IEP-Mittagsgespräch mit Dr. Nikolaus Meyer-Landrut am 2. Juli 2013: “Auf dem Weg zu einem gestärkten Europa der Stabilität und des Wachstums – Stand und Perspektiven aus Sicht der Bundesregierung”
Dr. Nikolaus Meyer-Landrut, Leiter der Abteilung 5 Europapolitik im Bundeskanzleramt, referierte am 2. Juli 2013 zum Thema „Auf dem Weg zu einem gestärkten Europa der Stabilität und des Wachstums – Stand und Perspektiven aus Sicht der Bundesregierung“ in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin. Die Veranstaltung wurde von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP), moderiert.
Der Vortrag von Dr. Nikolaus Meyer-Landrut fand wenige Tage nach der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2013 statt und stand teilweise im Lichte des bevorstehenden Treffens der Arbeits- und Sozialminister sowie der Staats- und Regierungschefs von EU-Mitgliedstaaten in Berlin, das sich der Bekämpfung der europäischen Jugendarbeitslosigkeit widmete.
Dr. Meyer-Landrut verwies zunächst darauf, dass sich der ECOFIN-Rat im Juni auf eine Bankenrestrukturierungs-Richtlinie geeinigt hat, welche klare Regeln für ein Bankenabwicklungsverfahren aufstellt. Dieses Verfahren ist auch mit den Entscheidungen zur Bankenrekapitalisierung eng verbunden. Ein weiterer wichtiger Schritt, um die Wirtschafts-und Finanzkrise zu bewältigen, besteht in der erfolgten Verabschiedung des neuen Mehrjährigen Finanzrahmens 2014–2020, welcher ab 2014 den Rahmen für die künftigen Strukturfonds festlegte. Notwendige Reformen in den Euro-Staaten seien jedoch unumgänglich. Diesen Schluss könne man aus der Asienkrise der 1990er Jahre ziehen. In dieser mussten alle betroffenen Staaten – früher oder später – den gleichen Anpassungsprozess durchlaufen. Jene Staaten, die sich früh den neuen Herausforderungen stellten, erzielten bei der Anpassung die besseren Ergebnisse.
Hinsichtlich der Frage der Sanktionierung von Mitgliedstaaten, die sich vertraglich zu Wirtschaftsreformen verpflichten würden, verwies Meyer-Landrut darauf, dass die EU-Kommission schlecht die Einhaltung dieser Vereinbarungen beaufsichtigen könne, da sie als Vertragspartner in einen Interessenkonflikt geraten könne. Reformen sollten vor allem in einem frühen Stadium durch bereits existierende Verfahren und Mechanismen stärker begleitet werden. Um Abweichungen einzelner Mitgliedstaaten von ihren Reformprogrammen zu verhindern sei an ein breites Spektrum von Maßnahmen zu denken, in dem Anreize und nicht so sehr Sanktionen eine wichtige Rolle spielen sollten.
Er wandte sich auch kurz der europäischen Jugendarbeitslosigkeit zu, welche bereits vor der Wirtschafts- und Finanzkrise in den heute besonders betroffenen Ländern wie Griechenland, Italien, Spanien oder Frankreich stark ausgeprägt war. Er unterstrich, dass die EU-Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit die zentralen Akteure seien, da die Arbeitsmarktpolitik in ihren Zuständigkeitsbereich fällt. Europäische Institutionen und Gelder könnten deshalb nur unterstützend wirken.
Ein Beitrag Europas zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bestehe in der Aufstellung eines Programms von 6 Milliarden Euro durch den Europäischen Sozialfonds. Es handele sich jedoch nicht um ein Zusatzprogramm. Die Mittel seien Teil des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und gingen somit zu Lasten anderer Bereiche. Hinzu kämen Mittel, die aus dem Sozialfonds des bisherigen MFR an die nationalen Haushalte zurückgeflossen seien. Diese sollen zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen genutzt werden.
Eine indirekte Maßnahme zur Dynamisierung der europäischen Wirtschaft sei die Vertiefung des Binnenmarkts. Hierbei sei die Modernisierung der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie ein wichtiger Schritt hin zu einer verstärkten Mobilität auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Schließlich verspreche ein zukünftiges Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA, ein starker Wachstumsmotor zu werden.
Eine Vertragsänderung zur Fortentwicklung der Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene schloss Dr. Meyer-Landrut nicht gänzlich aus. Bevor aber diesbezüglich Entscheidungen fallen, müsse eine inhaltliche Debatte klären, welche Maßnahmen die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) stabilisieren können. Eine Revision der gesamten Verträge, wie dies von einigen Staaten gefordert wird, sei nicht notwendig; punktuelle Vertragsänderungen würden ausreichen.
Zuletzt gab er zu bedenken, dass einige Beschlüsse des Rates zur Fortentwicklung der WWU zu optimistisch seien und zu große Erwartungen wecken würden. Der Aufbau einer europäischen Bankenaufsicht sei hierfür ein gutes Beispiel. Während der Rat den Beginn der Aufsicht für Januar 2014 angekündigt habe, verweise die Europäische Zentralbank darauf, dass es ungefähr ein Jahr nach Einigung auf die Bankenaufsicht dauern würde, bis die Aufsichtstätigkeit begonnen werden könne. Erstens müsse das Europäische Parlament der Bankenaufsicht noch zustimmen und zweitens müssten ganz praktische Vorkehrungen wie die Einstellung von zusätzlich zu rekrutierendem Personal (ca. 1.000 neue Mitarbeiter) erfolgen.
Die Zukunft der WWU sieht Dr. Meyer-Landrut in einer verstärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung unter den Mitgliedstaaten. Hierzu habe das deutsch-französische Papier von Mai 2013 anlässlich des 25jährigen Jubiläumstreffens des Deutsch-Französischen Wirtschaftsrats eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die beide Länder in die künftigen Beratungen der Staats- und Regierungschefs einbringen wollen.
Von: Jéronimo Barbin