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Diskussionsveranstaltung zu den moldauischen Parlamentswahlen am 13. März 2019

Am 13. März 2019 fand unsere Diskus­si­ons­ver­an­staltung zum Thema „Democracy in Moldova after the parlia­mentary elections – what to expect from a new government?“ in Berlin statt. Die Veran­staltung wurde vom Institut für Europäische Politik (IEP) im Rahmen des Berlin Policy Hubs in Koope­ration mit dem Deutsch-Moldaui­schen Forum und der Deutschen Gesell­schaft für Auswärtige Politik (DGAP) organi­siert. Als Experten aus der Region waren Vertreter zweier moldaui­scher Think-Tanks, der Expert-Grup und dem Institute for European Policies and Reforms (IPRE), einge­laden. Rund 50 Gäste nahmen an der Diskussion über die Wahler­geb­nisse, den Stand der Regie­rungs­bildung und die daraus zu ziehenden Konse­quenzen für die Zukunft der europäisch-moldaui­schen Bezie­hungen teil.

Dr. Katrin Böttger begrüßte die Referen­tInnen und Gäste und warf die Frage auf, wie die EU die Republik Moldau in ihrem demokra­ti­schen Bestreben sinnvoll unter­stützen könne. Im Anschluss skizzierte der moldauische Botschafter, S.E. Dr. Oleg Serebrian, die politi­schen Entwick­lungen nach den Wahlen angesichts unklarer Mehrheitsverhältnisse.

An der darauf­fol­genden Panel­dis­kussion nahmen Iulian Groza, Direktor von IPRE, Adrian Lupușor, Direktor der Expert-Grup, Dr. Fritz Felgentreu, SPD-Bundes­tags­ab­ge­ord­neter und Vorsit­zender des Deutsch-Moldaui­schen Forums, sowie Dr. Hans-Peter Hinrichsen als Vertreter des Auswär­tigen Amts teil. Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Christina Ghera­simov, wissen­schaft­liche Mitar­bei­terin der DGAP. Zunächst analy­sierte Iulian Groza die aktuelle politische Situation in der Republik Moldau in Bezug auf die moldauisch-europäi­schen Bezie­hungen. Seiner Meinung nach habe die Suspen­dierung der EU-Finanz­hilfen im vergan­genen Jahr nicht zu den gewünschten Konse­quenzen, wie einer Verbes­serung hinsichtlich der demokra­ti­schen Standards und der Recht­staat­lichkeit, geführt. Es sei entscheidend, dass sich die finan­zielle Unter­stützung der EU weniger an die Zentral­re­gierung als insbe­sondere an lokale, reform­ori­en­tierte Entschei­dungs­trä­ge­rInnen und Vertre­te­rInnen der Zivil­ge­sell­schaft richte. Daran anschließend zeichnete Adrian Lupușor die Sozial- und Wirtschafts­po­litik der Vorgän­ger­re­gierung nach, die für die kommende Regierung ein schwie­riges Erbe darstelle. Aller­dings habe seiner Ansicht nach keine der regie­renden Parteien ein Interesse daran, Probleme wie das chronische Haushalts­de­fizit ernsthaft anzugehen und dafür politische Verant­wortung zu übernehmen. Er rechne daher nicht mit einer stabilen Regierung und plädierte, überein­stimmend mit Iulian Groza, dafür, dass die EU sich auf andere moldauische Akteure als die Regierung konzen­trieren solle.

In seinem Beitrag stimmte Dr. Fritz Felgentreu seinen moldaui­schen Vorrednern zu, entgegnete aber, dass die EU diesen Paradig­men­wechsel teilweise schon vollzogen habe. Insgesamt bewertete er die Ergeb­nisse der Parla­mentswahl als wenig überra­schend. Sie böten keinen Anlass für große Erwar­tungen, schlössen aber auch keine Türen. Insgesamt könnten Deutschland und die EU nur ihre Hilfe anbieten – Impulse für Reformen müssten aus Moldau selbst kommen. Dr. Hans-Peter Hinrichsen konsta­tierte, dass es voraus­sichtlich keine substan­ti­ellen Verän­de­rungen in den europäisch-moldaui­schen Bezie­hungen geben werde. Das Grund­prinzip der Kondi­tio­na­lität stelle einen ausrei­chenden Rahmen für die Zusam­men­arbeit dar. Entscheidend sei der Wille der neuen Regierung, das Assozi­ie­rungs­ab­kommen mit der EU umzusetzen und die nötigen Reformen durch­zu­führen. Sofern die zukünftige Regierung entspre­chend reform­ori­en­tiert handle, sei es nachrangig, wie diese zusam­men­ge­setzt sei. Aller­dings könnte eine Regie­rungs­be­tei­ligung der Șor-Partei die Zusam­men­arbeit mit der EU erheblich erschweren. Der Partei­vor­sit­zende Ilan  Șor wurde vor den Parla­ments­wahlen erstin­stanzlich wegen Geldwäsche und Betrugs verurteilt.

In der weiteren Diskussion gingen die vier Experten außerdem auf den Wahlkampf ein. So habe man eine „De-Geopo­li­ti­sierung“ der Wahlkampf­rhe­torik feststellen können. Sowohl die Demokra­tische Partei (PDM), als auch die Partei der Sozia­listen (PSRM) seien außen­po­li­tisch größten­teils auf einen „Moldova first“-Kurs einge­schwenkt. Zudem dominierten innen­po­li­tische anstelle außen­po­li­ti­scher Themen, zum Beispiel eine Ausweitung der Sozial­leis­tungen, maßgeblich den Wahlkampf. Während ersteres zu begrüßen sei, wurde letzteres von Iulian Groza und Adrian Lupușor als „sozialer Populismus“ charak­te­ri­siert, der für sich genommen keine nachhaltige Reform­agenda darstelle. Vielmehr sei das sich dadurch vergrö­ßernde Haushalts­de­fizit eine Hypothek für die zukünftige Regierung. Des Weiteren wurde über die seit kurzem bestehende Möglichkeit, die moldauische Staats­an­ge­hö­rigkeit im Rahmen „Moldova Citizenship-by-Investment“-Initiative zu erwerben, die Forde­rungen des Wahlbünd­nisses ACUM zu Korrup­ti­ons­be­kämpfung und über den Paria-Status der Șor-Partei gesprochen. Schließlich waren sich die moldaui­schen Panelisten darin einig, dass eine PDM-geführte Minder­heits­re­gierung mit indirekter Unter­stützung von PSRM und Șor zu diesem Zeitpunkt am wahrschein­lichsten erscheine.

Der Berlin Policy Hub ist Teil der von der Open Society Foundation unter­stützten Initiative „Europea­nization beyond process“ und zielt darauf ab, den Austausch zwischen osteu­ro­päi­schen Think-Tanks und ihren deutschen Pendants zu inten­si­vieren und neue Formen der Koope­ration zu ermög­lichen. Im Rahmen des Projekts erhalten Wissen­schaft­le­rInnen aus Georgien, Moldau und der Ukraine die Möglichkeit ihre Expertise und ihre Forschungs­er­geb­nisse einem deutschen Publikum vorzu­stellen, um gleich­zeitig ein besseres Verständnis für den Diskurs innerhalb Deutsch­lands zu diesen Themen zu erzielen.


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