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Im Rahmen des IEP-Mittagsgespräch Vortrag mit Diskussion mit Peter Altmaier am 9. Oktober 2008: “Die Europäische Innenpolitik als wesentlicher Baustein des künftigen Integrationsprojektes”

Einleitend betonte Peter Altmaier, Mitglied des Bundes­tages und Parla­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär beim Bundes­mi­nister des Innern, dass Bereiche der Innen­po­litik „entschei­dende Spiel­felder“ der Europäi­schen Union (EU) geworden seien und damit eine größere Dynamik als die klassisch europäi­schen, bereits verge­mein­schaf­teten Politik­felder entwi­ckelt hätten. Die innen­po­li­tische Koope­ration zwischen den EU-Mitglied­staaten hätte zudem den positiven Neben­effekt, dass die europäische Integration als solche nicht mehr in Frage gestellt würde. Als ein Beispiel nannte Altmaier in diesem Zusam­menhang den Abbau der Grenz­kon­trollen im Rahmen des Schen­gen­ab­kommens: Befürch­tungen vieler in Grenznähe lebender Deutscher vor einem Anstieg der Krimi­na­lität seien auf Grund der verbes­serten Polizei­zu­sam­men­arbeit nicht einge­treten. Altmaier ergänzte als weitere positive Beispiele die grenz­über­schrei­tende Koope­ration der Polizei aus verschie­denen EU-Mitglied­staaten im Vorfeld und während der Fußball Weltmeis­ter­schaft 2006 sowie die erfolg­reiche europäische Zusam­men­arbeit bei Maßnahmen gegen illegale Einwan­derer. Altmaier bekräf­tigte, dass diese Form der konkreten Koope­ration zusätzlich zur Bildung eines gemein­samen europäi­schen Bewusst­seins führen könne.
Spannungsfeld zwischen Notwen­digkeit zur europäi­schen Koope­ration und natio­naler Souveränität

Inter­na­tionale Inter­de­pen­denzen erfor­derten auch in Bereichen der Innen­po­litik die Zusam­men­arbeit auf europäi­scher Ebene, so Altmaier.
Als hinderlich für eine weitere Vertiefung der Koope­ration könne sich jedoch erweisen, dass Innen­po­litik in vielen Aspekten – insbe­sondere im Polizei- und Asylrecht – den Kernbe­reich natio­naler Souve­rä­nität tangiere.. Inter­gou­ver­ne­mentale Zusam­men­arbeit allein könne den Heraus­for­de­rungen in diesem Bereich jedoch nicht gerecht werden. Dies belegten beispiels­weise GASP/ESVP-MISSION mit enormen Anlauf­schwie­rig­keiten wie die europäische Polizei­mission EUPOL in Afgha­nistan, welche lediglich auf inter­gou­ver­ne­men­taler Koope­ration der einzelnen Mitglied­staaten beruhe. Zur Auflösung dieses Dilemmas bedürfe es der Entwicklung souve­rä­ni­täts­scho­nender Methoden, die gleich­zeitig das Prinzip der Subsi­dia­rität wahren. Ein Schutz der EU-Außen­grenzen könne von den jeweilig betrof­fenen Mitglieds­staaten alleine nicht mehr getragen werden, erklärte Altmaier. Demge­genüber sei die Schaffung einer ausschließlich europäi­schen Grenz­po­lizei aller­dings ein exorbi­tanter bürokra­ti­scher Aufwand. Deshalb könne ein wirksames System gegen­sei­tiger Unter­stützung mit gleich­zei­tiger Wahrung der Souve­rä­nität in diesem Bereich ein Mittelweg sein. Unter deutscher EU-Ratsprä­si­dent­schaft im ersten Halbjahr 2007 wurde dieser Weg mit Schaffung der sogenannten RAPIDS (Rapid Border Inter­vention Teams)eingeschlagen: Die RAPIDS setzen sich aus natio­nalen Beamten und natio­nalen Ausrüs­tungen zusammen, die bei Bedarf kurzfristig abgerufen werden können. In diesem Rahmen erfolgt auch eine gemeinsame Ausbildung und Kontrolle der Polizei. Diese Beispiele zeigten laut Altmaier, dass sich Schonung natio­naler Souve­rä­ni­täts­rechte im Bereich der polizei­lichen und justi­zi­ellen Zusam­men­arbeit durchaus mit einer effek­tiven Steuerung auf europäi­scher Ebene verbinden lasse. Er plädierte für eine weitere Erprobung des Systems und dessen Beibe­haltung, wenn es sich weiterhin als funkti­ons­fähig erweise. Als zweites Feld für diese Methoden zwischen­staat­licher Koope­ration nannte Altmaier den Katastro­phen­schutz, bei dem ähnlich wie bei den RAPIDS Katastro­phen­schutz­ein­satz­module kurzfristig zusam­men­ge­stellt werden können.

Das Post-Haager Programm oder die Zukunft der Innen­politk auf europäi­scher Ebene

Altmaier betonte abschließend die Errun­gen­schaften des von der Zukunftsgruppe[1] erarbei­teten Berichts für das Post-Haager Programm, welche weit über Tampere und das Haager Programm hinaus­reichten. Hierbei ginge es unter anderem um die externe Dimension der europäi­schen Innen­po­litik. Die illegale Migration könne nicht allein durch repressive Methoden bekämpft werden, sondern müsse durch eine bessere Zusam­men­arbeit mit den Herkunfts- und Transit­ländern von Grund auf verhindert werden. Konkret gehe es hierbei um vertrag­liche Regelungen mit den Herkunfts­ländern, (sogenannte Mobili­täts­part­ner­schaften) Entwick­lungs­hilfe für Dritt­staaten sowie deren Ausstattung mit modernen Überwa­chungs­mitteln. Der inter­na­tionale Terro­rismus und die organi­sierte Krimi­na­lität seien durch eine „Mobili­täts­explosion“ auf realer und virtu­eller Ebene zur Haupt­her­aus­for­derung für die europäische Innen­po­litik geworden, erklärte Altmaier. Diesen Heraus­for­de­rungen könne nur durch einen umfas­senden Infor­ma­ti­ons­aus­tausch auf europäi­scher Ebene begegnet werden. Diese Maßnahme müsse jedoch, wie von Bundes­in­nen­mi­nister Wolfgang Schäuble gefordert, durch zusätz­liche Daten­schutz­vor­keh­rungen auf europäi­scher Ebene flankiert werden. Ein Abgleich der natio­nalen Daten­bank­be­stände sei unaus­weichlich geworden und brächte einen großen Sicherheitsgewinn.

Weiterhin, so Altmaier, müsse die europäische Innen­po­litik insgesamt für die Bürger Europas verständ­licher werden. Durch eine elektro­nische Zusam­men­fassung des „acquis commun­au­taire“ in einen Polizei- oder einen Grenz­kodex könnten die einzelnen Entschei­dungs­pro­zesse trans­pa­renter, verständ­licher und die jeweilige Verant­wortung zurechen­barer werden, vermutete Altmaier. In diesem Zusam­menhang forderte er zudem statt auf Richt­linien mehr auf europäische Verord­nungen als Rechts­in­stru­mente zu setzen.

[1] Die Zukunfts­gruppe ist eine vom deutschen Ratsvorsitz vorge­schlagene hochrangige, beratende Gruppe zur Zukunft der europäi­schen Innen­po­litik. Die Gruppe bestand aus Vizeprä­sident Franco Frattini, den sechs Innen­mi­nistern der damaligen und der darauf folgenden Trio-Präsi­dent­schaft (Deutschland, Portugal und Slowenien sowie Frank­reich, Tsche­chische Republik und Schweden), einem Vertreter der nun kommenden Trioprä­si­dent­schaft (Spanien, Belgien und Ungarn) sowie anlass­be­zogen Experten aus einzelnen Mitgliedstaaten.
Quelle: Homepage der deutschen EU-Ratsprä­si­dent­schaft: http://www.eu2007.de/de/News/Press_Releases/May/0521BMI.html