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IEP-Mittagsgespräch mit Elmar Brok am 26. April 2012: “Europa am Scheideweg – Mit Solidarität und effektiver Strukturverwandlung zu neuen Ufern”

Anlässlich des Mittags­ge­sprächs am 26. April 2012 referierte Elmar Brok, Vorsit­zender des Ausschusses für Auswärtige Angele­gen­heiten des Europäi­schen Parla­ments, zu den internen und externen Heraus­for­de­rungen für die Zukunft Europas. Europas Verant­wortung bezüglich finan­zi­eller und politi­scher Lösungs­stra­tegien standen dabei im Mittel­punkt seines Vortrags, insbe­sondere mit Blick auf die Stabi­lität Europas. Vor dem Hinter­grund der Schul­den­krise appel­lierte Brok für mehr Solida­rität und effek­tivere europäische Lösungs­stra­tegien. Zwei Punkte seien hierfür entscheidend:

Zum einen dürften sich die Europäer nicht aus ihrer Verant­wortung ziehen, die entwi­ckelten europäi­schen Werte auch umzusetzen. Eine beständige europäische Innen­po­litik ist momentan notwen­diger denn je, auch angesichts des Zuwachs bei den natio­na­lis­ti­schen Parteien in der aktuellen Krise. Wie jüngst die Präsi­dent­schafts­wahlen in Frank­reich zeigten, bei denen die Kandi­datin der rechts­extremen Partei Front National (FN), Marine Le Pen, im ersten Wahlgang der mit 18,5% das beste jemals erzielte Ergebnis für einen Präsi­dent­schafts­kan­di­daten der FN erzielte. Ähnliches ließe sich aber auch in Irland beobachten. Dort erzielte die irisch-republi­ka­nische Partei Sinn Féin mit einer Zunahme von 30 Prozent in einer Meinungs­um­frage ähnliche Erfolge. In Deutschland wäre man diesbe­züglich vom Glück gesegnet. Keine der natio­na­lis­tisch orien­tierten Parteien legte bei der Mehrheits­bildung ausschlag­gebend zu. Für Europa bedeute die Entwicklung, dass man sich trotz dieser besorg­nis­er­re­genden Zuwächse nicht aus der politi­schen Verant­wortung ziehen könne. Die große politische Aufgabe wäre es nun, Europa intern stabil zu halten.

Zum anderen müsse die Trans­parenz politi­scher Entschei­dungen steigen. Bislang wurden Lösungs­stra­tegien nur unzurei­chend unter dem Schlagwort „Europa muss sparen“ erklärt. Es sei jedoch wichtig den Fiskalpakt um weitere Elemente zu ergänzen. Dieses Gesamt­paket setze sich aus mehreren Elementen zusammen. Struk­tur­po­li­tisch müssten aktuelle und wachs­tums­ori­en­tierte Projekte finan­ziell gefördert werden. Diese Projekte sollten mittels der Verän­derung der Infra- und Bildungs­struktur in der Lage sein, selbst­tragend zu existieren. Zudem sollten sie pragma­tisch und unbüro­kra­tisch umgesetzt werden. Es könne nicht sein, dass die Europäische Kommission im Mai 2012 eine langfristige Reform für das Wachstum des europäi­schen Binnen­marktes vorlegte. Europa brauche momentan keine allge­meinen Pläne, die sich erst nach Jahrzehnten auswirkten. Vielmehr wäre es wichtig, zielge­richtete Projekte, die sich psycho­lo­gisch positiv auf die wirtschaft­liche Entwicklung auswirkten, zu fördern. Die Balance zwischen Wirtschaft und demokra­ti­scher Macht sei die größte Heraus­for­derung vor der sich Europa dabei befinde. Während es im letzten Jahrzehnt notwendig gewesen sei, die Stabi­li­täts­kri­terien zu erfüllen, müsse nun nachhaltig in Bildung, Infra­struktur und Handel inves­tiert werden.

Der europäi­schen Außen­po­litik stünden ähnliche Schritte bevor, so Brok. Global herrsche eine Skepsis gegenüber der außen­po­li­ti­schen Handlungs­fä­higkeit der Europäi­schen Union und den westlichen Mächten. Gerade vor dem Hinter­grund der zöger­lichen Reaktionen auf den Arabi­schen Frühling und den verlo­renen Kriegen im Irak und Afgha­nistan müssten einheit­liche Lösungs­stra­tegien gefunden werden. Europa müsse dabei vor allem für seine Werte eintreten.

Brok schloss mit drei Szenarien zur Zukunft Europas. Ein Szenario wäre, Probleme und Heraus­for­de­rungen zu ignorieren und die Entwicklung laufen zu lassen, damit blieben diese aller­dings auch ungelöst. In einem zweiten Szenario könnten sich die Mitglied­staaten auf nationale Politiken zurück­ziehen und sich somit vor der unver­meid­lichen globalen Entwicklung verstecken. Laut einem dritten bevor­zugten Szenario, fände Europa seine gemeinsame Kraft wieder, um die Krise gemeinsam zu bewältigen.