der europäischen Rechtssetzung hin zu Verordnungen einherginge. Dabei sei die Verlagerung jedoch nicht per se problematisch, wohl aber, dass oftmals die Kompetenzen der politischen Ebenen im Vorfeld nicht ausreichend geklärt seien.
Diese Problematik habe die Taskforce sehr erfolgreich aufgegriffen, meinte Gunther Krichbaum, Mitglied des deutschen Bundestags und Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag, indem sie in ihren Empfehlungen die Rechte der nationalen Parlamente bei der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzip wieder stärker ins Licht gerückt hätte. In diesem Zusammenhang begrüßte er besonders den Vorschlag der „Grünen Karte“ als ein Instrument, welches den nationalen Parlamenten ein informelles und rechtlich unverbindliches Initiativrecht zukommen lassen würde. Zugleich erinnerte er aber auch daran, dass nicht nur die Rolle der nationalen Parlamente im europäischen Gesetzgebungsprozess gestärkt werden müssten, sondern langfristig gesehen auch das Europäische Parlament dringend mit einem Initiativrecht ausgestattet werden müsse.
Barbara Duden hob als Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und als Vorsitzende der AdR-Fachkommission für Unionsbürgerschaft, Regieren, institutionelle Fragen und Außenbeziehungen (CIVEX) insbesondere das von der Taskforce vorgeschlagene Prüfraster lobend hervor.
Zugleich gab sie zu bedenken, dass auf Landesparlamentsebene eine Debatte über die Mechanismen des Subsidiaritätsprinzips dringend notwendig sei. Insbesondere politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf den lokalen und regionalen Ebenen müssten ihre Partizipationsmöglichkeiten im europäischen Mehrebenensystem besser kennen, um sich an dem neuen Prinzip der „aktiven“ Subsidiarität überhaupt beteiligen zu können.
Schließlich appellierte Prof. Christian Calliess, der von 2015 bis Ende 2018 als Rechtsberater des Planungsstabs von EU-Kommissionspräsident Juncker tätig gewesen war, das Prinzip der „aktiven“ Subsidiarität als Verfahren zu verstehen, das alle Akteure in den Entscheidungsprozess mit einbezieht und gleichermaßen verpflichtet. Zudem wies er darauf hin, dass das Subsidiaritätsprinzip zwar ein sehr abstrakter Begriff, zugleich aber auch ein klares Rechtsprinzip sei. Insbesondere das Prüfraster könne deshalb dabei helfen, das Prinzip durch festgelegte Prüfschritte weiter zu konkretisieren.
Am Ende der Paneldiskussion und im Gespräch mit dem Publikum bildete sich schließlich der Grundtenor heraus, dass das übergeordnete Ziel des gesamten Prozesses sein müsse, eine gemeinsame Sprache für Subsidiarität zu entwickeln. Nur so können Bürgerinnen und Bürger in Zukunft glaubhaft in den Meinungsbildungsprozess eingebunden werden und schließlich populistischen Narrativen von den „abgehobenen Eliten in Brüssel“ das überzeugende Prinzip einer demokratischen und bürgernahen EU entgegengesetzt werden.