Abendveranstaltung mit Manfred Weber, MdEP, zum Thema: “Die EU vor neuen außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben: Ukrainekrise und IS-Terror als zentrale Herausforderungen”
Am 29. Januar 2015 organisierte das Institut für Europäische Politik (IEP) Berlin in Kooperation mit der Akademie für Politische Bildung Tutzing sowie der Europa-Union München und der Griechischen Akademie eine Podiumsdiskussion in den Räumlichkeiten der IHK Akademie München zum Thema „Die EU vor neuen außen- und sicherheitspolitischen Aufgaben: Ukrainekrise und IS-Terror als zentrale Herausforderungen“. Manfred Weber, MdEP und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik, sowie Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, führten mit Impulsvorträgen in die Veranstaltung ein. An der anschließenden Podiumsdiskussion, welche von Ursula Münch moderiert wurde, nahmen neben Manfred Weber und Mathias Jopp noch Prof. Dr. Walther Stützle, Verteidigungsstaatssekretär a.D. und Senior Distinguished Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik sowie Prof. Dr. Martin Schulze Wessel, Professor für Geschichte Osteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, teil.
Als drängendste außenpolitische Herausforderung für Europa war die Ukrainekrise das vorherrschende Thema der Veranstaltung. Die Podiumsteilnehmerinnen waren sich in der Verurteilung der Krimannexion und in der Beurteilung der Ukrainekrise als Gefahr für die europäische Friedensordnung einig. Uneinigkeit bestand jedoch darüber, wie diese Ordnung wieder hergestellt werden könne und ob Russland hierbei als Partner oder als Hindernis betrachtet werden müsse.
Manfred Weber betonte, dass Russland „kein vertrauensvoller Partner mehr“ ist, denn die jetzige Regierung sei zu keinem Dialog bereit und führe einen Krieg nach „perfiden KGB-Methoden“, welche bereits im Georgienkrieg erprobt worden seien. Die EU habe sich hinsichtlich des Ausbruchs des Konflikts nichts vorzuwerfen, schließlich sei der Freihandelsvertrag noch mit der russlandfreundlichen Regierung Janukowitsch ausgehandelt worden. Er sah die Proteste auf dem Maidan in einer Linie mit denen in Budapest und Warschau zu Zeiten des Kalten Krieges und hob hervor, dass es für die EU keine Alternative gäbe, als die Ukraine zu unterstützen. Eine militärische Unterstützung der Ukraine schloss er aus und befürwortete die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland. Gleichzeitig hob er aber hervor, dass dies keinen endgültigen Bruch mit Russland bedeutet.
Für Walther Stützle muss Russland ein wichtiger Dialog- und Verhandlungspartner bleiben, so wie zu Zeiten des Mauerbaus die Sowjetunion. Russland könne nicht „in die Knie sanktioniert“ werden, einzig Sicherheitsangebote seitens der EU und der NATO und direkte Verhandlungen zwischen den USA und Russland können einen Ausweg aus der Ukrainekrise bieten.
Auch Mathias Jopp betonte, dass Russland ein Verhandlungspartner bleiben müsse, trotz der in Fragestellung der Charta von Paris und der Nichtachtung des Budapester Abkommens. Auch die EU habe Fehler gemacht. So hätte sie vielleicht parallel zu den Verhandlungen mit Kiew Gespräche mit Moskau führen können. Insgesamt sei aber positiv, dass die EU seit Ausbruch der Krise sehr geschlossen aufgetreten sei. Vordringlichste Frage sei, wie das verlorene Vertrauen zwischen den Europäern und Russland wieder gewonnen werden könne. Das verschobene Inkrafttreten des Freihandelsabkommens mit der Ukraine sei hier eine Vorleistung. Nun sei Russland am Zuge, wobei die Rückkehr zum Minsker Abkommen essenziell sei.
Martin Schulze Wessel vertrat dagegen eine fundamental andere Meinung. Er sprach Russland eine Gestaltungsrolle auf dem europäischen Kontinent ab und erinnerte an den Wiener Kongress von 1814/15, auf dem sich die europäischen Staaten mit Russland auf eine neue europäische Friedensordnung auf Kosten der nationalen Bewegungen in Osteuropa verständigt hätten. Er kritisierte Stützle für seine äquidistante Position zu den Konfliktparteien und forderte, den Völkerrechtsbruch in der Ukraine und die „imperiale Expansionspolitik Russlands“ deutlich als solche zu benennen. Putin berufe sich auf Katharina die Große und wolle das „Projekt Neurussland“ fortsetzen, denn Russland versuche, wie früher, seine „Rückständigkeit“ durch Machtpolitik zu konterkarieren. Zudem verfolge Russland eine Strategie der Spaltung der EU, indem es versuche, Länder wie Griechenland und Ungarn stärker an sich zu binden. Dies sei eine sehr ernste Herausforderung für Europa.
Hinsichtlich der Bedrohung Europas durch den Islamischen Staat (IS) forderte Manfred Weber mehr Austausch zwischen den europäischen Geheimdiensten, wobei darauf geachtet werden müsse, eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu finden. Es dürfe nicht sein, dass die Attentäter von Paris ihre Waffen in Brüssel kaufen konnten, obwohl sie in Frankreich als potentiell gefährlich bekannt waren. Im Kampf gegen den IS begrüßte Weber die Waffenlieferungen an die Kurden und forderte die EU auf, sich stärker an der Stabilisierung der Nachbarländer zu beteiligen. Gleichzeitig müsse man sich die Frage stellen, ob man nicht viel zu lange weggeschaut habe in Syrien. Durch eine frühzeitige Intervention hätte man möglicherweise die Radikalisierung einer ganzen Generation verhindern können.
Um heutige und zukünftige außenpolitische Herausforderungen effektiv angehen zu können, da waren sich alle Podiumsdiskutanten einig, bedürfe es einer geeinten europäischen Antwort. Gerade unter dem Eindruck des Rückzugs der USA aus Europa müsse sich die Außen- und Sicherheitspolitik der EU weiterentwickeln und in Europa „Ordnungsfaktor werden“, forderte insbesondere Weber. Zwar sei die außenpolitische Stimme der EU seit Lissabon mit dem Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes etwas stärker, doch müsse sie noch ambitionierter und mittels ihrer „Soft Power“ präventiver agieren, so Weber weiter.