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IEP-Mittagsgespräch mit Michael Roth MdB am 11. März 2003: “Der ‚Berliner Entwurf’ und die Anforderungen an die Europäische Verfassung”

Am 11. März 2003 fand im Jean-Monnet-Haus IEP-Mittags­ge­spräch mit Michael Roth MdB, Mitglied des Bundes­tages und Vorsit­zender der Arbeits­gruppe Konvent der SPD-Bundes­tags­fraktion, statt.

Mit den vom Präsidium des Konvents veröf­fent­lichten Entwurf der ersten Artikel einer europäi­schen Verfassung sowie der jüngst erarbei­teten deutsch-franzö­si­schen Initiative für eine Doppel­spitze der Europäi­schen Union ist der ‚Berliner Entwurf’ der Abgeord­neten Günter Gloser und Michael Roth vom Spätsommer letzten Jahres keineswegs von der Debatte überholt worden. Bei seiner Erarbeitung sowie auch jetzt bei der Erarbeitung des Antrages der Koalition zur Europa­de­batte waren zwei Leitfragen tragend: Wie kann die Europäische Union auch nach der Erwei­terung um zehn und mehr Mitglied­staaten handlungs­fähig bleiben und welche demokra­tische Antwort kann es auf die Heraus­for­de­rungen der Globa­li­sierung geben?Eine erste Antwort auf diese Fragen sei die Veran­kerung der im voran­ge­gan­genen Konvent erarbei­teten Grund­rechte als integraler Bestanteil der europäi­schen Verfassung, so dass diese rechtlich verbindlich und indivi­duell einklagbar werden. Primärer Leitge­danke des Antrages sei des weiteren die Parla­men­ta­ri­sierung der Europäi­schen Union. Der Kommis­si­ons­prä­sident solle durch die Mehrheit der Mitglieder des Europäi­schen Parla­ments gewählt werden. Im Rat sollten Entschei­dungen grund­sätzlich nach dem Prinzip der doppelten Mehrheit, d.h. einfache Mehrheit der Mitglieder des Rates und einfache Mehrheit der Bevöl­kerung, getroffen und an die Mitent­scheidung des Europäi­schen Parla­ments gekoppelt werden. Dabei solle kein Politik­be­reich von diesem Prinzip ausge­nommen werden, um eine inter­gou­ver­ne­mentale Sonderzone, wie beispiels­weise die Gemeinsame Agrar­po­litik, zu bilden. Im Hinblick auf die deutsch-franzö­sische Initiative für eine Doppel­spitze, welche ein inter­gou­ver­ne­men­ta­lis­ti­sches Modell mit einem integra­ti­ons­freund­lichen Konzept verbinde, die damit konsens­fähig sei und auch ein hohes Maß an Überzeu­gungs­kraft besitze, warnte Roth indes vor einer Inter­gou­ver­ne­men­ta­li­sierung der Union durch eine Stärkung des Europäi­schen Präsi­denten — als ständigen Vorsit­zenden des Europäi­schen Rates — gegenüber dem Präsi­denten der Europäi­schen Kommission. Ein Europäi­scher Präsident dürfe über keinen eigenen adminis­tra­tiven Unterbau verfügen, welcher in Konkurrenz zur Europäi­schen Kommission oder zu einem europäi­schen Außen­mi­nister stünde. Hier müsse Deutschland integra­ti­ons­freund­lichen Modellen Gewicht verleihen, sich auf seine tradi­tio­nelle Rolle des Sachwalters kleinerer Staaten rückbe­sinnen und Ideen wie die Schaffung eines Direk­to­riums eine Absage erteilen.Befragt nach dem Stellenwert des Subsi­dia­ri­täts­pro­tokoll äußerte sich Roth skeptisch bezüglich der Funkti­ons­fä­higkeit des Frühwarn­me­cha­nismus in Zweikam­mer­sys­temen. Grund­sätzlich sollten sich nationale Parla­mente auf die Kontrolle der Regie­rungs­po­litik beschränken. Die Kontrolle der Subsi­dia­rität auf europäi­scher Ebene sei vielmehr die Aufgabe des Europäi­schen Parla­ments. Auf die Frage nach der Wirkung der Debatte um eine Europäische Verfassung, bedauerte Roth, dass sich noch immer zu wenige Abgeordnete des Deutschen Bundes­tages dezidiert für die europäische Integration engagierten. Hier sei noch viel Mobili­sie­rungs- und Überzeu­gungs­arbeit bei einer nicht unerheb­lichen Zahl von Skeptikern zu leisten.