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IEP Mittagsgespräch mit Jörg Asmussen am 4. November 2013: “Die Europäische Zentralbank, die Bankenunion und die Stabilisierung der Eurozone”

Jörg Asmussen, Mitglied des Direk­to­riums der EZB und Staats­se­kretär a.D. im Bundes­fi­nanz­mi­nis­terium referierte am 4. November 2013 in der Vertretung der Europäi­schen Kommission in Berlin zum Thema „Die Europäische Zentralbank, die Banken­union und die Stabi­li­sierung der Eurozone“ und legte hierbei einen beson­deren Fokus auf die Erfor­der­nisse einer zukünf­tigen Banken­union in Verbindung mit einer Fiskalunion.

Die Krise, welche Europa zurzeit durch­laufe, habe verdeut­licht – so Jörg Asmussen –, dass es an einem umfas­senden europäi­schen Ansatz fehle. Der Weg zu einer gemein­samen Finanz­markt­po­litik mit einer Banken­union sei vorge­zeichnet und notwendig. Hinsichtlich der Lehren könne sich Europa am Vorbild der USA orien­tieren. Dort gebe es neben einer öffent­lichen auch eine private Banken­union. Heraus­for­de­rungen im Banken­sektor werden dort nicht auf der Ebene der Mitglied­staaten behandelt, wie dies in Europa der Fall ist, sondern dank föderaler Struk­turen im Rahmen der Federal Deposit Insurance Corpo­ration (FDIC). Asmussen stellte die Frage, wie die finan­zielle Lage New Yorks heute aussehen würde, hätte dieser Bundes­staat alleine Garantien oder Geldzah­lungen bspw. zur Rettung der Citibank aufbringen müssen? Wie hätte der Markt darauf reagiert und die Bonität der Bank wie auch des Staates einge­stuft? In Europa müsse also Ähnliches wie in den USA geschaffen werden. Eine europäische Banken­union könne zudem helfen, die niedrigen Zinssätze der Europäi­schen Zentralbank (EZB) an jene Mitglied­staaten weiter­zu­reichen, die diese benötigen, und sich so positiv auf den Euro und den Binnen­markt auswirken.

Eine Banken­union besteht laut Asmussen aus zwei unabding­baren Elementen: einem einheit­lichen Mecha­nismus zur Banken­auf­sicht sowie einem einheit­lichen Mecha­nismus zur Banken­ab­wicklung. Ersterer wird in Form des SSM (Single Super­visory Mechanism) ab Herbst 2014 (laut EZB) voll einsatz­fähig sein. Das Reputa­ti­ons­risiko des SSM liegt bei der EZB, deshalb überprüft sie die Bücher der zu beauf­sich­ti­genden Banken genau. Die bisher durch­ge­führten Stress­tests hätten leider noch zu keinem neuen Vertrauen in den europäi­schen Banken­sektor geführt; der dritte und letzte – welcher im Herbst 2014 veröf­fent­licht wird – müsse die bestehenden Unsicher­heiten besei­tigen helfen.

Das zweite unabdingbare Element einer Banken­union soll 2015 mit dem Einheit­lichen Abwick­lungs­me­cha­nismus (Single Resolution Mechanism (CSRM)) in Kraft treten. Durch diesen Mecha­nismus sollen Banken im Binnen­markt sowie grenz­über­schreitend und ohne Schock­wellen im Finanz­markt abgewi­ckelt werden. Dies könne die möglichen Risiken für den Steuer­zahler minimieren. Die Krise und besonders die Maßnahmen zur Rettung der Hypo Real Estate hätten gezeigt, dass eine einfache Koordi­nierung zwischen den Mitglied­staaten nicht ausreiche. Für eine Abwicklung benötige man drei Elemente:

Neben der öffent­lichen gebe es in den USA auch eine private Banken­union, welche Banken und Kapital­märkte umfasse. Diese private Banken­union habe laut wissen­schaft­lichen Studien zwei Drittel der externen Schocks abfedern können. In den USA würden sich Banken außerdem nicht auf Geschäfte in einzelnen Bundes­staaten beschränken sondern grenz­über­schreitend agieren, während viele europäische Banken den Schwer­punkt ihrer Aktivi­täten vor allem auf ihre Heimat­staaten konzen­trierten. Auch die europäi­schen Kapital­märkte seien nicht integriert. In Frank­reich und Deutschland würden beispiels­weise 85% des Aktien­ka­pitals national gehalten. Das führe dazu, dass es im Falle natio­naler Schief­lagen keine Abfederung gebe. Trans­na­tionale Aktivi­täten könnten also zu einer Risiko­di­ver­si­fi­kation führen und starke integrierte Finanz­märkte bei der Abwicklung von Banken helfen. Asmussen warf außerdem die Frage auf, ob nicht vielleicht auch ein EU-Budget oder gar ein Eurozonen-Budget helfen könne, Konjunk­tur­schwan­kungen abzufedern. Zwar reiche bei einem normalen Konjunk­tur­zyklus die Abfederung durch die natio­nalen Haushalte, bei einer Krise sei dies jedoch nicht der Fall, wie es das Beispiel Irland gezeigt habe. Hinsichtlich des künftigen Abwick­lungs­me­cha­nismus unter­strich Asmussen, dass hierbei die Kosten auf Gläubiger und Eigen­tümer der Banken aufge­teilt, der Rettungs­bedarf über nationale Haushalte gesenkt und so das Geld der Steuer­zahler geschont werden. Die Banken­union könne deshalb zu einer Stabi­li­sierung der Finanz­union beizu­tragen. Und wie in den USA, wo die US-Treasury eine perma­nente Kredit­linie für die FDIC vergibt, könne auch der ESM Mittel für den Abwick­lungsfond bereit­stellen. Dies würde zwar eine Änderung des ESM-Vertrags erfordern, jedoch keine EU-Vertragsrevision.

Schließlich sprach sich Asmussen für eine Harmo­ni­sierung der steuer­lichen Regeln in Europa aus. Da Firmen ins europäische Ausland abwandern, um ihren Gewinn nach Steuern zu maximieren, müsse es beispiels­weise Mindest­sätze für die Körper­schafts­steuer in ganz Europa geben.

Zusam­men­fassend sprach sich Jörg Asmussen noch einmal für die Schaffung einer Banken­union aus. Eine solche Union verringere die Notwen­digkeit einer Stabi­li­sierung auf EU-Ebene und sei sowohl im Interesse der EU als auch Deutsch­lands. Die notwen­digen Entschei­dungen müssten alsbald getroffen werden, damit neben der europäi­schen Banken­auf­sicht ein europäi­scher Abwick­lungs­me­cha­nismus einsatz­bereit stehe. Eine solche Banken­union stehe über die Eurozone hinaus auch anderen Staaten offen. Jedoch sollten Staaten wie Großbri­tannien, die sich nicht weiter integrieren wollten, integra­ti­ons­willige Staaten nicht aufhalten.

Von: Jéronimo Barbin

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